Die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) meldete sich am Freitag auch zu Wort. „Der Bauernverband steht nun vor einer seiner schwersten Aufgaben. Er erlebt, dass er dieses Mal aufs Massivste benutzt wird“, sagte Künast unserer Redaktion. Der Verband müsse „gegebenenfalls alle Veranstaltungen absagen, die er organisatorisch mit Ordnern nicht im Griff hat“.
Was war passiert? Nach der Einigung der Ampel, auf die Kürzung der Bauernsubventionen teilweise zu verzichten, hatte der Bauernverband diese als unzureichend bezeichnet. Die Proteste würden weitergehen. Wirtschaftsminister Robert Habeck bekam dies prompt zu spüren – als er Donnerstagabend am Fährhafen Schlüttsiel in Schleswig-Holstein von seinem Urlaub auf der Hallig Hooge zurückkehren wollte, drohten wütende Demonstranten, die Fähre zu stürmen. Das Schiff musste umdrehen.
Erhebliche Verkehrsbehinderungen
Zu Beginn der bundesweiten Protestwoche der Landwirte planen in Rheinland-Pfalz Tausende Bauern Sternfahrten und Kundgebungen. Vielerorts muss am ersten Tag nach den Schulferien mit ganz erheblichen Verkehrsbehinderungen gerechnet werden.
Mehr als zehntausend rheinland-pfälzische Bauern beteiligen sich voraussichtlich am Montag an der Protestwoche gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Größere Kundgebungen sind nach Sternfahrten vor allem in Mainz, Ludwigshafen und Koblenz geplant.
Die Stadt Trier rechnet damit, dass in der Innenstadt wegen einer Fahrt von bis zu 1.000 Traktoren mit sechs Kilometern pro Stunde „gar nichts mehr geht“ und fordert die Menschen auf, möglichst zu Hause zu bleiben und sich nur mit dem Rad oder zu Fuß auf den Weg in die Stadt zu machen. Dazu kommen eine Reihe dezentraler Aktionen und im Norden des Bundeslandes werden auch Autobahnauffahrten zeitweilig blockiert, wie der Verein Landwirtschaft verbindet (LSV) ankündigte.
Allenthalben wurden die Vorkommnisse scharf verurteilt. Doch wer protestiert da nun gegen was? Die Sorge geht um, dass die Proteste unterwandert werden könnten. Habeck erklärte am Freitag, er bedaure, „dass keine Gesprächssituation mit den Landwirten zustande kommen konnte“. Es mache ihm Sorgen, „dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt“. Bauernpräsident Joachim Rukwied distanzierte sich dann auch von der Aktion. „Blockaden dieser Art sind ein No-Go“, erklärte er auf Nachfrage. „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht“, fügte er hinzu.
Feines Gespür für Trittbrettfahrer
Für Künast ist freilich klar: Ein einfaches „Weiter so“ könne sich der Verband nach der Aktion nicht mehr leisten. Zugleich müsse sehr genau analysiert werden, ob der Vorfall von Rechtsextremen initiiert gewesen sei. Auch aus dem Landwirtschaftsministerium von Cem Özdemir (Grüne) gab es mahnende Worte: Die Bauern dürften nicht „überreizen“. Man habe auch bereits Signale aus der Branche, „da machen wir nicht mehr mit“, hieß es. Ab dem 8. Januar soll es erneut bundesweite Bauernproteste geben.
Unionsfraktionsvize Steffen Bilger (CDU) betonte hingegen auf Nachfrage: „Die Landwirtsfamilien sind ganz überwiegend sachorientiert und haben ein feines Gespür für Trittbrettfahrer, denen es in Wahrheit nicht um die Landwirtschaft geht.“ Demonstrationen müssten friedlich sein und Sachargumente dabei im Vordergrund stehen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärte, gewalttätiger Protest habe in einer Demokratie nichts zu suchen. „Er schadet darüber hinaus denjenigen, die für ihr Anliegen auf friedliche Weise demonstrieren“, sagte er unserer Redaktion.
Entgegen anderslautender Stimmen will die FDP zudem den Kompromiss bei den Vergünstigungen mittragen. „Die Änderungen in der Sache begrüße ich, die zeitliche Streckung des Subventionsabbaus gibt den Betrieben die Gelegenheit, sich besser vorzubereiten und eine wirtschaftliche Überforderung zu verhindern“, sagte der Generalsekretär. Dass innerhalb der Koalition „eine Gegenfinanzierung gefunden werden konnte, war Voraussetzung dafür“.
De Maart
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