Sonntag21. Dezember 2025

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LeserforumAutonomes Reproduktionsrecht – ein vollständiges Grundrecht statt halber Freiheit

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Ein vollständiges Grundrecht statt halber Freiheit!

Die Verfassungsdebatte über den Schwangerschaftsabbruch darf nicht in einer halben Freiheit enden. Wer Freiheit ernst meint, denkt sie ganz. Deshalb sollte die Verfassung nicht nur das Recht auf Abtreibung, sondern ebenso das Recht auf Empfängnisverhütung und das Recht, eine Schwangerschaft in Würde bis zur Geburt zu tragen, garantieren.

Warum? Freiheit bedeutet mehr als nur das Recht auf Abbruch. Wahre Freiheit kennt immer zwei Seiten: das Nein und das Ja. Wer sich für ein Kind entscheidet, braucht und verdient denselben Schutz wie die, die sich für den Abbruch entscheidet – durch Unterstützung, medizinische Versorgung und gesellschaftliche Achtung. Eine Verfassung, die nur das Nein absichert, schafft eine Schieflage und droht zur bloßen Symbolpolitik zu verkommen, statt ein ernsthaftes Freiheitsrecht zu gewährleisten.

Daher ein Gedanke: „Jede Person hat das Recht auf körperliche und reproduktive Selbstbestimmung. Dieses Recht umfasst das Recht auf Empfängnisverhütung, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen sowie das Recht, eine Schwangerschaft in Würde bis zum Ende zu tragen. Der Staat sichert einen freien, sicheren, diskriminierungsfreien und gesellschaftlich unterstützten Zugang zu diesen Rechten.“ („Toute personne a droit à l’autonomie corporelle et reproductive. Ce droit comprend le droit à la contraception, le droit à l’interruption volontaire de grossesse dans le cadre des dispositions légales ainsi que le droit de mener une grossesse dans la dignité jusqu’à son terme. L’Etat garantit un accès libre, sûr, non discriminatoire et soutenu par la société à ces droits.“)

Diese Formulierung ist klar, ausgewogen und menschenwürdig. Sie spiegelt wider, was die meisten Menschen empfinden: dass niemand zum Austragen gezwungen werden darf – aber auch niemand im Stich gelassen werden soll, wenn sie sich bewusst für ein Kind entscheidet. Zu Recht weist Kardinal Hollerich auf die Schwächen der aktuellen Verfassungsversion hin.

Die internationale Erfahrung zeigt: Rechte, die nicht symmetrisch abgesichert sind, bleiben angreifbar. In den USA wurde ein jahrzehntelang gefestigtes Grundsatzurteil aufgehoben, in Polen das Abtreibungsrecht nahezu vollständig abgeschafft. Die Lehre daraus ist eindeutig: Nur eine klare und umfassende Verfassungsregelung bietet dauerhaften Schutz.

Die Luxemburger Verfassung sollte ein Vorbild sein, kein Flickwerk. Sie muss zeigen: Wir vertrauen den Bürgerinnen und Bürgern, ihre Entscheidung selbstbestimmt zu treffen – und wir als Gesellschaft garantieren, dass alle Optionen gleichermaßen abgesichert sind. Auf diese Weise entsteht kein einseitiges „Recht auf Abbruch“, sondern ein kohärentes, unteilbares Freiheitsrecht der Selbstbestimmung. Und genau das schuldet eine zeitgemäße Verfassung ihren Menschen.