Corona-PandemieAustralien und Neuseeland könnten das Virus besiegen

Corona-Pandemie / Australien und Neuseeland könnten das Virus besiegen
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hatte sehr schnell auf die Pandemie reagiert Foto: Mark Mitchell/Pool/AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Antipoden-Länder haben beide die Chance, das Coronavirus zu eliminieren. Dafür arbeiten Parteien aller Couleur zusammen. Der Teamgedanke steht im Vordergrund. Diskussionen um den persönlichen Freiheitsverlust wie in Europa oder den USA werden kaum geführt.

Politisch stehen sich die Regierungschefs Australiens und Neuseelands keinesfalls nahe: Scott Morrison in Canberra ist ein liberal-konservativer Politiker und devoter Christ. Jacinda Ardern in Neuseeland dagegen eine progressive Sozialdemokratin, der „neue Liebling“ der Linken. Doch beide Politiker haben ihre Ideologien zurückgestellt und ihr Volk mit einem auf Experten basierten Ansatz durch die vergangenen Wochen geführt.

In Australien hat die liberal-konservative Regierung gar Ideen der sozialdemokratischen Opposition aufgenommen – etwas, das Morrison die „guten Gewohnheiten” der Kooperation nannte. In Neuseeland setzt Ardern seit Wochen den Schwerpunkt auf den Zusammenhalt im Land: Ihr Volk nennt sie regelmäßig „unser Fünf-Millionen-Team“.

Ardern hat extrem schnell auf den Ausbruch des Coronavirus in ihrem Land reagiert. Als Neuseeland am 14. März gerade mal sechs bestätigte Covid-19-Fälle zählte, verkündete die Politikerin, dass jeder, der nach Neuseeland einreisen möchte, zwei Wochen in Selbstisolation muss. Am 19. März, als die Zahl der Infizierten auf 28 kletterte, riegelte sie das Land ab. Seitdem dürfen bis auf Weiteres keine Ausländer mehr in den Inselstaat. Wenige Tage später – inzwischen wurden etwas über 100 Menschen positiv getestet – bereitete sie ihr Land bereits auf den „Lockdown“ vor – ein System klar kommunizierter „Alert Level“ – die ab dieser Woche nun schrittweise wieder gelockert werden sollen.

Auch Australien reagierte nach anfänglichem Zögern mit drastischen Maßnahmen. Seit dem 20. März lässt das Land keine ausländischen Besucher mehr auf den Kontinent. Auch im Inland haben die meisten Bundesstaaten ihre Grenzen geschlossen und erlauben keine Reisen mehr. Am 21. März wurden soziale Distanzierungsregeln eingeführt, und die Landesregierungen begannen, nicht-essenzielle Dienstleistungen einzuschränken – wenn auch nicht ganz so streng, wie Neuseeland dies tat.

Kurz vor der Eliminierung von Covid-19

Die Maßnahmen griffen in beiden Ländern: Neuseeland steht einen Monat nach Beginn der Ausgangssperre kurz vor der Eliminierung des Virus. Die meisten der 1.460 Neuseeländer, die bisher positiv testeten, sind wieder gesund. Das Land verzeichnet weniger als 20 Tote und nur noch eine Handvoll Neuinfektionen jeden Tag.

Auch Australien gelang es, die Kurve zu „glätten“. Das 25-Millionen-Land hätte ohne Maßnahmen bis Ostern wohl 153.000 Infizierte gezählt, doch stattdessen haben bisher nur etwas über 6.700 positiv getestet. Die tägliche Wachstumsrate ist unter ein Prozent gerutscht, knapp über 80 Menschen starben bisher an Covid-19. Auch die Dunkelziffer unentdeckter Covid-19-Fälle sollte gering sein. „Die Modelle lassen annehmen, dass es wahrscheinlich keine riesige geheime Kohorte von Covid-19-Fällen gibt, die wir aufgrund unzureichender Tests nicht aufgreifen“, schrieb Trent Yarwood, ein Experte für Infektionskrankheiten an der Universität von Queensland, im Wissenschaftsmagazin The Conversation.

Obwohl in beiden Ländern Verstöße berichtet wurden – in Neuseeland erwischte man selbst den Gesundheitsminister auf Abwegen, während in Australien das schöne Herbstwetter zu viele Strandbesucher anlockte – scheint sich die Mehrheit der Bevölkerung an die Regeln zu halten. Diskussionen wie in Europa und den USA, dass die Quarantänezeit gegen die Grundrechte der Menschen verstoßen würde oder die eingeschränkte persönliche Freiheit gar die Demokratie gefährden könnte, werden kaum geführt.

Diskussion über „pazifische Bubble“

Selbst die Ökonomen sind sich weitestgehend einig: So schrieben 157 australische Wirtschaftswissenschaftler vergangene Woche in einem offenen Brief, dass die Regierung die Eindämmung des Coronavirus weiter priorisieren solle. „Wir können keine funktionierende Wirtschaft haben, wenn wir uns nicht zuerst umfassend mit der Krise der öffentlichen Gesundheit befassen“, hieß es darin.

Während Morrison in Australien eher den kühlen Nachrichtenüberbringer spielt, wird Ardern immer mehr zur „Mutter der Nation“, die trotz strenger Regeln auch Trost spendet, Verständnis zeigt und Mut zuspricht. Ihre tägliche Pressekonferenz um 13 Uhr wurde zum Jour fixe für viele Neuseeländer, ihr Facebook-Feed erhält täglich Tausende Likes, vor allem, wenn sie sich im Sweatshirt am Abend noch mal schnell zu Wort meldet oder Experten interviewt.

Um den Erfolg, den sich die beiden Pazifik-Nationen hart erarbeitet haben, aufrechtzuerhalten, werden die beiden Länder wohl noch länger auf ihrer harschsten Maßnahme beharren müssen: der Schließung der Grenzen. „Dies ist leider eine Zeit, während der Menschen keinen Urlaub machen können“, warnte der australische Tourismus-Minister Simon Birmingham vor kurzem. Zur Diskussion steht bisher nur, in den kommenden Monaten eine „pazifische Bubble“ zu schaffen, die zumindest das Reisen zwischen Neuseeland und Australien wieder ermöglichen würde.