22. Oktober 2025 - 19.48 Uhr
Seltene ErdenAustralien und die USA unterzeichnen milliardenschweren Deal

Als Donald Trump und Anthony Albanese am Montag im Weißen Haus ihre Unterschriften unter das Abkommen über kritische Mineralien setzten, ging es um weit mehr als Rohstoffpolitik. Es ging um eine wirtschaftliche Machtverschiebung, die seit Jahrzehnten andauert – und die der Westen nun verzweifelt umzukehren versucht. „In etwa einem Jahr werden wir so viele kritische Mineralien und Seltene Erden haben, dass Sie nicht wissen werden, was Sie damit anfangen sollen“, versprach Trump. Die Realität dürfte komplizierter sein.
Der Zeitpunkt des Abkommens offenbart die Dringlichkeit der Lage. Vor wenigen Tagen erst hat China seinen ohnehin schon festen Griff um die globale Versorgung mit kritischen Mineralien weiter verstärkt – jenen Elementen, die für den Bau von Batterien, Elektroautos, Raketen und Magneten unverzichtbar sind. Im Dezember 2024 blockierte Peking bereits Galliumexporte in die USA, ein strategischer Schachzug, der Washington die eigene Verwundbarkeit drastisch vor Augen führte.
Die strategische Bedeutung dieser Rohstoffe lässt sich kaum überschätzen: Seltene Erden, Lithium, Nickel oder Kobalt sind heute Bestandteile hochentwickelter Produkte – von Elektroautos bis zu Radarsystemen. Ein einziger F-35-Kampfjet benötigt rund 420 Kilogramm solcher Materialien. Kontrolle über diese Inputs bedeutet Kontrolle über Produktionsketten und damit über industrielle Handlungsspielräume.
China dominiert Reserven und Verarbeitung
Die Ausgangslage ist ernüchternd: China dominiert nicht nur durch die weltweit größten Reserven, sondern vor allem durch die Verarbeitung. Rund 90 Prozent der Raffinierung laufen dort, bei schweren Seltenen Erden liegt der Anteil sogar bei 98 Prozent. Hier liegt das eigentliche Problem.
Australien besitzt zwar bedeutende Vorkommen – etwa rund vier Prozent der weltweiten Seltenen-Erden-Reserven – und kann diese aus dem Boden fördern, doch fehlt das Kapital für die entscheidende Verarbeitungsstufe. Das Land muss Verarbeitungskapazitäten, Know-how und Investitionsanreize ausbauen, um nicht nur Rohstoffe zu liefern, sondern auch Wertschöpfung vor Ort zu behalten. Sowohl die USA als auch Australien sind von China abhängig, wenn es darum geht, die Rohstoffe in industriell nutzbare Produkte zu verwandeln. Diese Abhängigkeit wird nun zum Sicherheitsrisiko, da die Handelsspannungen zwischen Washington und Peking eskalieren – nicht zuletzt im Vorfeld von Trumps anstehendem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping in Südkorea.
Ein 8,5-Milliarden-Dollar-Abkommen
Das von Trump und Albanese unterzeichnete Rahmenabkommen zielt darauf ab, eine gesicherte Lieferkette für kritische Mineralien und Seltene Erden aufzubauen. Der australische Premier beschrieb es als eine „8,5 Milliarden Dollar schwere Pipeline, die wir startbereit haben“. Konkret verpflichten sich beide Länder, in den nächsten sechs Monaten jeweils mindestens eine Milliarde US-Dollar zu investieren. Die Mittel fließen in Form von „Garantien, Darlehen oder Eigenkapital; Abschluss von Abnahmevereinbarungen; Versicherungen; oder regulatorischer Erleichterung“, wie es im Vertragstext heißt. Ein Kernbestandteil ist die Einführung von Mindestpreisen – eine Forderung, die westliche Bergbauunternehmen seit Jahren erheben, um gegen Chinas aggressive Preispolitik bestehen zu können.
Koordiniert wird das Programm durch eine neu geschaffene Reaktionsgruppe unter Leitung des US-Energieministers und der australischen Ressourcenministerin. Sie soll Versorgungsschwachstellen identifizieren und die Lieferung beschleunigen. Zudem wollen beide Regierungen Genehmigungsverfahren für Bergbau und Verarbeitung erheblich verkürzen.
Drei strategische Stoßrichtungen
Das erste Vorzeigeprojekt ist das Alcoa-Sojitz Gallium-Rückgewinnungsprojekt in Wagerup, Westaustralien. Australien stellt bis zu 200 Millionen US-Dollar konzessionäre Eigenkapitalfinanzierung bereit und sichert sich ein Abnahmerecht. Die USA investieren ebenfalls mit Eigenkapital und Abnahmegarantie. Besonders bemerkenswert: Japan hat bereits 50 Prozent der bisherigen Projektkosten übernommen. Das Projekt wird bis zu zehn Prozent der weltweiten Galliumversorgung liefern – ein strategisch kritischer Rohstoff für Halbleiterfertigung und Verteidigungstechnologie. Die trilaterale Struktur zeigt, dass Washington auf ein Netzwerk demokratischer Industrienationen setzt, um Chinas Dominanz zu durchbrechen. Ergänzend plant das Pentagon den Bau einer Galliumraffinerie in Westaustralien – eine direkte Antwort auf Chinas Exportstopp.
Das Pentagon-Projekt unterstreicht die sicherheitspolitische Dimension des Abkommens. Indem die USA eigene Verarbeitungskapazitäten in Australien aufbauen, schaffen sie eine geografisch diversifizierte, aber politisch kontrollierte Lieferkette. Ein weiteres großes australisches Projekt ist die Arafura Nolans-Mine im Northern Territory. Australien investiert 100 Millionen US-Dollar Eigenkapital. Nach Inbetriebnahme soll das Projekt fünf Prozent der weltweiten Seltenen Erden produzieren.
Die kritische Frage: Wird es reichen?
Die Ambitionen sind groß, doch Experten äußern Skepsis. Lian Sinclair von der University of Sydney formuliert das Dilemma präzise: Mit Milliarden Dollar an staatlicher Finanzierung und mehreren fortgeschrittenen Projekten seien australische Seltene Erden bereit, zur Versorgung der weltweiten Elektrofahrzeug- und erneuerbare Energien-Produktion beizutragen. Doch: „Ohne Investitionen in Raffinerien und Magnetproduktion in verbündeten Ländern werden australische Bergbauunternehmen weiterhin entweder an die chinesische Inlandsindustrie verkaufen oder von ihr verdrängt werden.“
Hier liegt die Achillesferse des Abkommens: Es adressiert zwar Bergbau und Erstverarbeitung, doch die entscheidende Wertschöpfung – Raffination und Weiterverarbeitung zu Magneten und Spezialkomponenten – bleibt unterentwickelt. Die USA haben bereits erste Wege mit Unternehmen wie MP Materials, Trilogy Metals und Lithium Americas beschritten und dabei Eigentumsanteile erworben. Nun sollen australische Firmen wie Lynas Rare Earths folgen, deren Aktienkurse bereits im Vorfeld des Treffens stiegen.
Strategische Partnerschaft
In Australien und den USA erhielt das neue Abkommen breite Unterstützung. US-Senatorin Jeanne Shaheen betonte, dass die USA ihre Zusammenarbeit mit Australien bei kritischen Mineralien weiter vertiefen müssten, um widerstandsfähige Lieferketten zu sichern, „die unsere Abhängigkeit von China verringern und unsere industrielle Basis stärken“. Chinas jüngste Vergeltungsmaßnahmen auf Präsident Trumps einseitigen Handelskrieg hätten unterstrichen, wie wichtig dies sei. Auch Albanese pochte auf die strategische Partnerschaft: „Es gibt keine engeren Freunde und Verbündeten als die Vereinigten Staaten von Amerika und Australien“, sagte er. Man werde „sehr hart zusammenarbeiten – im Interesse beider Nationen“. Trump bekräftigte in diesem Zusammenhang auch seine Unterstützung für das 2021 unter seinem Vorgänger Biden geschlossene, millardenschwere Aukus-Sicherheitsabkommen, über das Australien atomgetriebene U-Boote erhalten soll.
Doch Zweifel bleiben: Wie viel Unterstützung wird Washington langfristig leisten, wenn Unternehmen keine Projekte auf US-Boden versprechen? Das könnte künftige Verhandlungen erschweren. Und vor allem: Kann der Westen in kurzer Zeit wirklich aufholen, was China über Jahrzehnte systematisch aufgebaut hat? Laut dem deutschen Rohstoffexperten Frank Leschhorn beherrscht China die Aufbereitungstechniken mit einem großen Know-how-Vorsprung gegenüber dem Westen. Die USA sind bislang fast vollständig auf chinesische Verarbeitung angewiesen. „Das nachzuholen dauert Jahre, sodass die Abhängigkeit von China noch lange bleiben wird“, so der Experte. Auch Australien könne die chinesische Dominanz kurzfristig nicht brechen – nicht zuletzt, weil es ein Hochkostenland mit strengen Umweltauflagen sei. Zudem bewegt sich Australien geopolitisch auf einem schmalen Grat: Schließlich ist China nach wie vor wichtigster Abnehmer australischer Rohstoffe.
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