Freitag24. Oktober 2025

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Verlorener KampfAusbreitung der Asiatischen Hornisse ist in Luxemburg nicht mehr aufzuhalten – ein Gespräch mit einem Wespenberater

Verlorener Kampf / Ausbreitung der Asiatischen Hornisse ist in Luxemburg nicht mehr aufzuhalten – ein Gespräch mit einem Wespenberater
Eine Asiatische Hornisse (Vespa velutina nigrithorax) wird von einem Biologen mit einem Handschuh gehalten Symbolfoto: dpa/Axel Heimken

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Die Asiatische Hornisse hat in Luxemburg Fuß gefasst – und stellt Imker, Obstbauern und Behörden vor Herausforderungen. Wespenberater Jérôme Morbé beobachtet die Entwicklung seit Jahren. Seine Einschätzung ist klar: „Wir werden sie nicht mehr los. Entscheidend ist, wie wir mit ihr umgehen.“

Die Asiatische Hornisse breitet sich in Luxemburg unaufhaltsam aus. Ursprünglich stammt die „Vespa velutina nigrithorax“ aus Südostasien. Im Jahr 2004 wurde sie erstmals im Südwesten Frankreichs nachgewiesen – vermutlich eingeschleppt durch den Schiffsverkehr, als eine befruchtete Königin in einer Warenlieferung den Weg nach Europa fand. „Alle heute bekannten Nester in Europa lassen sich genetisch auf diese eine Königin zurückführen. Das ist erstaunlich – sie hat überwintert, ein Nest gegründet, junge Königinnen hervorgebracht, und so hat sich die Art immer weiter verbreitet“, erklärt Jérôme Morbé, Wespenberater bei der Gemeinde Bettemburg und freiwilliger Mitarbeiter bei „natur&ëmwelt“.

Die Ausbreitung erfolgt rasant: Bis zu 70 Kilometer pro Jahr legen die Tiere zurück. 2020 erreichte die Art auch Luxemburg. „Das erste Nest wurde in Esch dokumentiert – seither erleben wir eine regelrechte Explosion der Bestände. Aktuell ist die Hölle los“, so der Experte, der kurz nach dem Gespräch mit dem Tageblatt am Mittwochmorgen zum nächsten Einsatz ausrücken musste.

Unterschiede zu heimischen Hornissen

Eine Hornissenkönigin beim Ausbau eines Primärnests
Eine Hornissenkönigin beim Ausbau eines Primärnests Foto: Jérôme Morbé

Auch wenn die Asiatische Hornisse äußerlich oft mit europäischen Arten verwechselt wird, gibt es deutliche Unterschiede. „Sie ist etwas kleiner als unsere heimische Wespe und wirkt dunkler. Für Laien ist die Unterscheidung schwierig, deshalb sollte man im Zweifel immer auf eine Beratung zurückgreifen“, sagt Morbé. Auch ihr Verhalten hebt sie ab: „Ein Volk europäischer Hornissen erreicht rund 700 bis 800 Tiere. Asiatische Hornissen können dagegen bis zu 2.000 Individuen umfassen. Ihre Nester sind größer, ihre Aktivitätsperiode länger – oft bis in den November hinein.“

Hinzu kommt ihre ausgefeilte Jagdtechnik: „Sie können wie ein Helikopter in der Luft stehen bleiben und greifen auch Honigbienen und andere Bestäuber an. Dadurch entsteht ein starker Druck auf unsere Biodiversität“, so Morbé. „Sie können außerdem gezielt rückwärts fliegen und sind besonders effektiv bei der Jagd auf ihre Beute.“ Die Asiatische Hornisse hat kaum natürliche Feinde, was ihre Ausbreitung weiter begünstigt.

Gefahr durch Nester

Einzelne Tiere sind laut dem Experten harmlos. „Gefährlich wird es nur, wenn man einem Nest zu nahe kommt“, erklärt Morbé. Und dann wird es ernst: „Europäische Hornissen reagieren schon, wenn man ihr Nest stört, aber meist in begrenztem Umfang. Asiatische Hornissen dagegen verteidigen ihr Nest mit großer Ausdauer und Aggressivität.“ Sie können ihr Gift sogar spritzen und Menschen mit Pheromonen markieren, ohne zuzustechen. Andere Tiere des Volkes erkennen das und attackieren gezielt.

Ein Hornissennest in einem Gartenhäuschen
Ein Hornissennest in einem Gartenhäuschen Foto: Jérôme Morbé

Die Stiche selbst sind schmerzhaft und können Infektionen verursachen – der Stachel der Asiatischen Hornisse ist zudem breiter als der Stachel der europäischen Art. „Das Gift ist zwar schwächer als das einer Biene, doch Hornissen können allgemein mehrfach zustechen und die Dosis variieren“, so Morbé.

Besonders problematisch ist die invasive Art für die Imkerei. „Im Schnitt bringen die Hornissen 30 bis 40 Prozent Bienen als Nahrung ins Nest. Für Imker bedeutet dies zusätzlichen Stress und Verluste. Sie fressen aber auch Stechmücken, Fliegen und andere Insekten.“ Auch Obstbauern und Winzer könnten wirtschaftliche Folgen zu spüren bekommen, da weniger Bestäuber zur Verfügung stehen. Dies gehe laut Morbé bereits aus den Erfahrungswerten in Südfrankreich hervor.

Luxemburgs Strategie

Das Umweltministerium und die Naturverwaltung (ANF) bestätigen die starke Zunahme der Population: „Aufgrund günstiger Klima-Bedingungen und des Fehlens natürlicher Feinde konnte sich diese invasive Art schnell im Land ausbreiten. Die Zahl der entdeckten Nester und Sichtungen steigt kontinuierlich, was für die zuständigen Behörden eine immer größere Herausforderung darstellt“, heißt es auf Nachfrage des Tageblatt. Deshalb setzt die ANF auf gezielte Maßnahmen: Nester sollen lokalisiert, gemeldet und – wenn nötig – entfernt werden. Gleichzeitig arbeitet die Verwaltung mit Imkerverbänden und Naturschutzorganisationen zusammen, um die Öffentlichkeit aufzuklären.

Allerdings gilt auch in Luxemburg: Ein Sieg ist nicht zu erwarten. „Die Asiatische Hornisse ist in Süd- und Mitteleuropa bereits etabliert und breitet sich von dort weiterhin aus. Ihre Einwanderung nach Luxemburg ist daher nicht mehr rückgängig zu machen und auch kaum aufzuhalten“, teilt das Umweltministerium mit. Stattdessen gehe es um Monitoring und Forschung, um die Auswirkungen auf die Biodiversität und die Bienen im Auge zu behalten.

„Nuanciert betrachten“

Während Luxemburg die Asiatische Hornisse weiterhin als invasive Art betrachtet, gehen andere Länder einen anderen Weg. In Rheinland-Pfalz etwa wurde sie jüngst amtlich umgestuft und gilt somit fortan als etabliert und steht nicht mehr unter sofortiger Beseitigungspflicht. Morbé sieht das kritisch: „Wenn man gar nichts unternimmt, verschiebt sich das Gleichgewicht in der Biosphäre immer mehr. Wir brauchen koordinierte Strategien – und sollen weiterhin Nester kontrolliert beseitigen.“

Trotz aller Warnungen fordert der Experte Sachlichkeit: „Seit 250 Millionen Jahren entwickeln sich Wespen und Hornissen. Jede Art hat ihre Daseinsberechtigung“, so Morbé. „Von 15 in Luxemburg vorkommenden Wespenarten suchen nur zwei aktiv die Nähe des Menschen. Die Asiatische Hornisse ist ein Problem – aber man muss das Ganze nuanciert sehen.“ Experten sind sich laut Morbé nicht einig, wie groß das Problem wirklich ist. Die größte Herausforderung sieht Morbé in der Koordination: „Alle Länder müssen zusammenarbeiten. Jeder Alleingang schwächt die Bekämpfung. Entscheidend ist, Nester frühzeitig zu finden und fachgerecht zu beseitigen. Einzelne Tiere zu töten, bringt nichts.“

Was tun bei einem Hornissennest?

– Melden statt handeln: Nester bei der „Administration de la nature et des forêts“ (ANF) inklusive Telefonnummer, Foto und Standortangabe über [email protected] melden.
– Bei einzeln gesichteten Tieren: Melden Sie das Tier für Monitoring-Zwecke über die „iNaturalist“-App (https://inaturalist.lu/).
– Kein Selbstversuch: Niemals ein Nest eigenhändig entfernen – Gefahr für Gesundheit und Umwelt. Auf den Einsatz von Gift verzichten, immer auf Fachkräfte zurückgreifen.
– Stiche behandeln: Bei einem Stich sofort Wärme (z.B. warmer Löffel) oder Alkohol auftragen – bei Allergikern sofort medizinische Hilfe.
– Hotline: Kostenlose Wespen- und Hornissenberatung unter 621 969 444.