Mittwoch22. Oktober 2025

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„Apéri’tour“ BonnewegAuf ein Wort mit der Stadt: Ein Viertel zwischen Stolz und Unruhe

„Apéri’tour“ Bonneweg / Auf ein Wort mit der Stadt: Ein Viertel zwischen Stolz und Unruhe
Das Interesse ist groß – im Saal des Kulturzentrums war kaum noch ein Platz frei Foto: Carole Theisen

Beim „Apéri’tour“ in Bonneweg treffen Bürger, Politiker und Visionäre aufeinander – ein Viertel zwischen Zufriedenheit, Unsicherheit und dem Wunsch, gehört zu werden.

Der Saal im Kulturzentrum von Bonneweg ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) um 18.11 Uhr das „Apéri’tour“-Event eröffnet. Alle Mitglieder des hauptstädtischen Schöffenrats sind vertreten und auf Stellwänden zeigen die Ergebnisse der letztjährigen „Apéri’tours“, was aus den Anregungen der Bürger geworden ist.

Die Zahlen sprechen für sich: Im Norden des Viertels gingen 35 Anliegen vor Ort und 61 online ein, im Süden 77 vor Ort und 330 online. Die Zufriedenheit liege mit über 80 Prozent „insgesamt sehr hoch“, erklärt Polfer. Doch das Sicherheitsgefühl bleibe das Hauptproblem: Fast zwei Drittel der Bewohner fühlten sich abends unwohl.

Wir fördern jede Initiative, die das Leben im Viertel bereichert – aber dafür brauchen wir private Ideen

Maurice Bauer, CSV-Schöffe

Schöffe Laurent Mosar (CSV), selbst „alter Bonneweger“, betont: „Die Stadt Luxemburg hat nur begrenzte Kompetenzen im Bereich Sicherheit, arbeitet aber eng mit der Polizei zusammen.“ In der Kammer sei kürzlich das Gesetz zur Lokalpolizei beschlossen worden – sie solle „näher am Bürger“ arbeiten und präventiv präsent sein. Auch neue Videoüberwachung sei geplant, „kein Allheilmittel, aber ein wichtiges Instrument“. Der rechtliche Rahmen für Platzverweise vor Geschäften oder Hauseingängen stehe ebenfalls kurz vor der Abstimmung.

Gemeinschaft als Gegenmittel

Für Corinne Cahen steht an diesem Abend das Thema Teilhabe im Vordergrund
Für Corinne Cahen steht an diesem Abend das Thema Teilhabe im Vordergrund Foto: Carole Theisen

Für Schöffin Corinne Cahen (DP), ebenfalls Bonnewegerin, steht an diesem Abend das Thema Teilhabe im Vordergrund. Voller Begeisterung spricht sie über den neuen „Tiers-Lieu“, den ersten seiner Art in der Stadt: „Es ist ein Ort, an dem man sich trifft, organisiert, redet – ein lebendiger Raum für Nachbarschaft. Aber er funktioniert nur, wenn Sie ihn mit Leben füllen!“

Auch Schöffe Maurice Bauer (CSV) spricht über Beteiligung – diesmal in den Parks und Grünflächen. „Die Leute wollen draußen leben – mit Bänken, Grillplätzen, Fitnessgeräten.“ Die Stadt plane bis 2030 rund 30.000 neue Bäume und Tiny Forests in mehreren Vierteln. Zum Thema Geschäfte sagt Bauer: „Wir fördern jede Initiative, die das Leben im Viertel bereichert – aber dafür brauchen wir private Ideen.“

Das Ideation Lab hat dazu Ideen entwickelt: Vier Bürgerinnen und Bürger hatten sich ein Wochenende lang durch Fragen gearbeitet: Wie lässt sich der Verkehr beruhigen? Wie kann öffentlicher Raum wieder Treffpunkt werden? Heraus kam ein achtjähriger Entwicklungsplan mit drei Linien: eine verkehrsberuhigte Fußgängerzone rund um das Sozialzentrum, mehr gemeinschaftliche Aktivitäten wie Nachbarschaftsfeste und Open-Air-Konzerte sowie ein Freiluftschwimmbad. Ob diese Initiative Wurzeln schlagen wird, bleibt abzuwarten.

Verkehr zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Schöffe Patrick Goldschmidt (DP) spricht über den ständigen Zwiespalt beim Thema Mobilität: „Der eine will mehr Parkplätze, der andere weniger – beides geht nicht.“ Die Stadt plane derzeit neue Elektro-Ladestationen und überprüfe das Busnetz jährlich. Ziel sei, den Transitverkehr zu reduzieren und die Straßen zu beruhigen. Beschwerden z.B. über zu schnelle Autos und gefährliche Kreuzungen würden systematisch notiert und analysiert.

Paul Galles liegt besonders die Förderung von Kindern und Jugendlichen am Herzen
Paul Galles liegt besonders die Förderung von Kindern und Jugendlichen am Herzen Foto: Carole Theisen

Schöffin Simone Beissel (DP) widmet sich dem Sport. Bonneweg sei „einer der am besten ausgestatteten Stadtteile“, aber die Nachfrage wachse mit der Bevölkerung. „Unsere Anlagen sind zu 99 Prozent ausgelastet.“ Neue Fußballfelder seien im Bau, und langfristig plane die Stadt „eine große offene Schwimmanlage in der Nähe von Kockelscheuer“.

Schöffe Paul Galles (CSV) erklärt, Bonneweg habe „eine besondere Dichte an Schulen“. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium plane man Erweiterungen und Sanierungen. Mit sichtbarem Stolz erzählt er: „Am vergangenen Wochenende fand wieder der Future Talent Stage statt. Eines der Mädchen, das dort auftrat, wurde von The Voice of Germany entdeckt. Das zeigt, was entstehen kann, wenn wir Jugendlichen Räume geben, sich zu zeigen.“

Lärm, Müll und kleine Ärgernisse

Eine ansässige Dame spricht die zunehmende Zahl an Flugzeugen über dem Viertel an. Polfer bleibt nüchtern: „Der Flughafen ist schon lange da. Wir können als Stadt nicht eingreifen, aber wir werden mit dem Minister sprechen – vor allem wegen der gestiegenen Zahl an Nachtflügen. Das ist nicht akzeptabel.“

Wir haben 400 Leute, die jeden Tag für Sauberkeit sorgen. Aber oft fehlt bei den Menschen schlicht der Anstand, sich an Regeln zu halten.

Lydie Polfer, Bürgermeisterin

Anderes Thema: Müllsäcke, die wochenlang herumliegen. „Wir haben 400 Leute, die jeden Tag für Sauberkeit sorgen“, sagt Polfer. „Aber oft fehlt bei den Menschen schlicht der Anstand, sich an Regeln zu halten.“ Patrick Goldschmidt ergänzt: „Valorlux-Tüten gehören am Abholtag raus – und nur mit dem richtigen Inhalt. Sonst bleiben sie stehen. Wenn wir Adressen finden, gibt’s eine Verwarnung.“ Er kündigt außerdem mehr Informationskampagnen an.

Ein Mann aus Howald fragt, ob die alte, unvorteilhafte Idee einer Durchgangsstraße zwischen Bonneweg und der route de Thionville in Howald wieder auflebe. Polfer winkt ab: „Diese Idee ist vom Tisch. Es wird keine Transitverbindung geben – nur sanfte Mobilität.“ „Und ein paar Tulpen hinter dem Schwimmbad!“, bittet eine ältere Dame. Lydie Polfer lacht: „Das bekommen Sie!“

Zum Abschluss überreicht Johannes Birgmeier, Mitbegründer der „Eis Stad asbl“, Bürgermeisterin Lydie Polfer eine Broschüre zur Bürgerbeteiligung. Er kritisiert – und der Applaus im Saal deutet auf Zustimmung vieler hin –, dass die Einwohner zu wenig in die Entscheidungsprozesse der Stadt eingebunden seien. „Ich hoffe, unsere Ideen verschwinden nicht in einer Schublade.“ Polfer reagiert sichtlich gereizt: „Wir alle hier vorne sind das beste Beispiel für das Ergebnis von Bürgerbeteiligung – wir wurden gewählt. Wir hören zu und setzen um, was realisierbar ist.“