Samstag8. November 2025

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World Fetish Show ContestAuf Aufklärungsmission: Was Paul Feitler mit seinem Beitrag bewirken wollte

World Fetish Show Contest / Auf Aufklärungsmission: Was Paul Feitler mit seinem Beitrag bewirken wollte
Paul Feitler lebt seine Homosexualität seit einigen Jahren viel offener aus Foto: privat

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Nachdem der Eurovision Song Contest 2020 ausgefallen war, rief die spanische Leder-Fetisch-Community (SLFC) mit einem augenzwinkernden Beitrag im Kampf gegen die Corona-Depression eine besondere Version des Eurovision Song Contest ins Leben: ein Fetisch-bezogener Musikwettbewerb. Eine Woche vor der diesjährigen traditionellen Eurovision vertrat Tenorsänger Paul Feitler das Großherzogtum mit dem Song „Bye Bye, I love you“ von Ireen Sheer – Luxemburgs Beitrag aus dem Jahr 1974 zur Eurovision – das Großherzogtum und landete auf Platz 9 des World Fetish Show Contest 2021.

Paul Feitler gelang es mit sechs Freunden und „Jack the Bear“, einem Riesenplüschbären, in einen professionell anmutenden Videoclip das Thema Lederfetisch und Homosexualität auf eine besonders künstlerische Weise darzustellen. Im Tageblatt-Interview geht er auf seine Beweggründe und die Herangehensweise des Online-Projektes ein.

Nach einer langjährigen Laufbahn im Bereich der Bildung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen arbeitet der 48-Jährige nun in der Beratung und Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Förderbedarf. Als ausgebildeter Sänger tritt er regelmäßig in Konzerten auf, sei es im Chor oder als Solist.

Seine Homosexualität lebt Paul die letzten Jahre viel bewusster in der Öffentlichkeit aus. Die Teilnahme am World Fetish Show Contest 2021 ist nicht der erste künstlerische Beitrag zum Thema Homosexualität und offener Umgang mit LGBTIQ.

Tageblatt: Wie kam es eigentlich zur Teilnahme am Contest?

Paul Feitler: Ich erfuhr letztes Jahr, einen Tag vor Ausstrahlung des Wettbewerbs, von dieser spanischen Initiative. Die erste Auflage war ein voller Erfolg, Luxemburg war auch letztes Jahr bereits vertreten. So habe ich mich entschieden, dieses Jahr meine Kandidatur zu stellen und meine künstlerischen Fähigkeiten als Musiker und Bühnenmensch in dieses Projekt einfließen zu lassen. Fetisch und Homosexualität werden leider häufig als vulgär angesehen, und mit meinem Beitrag beabsichtige ich, genau das Gegenteil zu beweisen.

Hauptbedingung des Wettbewerbs war es, einen jener Songs des Heimatlandes auszuwählen, welche zuvor bei einem „Grand Prix Eurovision de la chanson“ beziehungsweise einem Eurovision Song Contest aufgeführt wurden. Wieso entschieden Sie sich für das Lied „Bye Bye, I love you“?

Ich habe mir erst einmal alle luxemburgischen Beiträge der Eurovision angeschaut. Drei oder vier Songs fielen in die engere Auswahl. Als Sänger war es mir ein Bedürfnis, selbst im Videoclip zu singen. Die bisher von Männern aufgeführten Eurovision-Lieder sprachen mich jedoch nicht direkt an. Da ich aber auch nicht ausschließlich Playback singen wollte, entschied ich mich für ein Duett – in diesem Fall mit Ireen Sheer.

Wie ging es dann weiter?

In einer ersten Phase analysierte ich Ireen Sheers Werk. Eine öffentlich zugängliche Partitur ist zu diesem Song nie erschienen. Also musste ich selbst eine Partitur und mein eigenes Arrangement schreiben. Ich arbeitete mehrere Wochen daran. Die Herangehensweise an ein Solowerk ist eine ganz andere als etwa eine Chorfassung. Es musste eine eigenständige Melodie sein. Doch damit war es nicht getan. Zu einem Videoclip gehören bewegte Bilder. Ich spielte verschiedene Szenarien in meinem Kopfkino durch. Anfangs sollte ich eigentlich alleine im Clip auftreten, entschied mich dann aber für jene Variante mit meinen vier Tänzern, welche eine Anspielung auf die vier Backgroundsängerinnen beim Originalauftritt im „Grand Prix de l’Eurovision“ darstellen sollen. Statt einer digitalen Studioaufnahme vor einem sogenannten Green Screen entschied ich mich für eine traditionelle Freilichtaufnahme mit einem quasi analogen Spezialeffekt. Außer der ersten Szene wurden alle anderen Szenen in der Hauptstadt gedreht, womit ich ganz bewusst unsere schöne Stadt auf der „Weltbühne“ promoten wollte.

Paul Feitler: „Mein Hauptziel war es, den Menschen innerhalb und außerhalb der homosexuellen Szene Freude mit diesem Lied zu bereiten“
Paul Feitler: „Mein Hauptziel war es, den Menschen innerhalb und außerhalb der homosexuellen Szene Freude mit diesem Lied zu bereiten“

„Wie sage ich es meinem Gegenüber?“ ist das Hauptthema Ihres eingereichten Videoclips. Wieso eigentlich das Thema Trennung und Fremdgehen in einem Fetisch-Clip verarbeiten?

Der rote Faden zur Story liefert der Originalsongtext. Als Gegenüber wählte ich meinen Plüschbären aus, von dem ich mich im hauptstädtischen Park trennte. Im Originaltext geht es ums Fremdgehen. Es ist eine Situation, mit der einer der beiden Partner nicht klarkommt und sich trennt. Somit wären wir bei einem Unterthema zum Fremdgehen, dem offenen Umgang mit der Sexualität innerhalb einer Beziehung oder eines Paares. Jack the Bear, mein Partner im Clip, denkt sich eigentlich nichts Böses dabei, ich als sein Partner komme aber mit dem heimlichen „Fremdgehen“ nicht klar. In der Gay-Szene wird die Sexualität sehr häufig offen ausgelebt mit einer eindeutigen Abmachung zwischen den Partnern. Ich glaube darin unterscheiden sich homosexuelle Menschen sehr von einem heterosexuellen Paar, wo das heimliche Fremdgehen zu Streit und Scheidungen führt. Ich vertrete im Allgemeinen die Meinung, dass eben gerade die offene Sexualität sehr viele Spannungen, Streitigkeiten und Scheidungen verhindern könnte.

Ich bekam viel Unterstützung, die Leute um mich herum waren begeistert von der filmischen und musikalischen Darstellung der beiden Hauptthemen Fetisch und Sexualität

Paul Feitler

Mein Hauptziel war es, den Menschen innerhalb und außerhalb der homosexuellen Szene Freude mit diesem Lied zu bereiten. Bewusst legte ich Wert auf eine dezente und natürliche Darstellung eines Lederfetischs, abseits von vulgären Klischees, die leider allzu oft Homosexuellen zu Unrecht zugeordnet werden.

Wie reagieren Ihre Arbeitskollegen, Freunde oder Familienmitglieder auf das Video?

Sehr gut, ich bekam viel Unterstützung, die Leute um mich herum waren begeistert von der filmischen und musikalischen Darstellung der beiden Hauptthemen Fetisch und Sexualität. Und auch von vielen Menschen aus der Gay-Szene erhielt ich Glückwünsche zu der gelungenen Darstellung.

Paul Feitler wünscht sich, dass auch andere den Mut aufbringen, um Luxemburg beim World Fetish Show Contest zu vertreten
Paul Feitler wünscht sich, dass auch andere den Mut aufbringen, um Luxemburg beim World Fetish Show Contest zu vertreten Foto: Screenshot

Im World Fetisch Show Contest 2021 belegen Sie stellvertretend Platz 9 für Luxemburg. Sind Sie mit der Platzierung zufrieden?

Im Großen und Ganzen, ja! Auf jeden Fall! Es nahmen 25 Länder teil. Wir sind somit unter den Top Ten! Wäre der Bewertungsbogen für die Punktevergabe detaillierter gewesen, hätte Luxemburg vielleicht noch besser abgeschnitten. So wurde beispielsweise der künstlerischen Arbeit – in meinem Falle das Erstellen eines musikalischen Arrangements mit Drehbuch und Sologesang – wahrscheinlich weniger Beachtung geschenkt. Andere Gruppen und Künstler hingegen, die zum Beispiel auf eine Inszenierung setzten, in der der Fetisch expliziter dargestellt wurde, erzielten mehr Punkte, obwohl es vom musikalischen Aspekt oft weniger aufwendig war. Aus meiner Sicht wurde beispielsweise der Beitrag von Polen nicht gebührend bewertet. Im Videoclip Polens wird der Fetisch als solcher quasi nicht oder nur sehr wenig dargestellt. Dazu muss man jedoch den politischen Hintergrund beachten. Aus musikalischer Sicht wurde jedoch der Tatsache des Live-Gesangs meiner Meinung nach nicht genügend Rechnung getragen. Dagegen hat Finnland, das den ersten Platz erwarb, seinen Preis wirklich verdient. Hier war alles vereint: die künstlerische schöne Gestaltung von Fetisch, Sexualität, Scham und Diskriminierung sowie die musikalische Qualität des Live-Gesangs.

Das sollte ja der Zweck sein, Menschen, die keinen Hang zu einem Fetisch haben, auf eine positive Art und Weise zu zeigen, wie schön es sein kann, wenn man seine Neigungen auslebt

Paul Feitler

Der Contest fand dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Wie lautet Ihre Schlussfolgerung?

Die Organisation ist einzigartig. In puncto Technik und „Background-Arbeit“ hat alles super funktioniert. Aus künstlerischer Sicht, abgesehen von ein paar Einzelfällen, war die Show ein Erfolg, gelang es doch vielen Gruppen, einen Fetisch abseits jeglicher Vulgarität darzustellen. Das sollte ja der Zweck sein, Menschen, die keinen Hang zu einem Fetisch haben, auf eine positive Art und Weise zu zeigen, wie schön es sein kann, wenn man seine Neigungen auslebt. Dabei geht es nicht nur um Leder, Lack, Latex, „Puppy“ oder SM, sondern vor allem um das gegenseitige Vertrauen zwischen den einzelnen Spielpartnern.

Würden Sie jetzt nach Abschluss des WFSC noch einmal den gleichen Song wählen?

Ja, absolut! Es ist von allen Eurovision-Songs aus Luxemburg das Werk, was zu diesem Moment musikalisch und aufführungsmäßig zu meiner Persönlichkeit einfach passte.

In Luxemburg leben viele Homosexuelle, die Show- und Musiktalent haben. Ich würde es begrüßen, wenn andere den Mut aufbringen und Luxemburg zur dritten Auflage vertreten würden

Paul Feitler

Hatten Sie zuvor Kontakt mit Ireen Sheer?

Nein, hatte ich nicht. Aber Ireens Feedback zu meiner Inszenierung würde mich schon brennend interessieren.

Wollen Sie nächstes Jahr noch einmal teilnehmen?

Hm, wahrscheinlich eher nicht. In Luxemburg leben viele Homosexuelle, die Show- und Musiktalent haben. Ich würde es begrüßen, wenn andere den Mut aufbringen und Luxemburg zur dritten Auflage vertreten würden.

lucilinburhuc
28. Mai 2021 - 11.01

TOP :)

Scanpi
28. Mai 2021 - 9.49

Ech hu mer lo grad de Video ugekuckt, SUPER
I love it!!!