Sonntag21. Dezember 2025

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KommentarAuch Finanzpolitik ist Abschreckung: Zur Abstimmung am Dienstag im Deutschen Bundestag

Kommentar / Auch Finanzpolitik ist Abschreckung: Zur Abstimmung am Dienstag im Deutschen Bundestag
Der CDU-Abgeordnete Michael Donth (l.) scheint anders abstimmen zu wollen als sein Parteichef Friedrich Merz – sollte die Farbe der Stimmkarte den Ausschlag geben Foto: AFP/Ralf Hirschberger

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Diese Bundestagssitzung war historisch. Die beschlossenen Grundgesetzänderungen ermöglichen eine Neuverschuldung in nie da gewesener Höhe. Dann jedenfalls, wenn am Freitag noch der Bundesrat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmt. 500 Milliarden Euro kämen allein für die Infrastruktur, dazu ungedeckelte Verteidigungsausgaben und obendrauf eine Lockerung der Schuldenbremse für die Länder. Das sind gigantische Summen, kaum noch vorstellbar.

Und doch gibt es Ausnahmesituationen, die Investitionen auf Schuldenbasis erforderlich machen. In der Lage ist Deutschland.

Russlands Präsident Wladimir Putin wird selbst bei einem Waffenstillstand in der Ukraine von seinen imperialistischen Zielen nicht abrücken. Davon muss jedenfalls ausgegangen werden. Zugleich sorgen die irrationalen Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump dafür, dass die Unsicherheiten für Europa und insbesondere für die Ukraine wachsen. Diese Entwicklung ist neu. Was nicht neu ist, sind die US-Forderungen nach deutlich höheren Verteidigungsausgaben. Viel zu lange hat Deutschland sich auf den amerikanischen Schutz verlassen.

Es ist gut, dass damit nun Schluss ist. Finanzpolitik ist auch Abschreckungspolitik gegenüber Russland und anderen Gegnern Deutschlands. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Dienstag im Bundestag zu Recht: „Bedrohungslage kommt vor Kassenlage“. Allerdings müssen noch sehr viele Strukturen verbessert werden, damit das Geld effizient eingesetzt werden kann.

Historische Chance vernünftig nutzen

Bei der Infrastruktur ist der Fall anders. Dass Deutschland bei Straßen, Brücken, Krankenhäusern und Schulen auf Verschleiß fährt, ist schon sehr lange so. Auch für diese Investitionen ist es richtig, nun so viel Geld in die Hand zu nehmen. Das hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun, marode Infrastruktur samt Investitionsstau sollten nicht vererbt werden. Allerdings darf bezweifelt werden, dass die gigantischen Summen überhaupt abfließen werden. Denn oftmals scheiterten in der Vergangenheit Investitionen nicht am Geld, sondern an Bürokratie und anderen Hemmnissen.

Trotz der historischen Neuverschuldung bleiben daher tiefe Strukturreformen notwendig. Da dürfen sich Union und SPD künftig keinen schlanken Fuß machen. Und das wird nicht ohne Zumutungen für die Menschen im Land gehen, ein kommunikativer Drahtseilakt angesichts der nun beschlossenen Finanzmittel. Wenn Einschnitte und Mehrbelastungen fair verteilt und immer wieder gut erklärt werden, kann es trotzdem Rückhalt aus der Bevölkerung dafür geben. Mit den historischen Beschlüssen gehen historische Chancen einher. Bleibt zu hoffen, dass Union und SPD diese vernünftig nutzen werden.