Dienstag28. Oktober 2025

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TerroranschlägeAtomkraftwerke wie Cattenom sind besonders anfällig. Wie geht Luxemburg damit um?

Terroranschläge / Atomkraftwerke wie Cattenom sind besonders anfällig. Wie geht Luxemburg damit um?
Im Süden Luxemburgs an vielen Orten zu sehen: das Atomkraftwerk Cattenom in Frankreich Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Vor der eigenen Haustür schlummert die Gefahr: In einem Notfall im Atomkraftwerk Cattenom – wie einer Terrorattacke – wäre Luxemburg direkt betroffen. Die Handlungsmöglichkeiten der Regierung sind allerdings stark eingeschränkt.

Luxemburg hat nur wenige Kilometer von seiner Grenze entfernt ein Atomkraftwerk aus den 1980er-Jahren stehen. Immer wieder gibt es Sicherheitsbedenken wegen des Meilers in Cattenom. Nicht ohne Grund: Störungen und meldepflichtige Ereignisse sind keine Seltenheit. Frankreich denkt nicht daran, das AKW aufzugeben – im Gegenteil. Die Laufzeit der vier bestehenden Reaktoren wurde 2021 jeweils um mindestens zehn Jahre verlängert. Der Betreiber „Electricité de France“ (EDF) denkt zudem laut über einen neuen Reaktor nach. Immerhin sind die mit dem Betrieb von Kernreaktoren verbundenen Risiken umfassend dokumentiert. Bei Terroranschlägen sieht das allerdings anders aus. Wie reagiert Luxemburg darauf?

Die Grünen-Abgeordnete Joëlle Welfring will genau das in einer parlamentarischen Frage von der Regierung wissen. Denn die „Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien hat sich zudem mit der Zunahme des Flugverkehrs und der rasanten Entwicklung der Waffentechnologien erhöht“, schreibt die Politikerin. Premierminister Luc Frieden (CSV) kann zwar nichts zu den Bewertungen des Risikos ausländischer Behörden sagen, weist aber darauf hin, dass Luxemburg in der Vergangenheit bereits aktiv vorgegangen ist: „Luxemburg hat die französische Sicherheitsbehörde ASNR auf die potenzielle Anfälligkeit der Lagerbecken für abgebrannte Brennelemente gegenüber einem versehentlichen oder vorsätzlichen Flugzeugabsturz aufmerksam gemacht.“

Eine Studie von EDF habe immerhin gezeigt, dass im Fall eines Flugzeugabsturzes das Risiko einer inakzeptablen Freisetzung radioaktiver Stoffe sehr gering sei, sagt der Premier. Die technischen Details seien allerdings nicht offengelegt worden. Frankreich hat zudem jüngst die 1.300-MW-Reaktoren überprüft und entschieden, dass auch diese über die ursprünglich genehmigten 40 Jahre hinaus betrieben werden dürfen. Die ASNR hat allerdings neue Schutzmaßnahmen vorgeschrieben – insbesondere wegen des Risikos einer Terrorattacke mit einem Flugzeug. Die Wasserzufuhr- und Kühlsysteme müssen verstärkt werden, das Sieden verhindert und das Management nach einem Ausfall verbessert werden.

Stand der Kraftwerke in Frankreich

In den vergangenen 50 Jahren hat es in Frankreich mehrere Generationen von Kernreaktoren gegeben. Die 56, die derzeit laufen, sind Druckwasserreaktoren. Das Kühlsystem wird mit unter Druck stehendem Wasser betrieben. Mittlerweile gibt es eine neue Baureihe: der EPR. Man bleibt zwar beim gleichen System, doch es soll leistungsfähiger sein.
Der erste EPR weltweit ging im Juni 2018 in China ans Netz. Der zweite nahm im April 2023 in Finnland seinen Betrieb auf. Frankreichs erster EPR-Reaktor wurde in Flamanville gebaut. Der Baubeginn war am 3. Dezember 2007. Erst im Sommer 2024 wurde er kritisch. Die EDF werkelte wegen etlicher unvorhergesehener Probleme 17 Jahre am Reaktor. Aktuell befindet er sich immer noch in der Testphase.
Reaktoren der dritten Generation wie der in Flamanville integrieren das Lagerbecken für abgebrannte Brennelemente in das Reaktorgebäude. Das soll zusätzliche Sicherheit bieten.
Frankreich hat neben Flamanville 14 weitere neue Reaktoren angekündigt, die alle vom Modell EPR2 sein sollen. Der EPR2 soll die Schwierigkeiten beim Bau berücksichtigt haben und EDF versichert, dass es besser laufen wird. (fey, dr)

Falls es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen doch zu einem nuklearen Notfall kommen sollte, orientieren sich die Behörden am „Herca-Wenra-Ansatz“. Herca ist ein freiwilliger Zusammenschluss der Strahlenschutzbehörden in Europa. Gemeinsam sollen so Lösungen für Probleme gefunden und Informationen ausgetauscht werden. Die Methode besteht darin, eine koordinierte Reaktion auf die Krise zu organisieren, unabhängig vom auslösenden Ereignis. Die Empfehlungen wurden in die Notfallpläne mehrerer europäischer Länder, darunter Luxemburg, aufgenommen, schreibt der Premierminister. Er liefert gleich ein konkretes Beispiel mit: Der Verteilungsbereich für Jodtabletten in Frankreich wurde etwa von 10 auf 20 Kilometer um Kernkraftwerke ausgeweitet.

Ansonsten sind dem Großherzogtum eher die Hände gebunden. Die Luxemburger Armee darf etwa nicht bei einem Notfall im Nachbarland eingreifen. Dafür habe sie weder das Mandat noch die direkte Zuständigkeit. „Die Verteidigung des belgischen oder französischen Hoheitsgebiets und seiner kritischen Infrastrukturen fällt ausschließlich in die souveräne Zuständigkeit Belgiens und Frankreichs“, sagt Frieden. 

Bleibt das Hochkommissariat für nationale Sicherheit (HCPN). Seine Aufgabe besteht darin, Krisen vorzubeugen und das Land und seine Bevölkerung vor den Auswirkungen einer Krise zu schützen. Somit ist das HCPN auch für atomare Risiken zuständig – etwa den Unfall in einem Kernkraftwerk an der Luxemburger Grenze. Hier tut sich was, sagt der Premierminister. „Der Notfallplan für den Fall eines nuklearen Unfalls wird derzeit überarbeitet, um die Vorbereitungs- und Reaktionsmaßnahmen kontinuierlich zu verbessern.“