„Gebuertshaus“Luxemburger Vereinigung will Frauen selbstbestimmtere Geburten ermöglichen

„Gebuertshaus“ / Luxemburger Vereinigung will Frauen selbstbestimmtere Geburten ermöglichen
Laure Baumann führt als Hebamme auch Hausgeburten durch Foto: Editpress/Alain Rischard

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Viele Frauen wünschen sich, die Geburt ihres Kindes selbstbestimmt erleben zu können. Die ASBL „Gebuertshaus Lëtzebuerg“ möchte dieses Anliegen mit einem Luxemburger Geburtshaus in die Tat umsetzen. 

„Frauen sollen die Wahl haben“, sagt Laure Baumann, Hebamme und Mitbegründerin der Asbl. „Gebuertshaus Lëtzebuerg“. Damit ist gemeint, dass Frauen den Ablauf der Geburt selbst bestimmen können. Aus diesem Grund haben fünf Frauen im April die Vereinigung gegründet. Im neuen Geburtshaus könnten Frauen ihre Babys auf natürliche Art und Weise auf die Welt bringen.

In den Nachbarländern Luxemburgs funktionieren bereits seit längerem solche Geburtshäuser – und stehen auch den Luxemburgern offen. Bereits heute fahren viele werdende Eltern ins Ausland, um ihren Wunsch nach einer natürlichen Geburt erfüllen zu können, erzählt die dreifache Mutter weiter. „Sie fahren nach Merzig oder bis nach Namur.“ Laure Baumann fragt sich, ob dies sinnvoll ist. „Oft fällt die Wahl auf ein Geburtshaus, wenn die erste Geburt aus der Sicht der Frau nicht optimal verlaufen ist.“ Gewalt in der Geburtshilfe ist ein aktuelles Thema. Da jedoch jede Frau dies anders empfindet, ist sie nur schwer messbar. Durch das Schaffen einer Anlaufstelle könnten zumindest die Erlebnisse der Frauen aufgezeichnet werden – und später dann darüber eine Studie durchgeführt werden.

Weitere Zuständigkeiten für Hebammen

Seit Februar gelten für Hebammen neue Tarife bei der Kostenübernahme der CNS. Hinzugekommen ist eine „prise en charge“ für die außerklinische Geburtshilfe. Vorher mussten die Frauen, die sich eine Hausgeburt wünschten, alles selbst bezahlen. Durch die neuen Zuständigkeiten können sie eine Schwangerschaft nahezu komplett begleiten, so die Hebamme weiter.

Heutzutage entscheiden sich wieder mehr Frauen für eine außerklinische Geburt
Heutzutage entscheiden sich wieder mehr Frauen für eine außerklinische Geburt Foto: Editpress/Alain Rischard

In Luxemburg führen zurzeit insgesamt drei Hebammen Hausgeburten durch. Laure Baumann ist eine von ihnen. Seit der Anpassung der Tarife ist die Nachfrage nach einer Entbindung im eigenen Heim gestiegen. 2021 wurden insgesamt 13 Hausgeburten durchgeführt. In diesem Jahr waren es seit Februar bereits 16. „Es bringt viel Verantwortung mit sich“, sagt Laure Baumann. Doch die Eins-zu-eins-Betreuung optimisiert den Geburtsvorgang. Die Dauer der Entbindung verkürzt sich, wenn sich eine Frau wohl fühlt und die Hebamme schon vorher kennengelernt hat. In der „Maternité“ müssten sich die Frauen immer wieder auf andere Personen einstellen. Doch Frauen könnten auch im Krankenhaus – dank der gut ausgebildeten Hebammen – eine schöne, normale Geburt erleben.

Sicherheit hat Priorität

Die Sicherheit für die Schwangeren und ihr Kind zu gewährleisten, hat für die Asbl. absolute Priorität. Der erste Schritt dazu sei, nur komplikationslose Schwangerschaften zu übernehmen, mit Aussicht auf eine normale Entbindung, erklärt Laure Baumann. Ein Ausschlusskriterium ist auch, wenn der Partner oder die Partnerin nicht voll hinter der Entscheidung steht, in ein Geburtshaus zu gehen. Es ist hingegen nicht das Ziel, dass zukünftig alle Geburten in dem Haus stattfinden. Das sei auch gar nicht machbar, so Baumann.

Weiter ist geplant, dass stets zwei Hebammen bei einer Geburt anwesend sind. Eine zweite Meinung zu haben, sei immer gut, findet die Hebamme. Für den Transport in ein Krankenhaus – falls es nötig wird – würde die Asbl. gerne mit den zuständigen Stellen zusammenarbeiten. Um die Dauer des Transports möglichst kurz zu halten, ist der Plan, sich im Raum Luxemburg-Stadt niederzulassen.

Laure Baumann ist es wichtig, dass in Sachen Fortbildung dazugewonnen wird. „In Luxemburg besteht eine Pflicht, regelmäßig an Fortbildungen teilzunehmen. Doch dies muss niemand nachweisen.“ Deswegen soll sich für das Geburtshaus jede(r) auf demselben Niveau befinden, etwa beim Thema Reanimation von
Frau und Kind.

Ob ein Luxemburger Geburtshaus zur Realität wird, hängt schlussendlich auch von der Finanzierung ab. So kämen etwa die Anmietung eines Hauses, Betriebskosten wie auch Materialkosten auf die Asbl. zu. Die Frauen werden nicht nur bei der Geburt betreut, sondern bereits in der Schwangerschaft oder sogar schon früher, bei der Familienplanung. Nach der Entbindung bleibt die Neumutter zwei bis vier Stunden vor Ort. Erstmal sei es nicht vorgesehen, Übernachtungen anzubieten. Die Nachsorge im Wochenbett soll ebenfalls angeboten werden.

„Avis“ der Santé steht noch aus

Einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung hat die Asbl. noch nicht. Sie steht jedoch in Kontakt mit ausländischen Geburtshäusern. Die bereits bestehenden Konzepte müssten dann an Luxemburger Verhältnisse angepasst werden. Doch vorher warten sie auf die definitive Stellungnahme des Gesundheitsministeriums. Ein erstes Treffen hat bereits stattgefunden.

Auf Nachfrage des Tageblatt hieß es von der „Santé“, dass die Gesundheitsministerin eine konstruktive Diskussion mit der Asbl. hatte. Jetzt wird weiter an dem Thema gearbeitet und dazu das Gespräch mit anderen Akteuren gesucht, wie etwa den Krankenhäusern und Gynäkologen. Zum Thema Geburtshaus wurde also noch keine definitive Entscheidung getroffen.

Mit der SLGO („Société luxembourgeoise de gynécologie et d’obstétrique“) hat die Asbl. „Gebuertshaus Lëtzebuerg“ ebenfalls Kontakt aufgenommen, aber bisher noch keine offizielle Stellungnahme erhalten. Die SLGO selbst steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber, wie sie dem Tageblatt gegenüber erklärt. „Wir wissen noch nicht, unter welchem Modell das Geburtshaus laufen soll. Der Teufel steckt jedoch ganz klar im Detail“, erklärt Gynäkologe Marc Peiffer. Für die SLGO ist vor allem das Sicherheitsrisiko zu hoch. Die Dauer des Transports von einem Geburtshaus bis ins Krankenhaus ist für Marc Peiffer ausschlaggebend. Bei einem Notfall könnten 15-20 Minuten bereits zu lang sein. „Und wenn es nur bei einem Prozent der Frauen zu Komplikationen kommt und es läuft etwas schief: Ist die Zahl dann nicht trotzdem zu hoch?“, fragt der Arzt. 

Auch bei einer unauffälligen Schwangerschaft bleibe stets ein Restrisiko bestehen, dass bei der Entbindung etwas nicht so läuft, wie es soll. Überdies sei es auch möglich, in einer „Maternité“ eine physiologische Geburt zu erleben. Um auch dort, im Krankenhaus, eine Eins-zu- eins-Betreuung garantieren zu können, werde aber zusätzliches Personal benötigt. Falls nun ein Geburtshaus eröffnet werde, müssten Bedingungen geschaffen werden, damit die Entbindungen so sicher wie möglich ablaufen könnten. So müssten die Frauen vorher trotzdem in einem Krankenhaus vorstellig werden, damit bereits alle nötigen Informationen festgehalten werden könnten, erklärt der Gynäkologe.