Wie die FAZ dieser Tage bestätigte, hat die „Réunion des Musées Nationaux-Grand Palais“, die Gesellschaft, die für die Verwaltung des legendären Grand Palais und sein temporäres Ersatzgebäude Grand Palais Ephémère auf dem Champ-de-Mars verantwortlich ist, nun den Grand Palais als Veranstaltungsort ausgeschrieben und an den „meistbietenden“ und/oder „besten“ Kandidaten vergeben. Die ohne Vorwarnung Ende 2021 lancierte Prozedur hatte für große Aufregung gesorgt, da zahlreiche Akteure aus dieser Szene zu den beiden mit französischem Flair im Grand Palais organisierten Messen FIAC und Paris Photo von der englisch-niederländischen Gruppe RX France tendierten und sich gegen unliebsame Konkurrenz von außen wehrten.
Die verantwortlichen Statthalter des Grand Palais sahen das jedoch anders und wollten frischen Wind in die Messeszene an der Seine bringen. Und so kam es. Nicht mehr die traditionelle FIAC (Foire internationale d’art contemporain) soll im Oktober hier abgehalten werden, sondern es wird dort ein neuer Ableger der Schweizer MCH Group, die auch die ART Basel organisiert, mit einem Angebot zeitgenössischer Kunst präsent sein. Kleine Trostpille: Paris Photo darf seinerseits weiterhin diesen prächtigen Palast bespielen.
Segen oder Fluch für Paris?
In Erwartung der Wiederöffnung des Grand Palais an den Champs-Elysées (dieser wird derzeit für 466 Millionen Euro renoviert) muss diese neue ART-Messe in besagter Übergangsstruktur stattfinden. Dies ist ein harter Schlag für den Mikrokosmos der französischen Kunstwelt, wenngleich die Niederlassung der erfolgreichen ART Basel, die als die größte Kunstmesse der Welt gilt, für die Stadt an der Seine sicherlich ein Zukunftstrumpf ist. ART Basel bürgt für Qualität, hat sich in den letzten Jahren erfolgreich nach Hongkong und Miami Beach ausgedehnt und scheint demgemäß weltweit bestens vernetzt zu sein. War Paris jüngst Schauplatz für eine spektakuläre Verpackungsinstallation als Hommage an das Künstlerpaar Christo, so konnte Kunstmarktexperten zufolge die Lichterstadt gleichfalls von einigen London-Abwanderungen im Brexit-Gefolge profitieren.
Dem Auktionsgeschäft hat die Pandemie nach einem verlorenen Jahr 2020 nun im vergangenen Jahr kaum noch geschadet, wie aus der Jahresbilanz von Sotheby’s France hervorgeht. Auch Christie’s hat bereits in Paris investiert, stellt sich auf ein besseres Geschäft in Paris, vor allem größeren Onlinehandel, ein. Der Kunstmarkt blüht, wenn auch unter anderen Vorzeichen als noch vor einigen Jahren. Die Globalisierung, die Digitalisierung und die schnelleren Kommunikationstechnologien geben den Takt auch im Kunstmarkt an, Sammler und Händler tun das Ihrige dazu, auf der Strecke bleiben wohl all jene Künstler, Galerien und Museen, die sich in Sachen Kunst noch auf den künstlerischen Wert eines Werkes oder des gesamten Oeuvres eines Künstlers konzentrieren, nicht aber den spekulativen, manchmal kurzlebigen hohen Preis der Kunstwerke oder den oft fälschlich herbeigesehnten Hype rund um einen Modekünstler im Fokus haben.
Toppreise am Auktionsmarkt
Dies gesagt, seien noch einige Zahlen, wie sie die FAZ nennt, erwähnt. Sotheby’s Paris setzte 424 Millionen Euro (+145%) um. Bei Christie’s waren es 420,8 Millionen (+83%), und bei Artcurial, dem größten rein französischen Auktionshaus, immerhin noch 169 Millionen Euro (+13%). Wie so oft hat das Auktionsgeschäft auch 2021 einige ungewöhnliche Blüten getrieben, so wurden etwa 2,6 Millionen Euro für ein nicht genutztes Cover von „Der blaue Lotos“ (ein Comic von Tim und Struppi) geboten, das Vincent-van-Gogh-Gemälde „Scène de rue à Montmartre“ wechselte für 11,25 Millionen Euro den Besitzer, um nur diese Beispiele zu nennen. Viel gehandelt wurden letztes Jahr außerdem Sammlungen afrikanischer oder ozeanischer Kunst und ganze Kollektionen namhafter Kunstmäzene, die Kunstamateure angezogen haben.
London scheint als Kunstumschlagplatz gelitten zu haben, New York bleibt natürlich Topadresse, Beobachter des internationalen Kunstmarktes schlussfolgern aus den rezenten Entwicklungen, dass Paris, das einst die internationale Kunstszene mit namhaften Künstlern und richtungsweisenden Bewegungen stark beeinflusste, jetzt langsam, aber sicher zur „wichtigsten europäischen Kunstmarktstadt“ werden könnte. Kurzum, mit bedeutenden Museen und Stiftungen privater und öffentlicher Prägung sowie Niederlassungen bedeutender Auktionshäuser und nun noch einer neuen Messe für zeitgenössische Kunst entpuppt sich Paris immer mehr als die „europäische Kunstmetropole“ schlechthin. Warten wir ab, mit welchen Kunst-Magneten die neue ART im Oktober internationale Kunstfreunde nach Paris anzuziehen in der Lage sein wird.
De Maart
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