Dienstag28. Oktober 2025

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GroßbritannienAntrittsbesuch in schwierigen Zeiten: Deutschlands Kanzler Scholz in London

Großbritannien / Antrittsbesuch in schwierigen Zeiten: Deutschlands Kanzler Scholz in London
Hand oder Faust: Die Begrüßung zwischen Olaf Scholz und Boris Johnson verlief etwas konfus Foto: Michael Kappeler/dpa

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Die Krisendiplomatie hat Kanzler Scholz nach London geführt. Der britische Premier Boris Johnson und der deutsche Regierungschef teilen das Ziel weiterer Hilfen für die Ukraine.

Die Begrüßung vor Downing Street 10 lief noch etwas ruppig ab. Bundeskanzler Olaf Scholz setzt zur Corona-Faust an, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson streckt dem Bundeskanzler die Hand entgegen. Der deutsche Regierungschef entscheidet sich dann spontan auch für den Handschlag. Es ist schließlich sein Antrittsbesuch in Großbritannien.

Grundverschiedener als die beiden können Staatsmänner kaum sein – der burschikos auftretende Boris Johnson, sich häufig in der Nähe des Populismus bewegend, daneben der eher verschlossene deutsche Bundeskanzler. Zwar ist für Johnson die „Partygate“-Affäre um Feiern im Corona-Lockdown wegen des Krieges in der Ukraine in den Hintergrund gerückt, doch Johnson lässt selten eine Gelegenheit für eine kleine Show aus. So auch am Freitag. Die Frage nach den Unstimmigkeiten zwischen der EU und Großbritannien über die Folgen des Brexit schiebt er mit einer witzigen Bemerkung beiseite. Doch er bemüht sich am Freitag sichtlich, seinem deutschen Gast den roten Teppich auszurollen.

Scholz ist dagegen, wie seine Vorgängerin Angela Merkel, für nüchterne Auftritte bekannt. Der 63 Jahre alte SPD-Politiker spricht häufig leise – erst am Abend vor dem Besuch konnte man sich bei der Pressekonferenz nach den langen Beratungen der Ministerpräsidenten mit dem Kanzler davon überzeugen. Scholz war zeitweise kaum zu verstehen.

Doch die beiden Regierungschefs bieten am Freitag ein harmonisches Bild, sie kennen sich bereits von diversen Begegnungen auf internationalem Parkett. „Unsere Länder sind noch enger zusammengerückt seit dem Einmarsch Putins in die Ukraine“, sagt Johnson. Putin habe den Westen zusammengeschweißt.

Zögerliche Haltung bei Waffenlieferungen

„Es ist ein grausamer Krieg mit schlimmen Zerstörungen. Die Tötungen von Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Dafür trägt Putin die Verantwortung. Da sind wir uns einig“, sagt Scholz auch mit Blick auf den Raketenbeschuss des Flüchtlingsbahnhofs in Kramatorsk am Freitag mit vielen Opfern. Johnson nickt. In der Bewertung ist man sich einig. Scholz dankt Johnson: Die Sanktionen seien „hochwirksam“. Es gehe auch darum, die Machtclique Putins zu treffen. Er sei sehr dankbar, dass man in London die russischen Oligarchen mit Sanktionen belegt habe.

Doch Scholz verfolgen die Debatten über die zögerliche Haltung Deutschlands bei Sanktionen und Waffenlieferungen. Scholz gibt sich öffentlich zurückhaltend, wenn es um Details deutscher Waffenlieferungen geht – trotz des anhaltenden Drucks aus der Ukraine, auch schwere Waffen wie Kampfpanzer zu liefern. In London bleibt er bei dieser Linie.

Großbritannien wiederum verhängte wegen des Einmarschs in die Ukraine genau wie die EU-Staaten harte Sanktionen gegen Russland. Unter anderem kündigte die britische Regierung einen Importstopp für russische Kohle sowie russisches Öl ab dem kommenden Jahr an. Die deutsche Seite betont, dass Großbritannien und Deutschland in der G7-Gruppe der führenden westlichen Industriestaaten und in der NATO eng zusammenarbeiten. Man ziehe an einem Strang.

„Wir machen alles, was wir können“

Scholz wird nach den Waffen gefragt, die sich die Ukraine wünscht. Er bleibt unbestimmt. „Es ist so, dass wir uns bemühen, die Waffen zu liefern, die hilfreich sind und gut eingesetzt werden können. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht, das werden wir auch weiter tun.“ Das seien vor allem Panzerabwehr- und Luftabwehrwaffen und Munition gewesen. Die Erfolge, die die ukrainische Armee erzielt habe, zeigten bisher, „dass das besonders effektvolle Waffen sind, die wir geliefert haben“, so Scholz. Er sei sich aber mit Johnson einig, dass man immer schauen müsse, „was kann wirksam eingesetzt werden. Die Fragen lassen sich nur sehr fachlich beantworten“.

Scholz wird von britischen Journalisten gefragt, ob er sich schäme, wenn er dem Kiewer Bürgermeister Klitschko zuhöre. Scholz antwortet betont nüchtern, weist das zurück und verweist auf den Erfolg der bereits erfolgten Sanktionen. Auch sei Deutschland längst dabei, sich von der russischen Kohle zu verabschieden. „Wir machen alles, was wir können“, sagt Scholz. Man hoffe, im Laufe des Jahres unabhängig vom russischen Öl zu werden.

Johnson fügt hinzu, Putin habe den Konflikt eskaliert, nicht der Westen. Moralisch sei die Lieferung auch von weiteren, defensiven Waffen gerechtfertigt. Die Grenze sei, dass es keine Konfrontation zwischen NATO und Russland gibt. Das ist auch für Großbritannien die rote Linie. „Wir helfen den Ukrainern, sich selbst zu schützen“ – das ist das Credo beider Seiten an diesem Tag.