24. Dezember 2025 - 8.23 Uhr
DeutschlandAngela Merkel mischt wieder mit
Der Gast lächelt kurz: Also einmischen würde sie sich ja nur noch an „staatspolitisch wichtiger Stelle“. Und ja, die Warnung davor, sich mit der AfD Mehrheiten zu suchen, die es sonst nicht geben würde, sei so etwas gewesen. Da habe sie nicht schweigen können.
Angela Merkel ist bestens aufgelegt. Bei einer Veranstaltung des Stern in Berlins Mitte kann man die Altkanzlerin kurz vor Weihnachten wieder einmal live erleben. Es ist das Jahr eines bemerkenswerten Merkel-Comebacks – als Buchautorin, als gefragter Gesprächsgast, als Preisträgerin. Die 71-Jahre alte ehemalige CDU-Regierungschefin hat sich von dem selbst auferlegten Schweigegelübde nach ihren 16 Jahren als Kanzlerin verabschiedet, öffentlich und nicht-öffentlich. Sie tritt auf und trifft hinter den Kulissen in Berlin viele Gesprächspartner, ihre Expertise ist gefragt.
Die öffentliche Äußerung, die für die größte Aufregung sorgt, kommt gleich zu Beginn des Jahres. Merkel kritisiert im Januar während des Bundestagswahlkampfes, dass die CDU/CSU-Fraktion mit dem damaligen Fraktionschef und heutigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) einen Migrationsbeschluss im Bundestag mit den Stimmen der AfD durchgesetzt hatte. Parteien, die die EU nicht richtig finden, ein völlig anderes Verhältnis zu Russland haben und die liberale Demokratie nicht verteidigen – „mit diesen Parteien – das ergibt sich dann von selbst – kann ich nicht zusammenarbeiten“, betont Merkel später im Jahr. Union und SPD hätten so viel einzubringen, um Menschen zu überzeugen. „Mehrheiten zu suchen mit der AfD, das verbietet sich allein aus der eigenen Definition“, sagt die ehemalige Regierungschefin, die vor rund 20 Jahren erstmals zur Bundeskanzlerin gewählt wurde.
Diese Bemerkungen sind ihr persönlich wichtig, bei ihrem Dauer-Kontrahenten Merz kommen sie nicht gut an. Überhaupt, die beiden werden keine Freunde mehr, das ist so. Sie spricht öffentlich nicht über ihn, will Fragen nach seinen Kanzler-Fähigkeiten auch in vertraulicheren Runden nicht beantworten. Außenpolitisch mache er einen guten Job, das immerhin ist zu hören. Sonst schweigt sie.
Freude daran, dass ihr Rat gefragt ist
Selbstkritische Töne sind bei Merkel derzeit eher selten. Beim Klimaschutz, da habe sie zu wenig Herzblut reingelegt. Aber innenpolitische Reformen habe es in ihrer Zeit durchaus gegeben: Die Rente mit 67 etwa, auch habe sie einen Wahlkampf mit Steuererhöhungen geführt und gewonnen, zahlreiche Krisen bewältigt. Und die Absichten von Russlands Präsident Wladimir Putin rechtzeitig erkannt. Warum dann die Abhängigkeit von russischem Gas? Manches bleibt unbeantwortet.
Aber man erlebt eine sehr fitte ehemalige Politikerin, die erkennbar Freude daran hat, dass ihr Rat weiter gefragt ist und sie öffentlich mehr Beinfreiheit hat. Und sie ist stolz, dass die Lesungen ihres Buches „Freiheit. Erinnerungen 1954–2021“ ausverkauft sind. An der Ludwig-Maximilian-Universität in München etwa, ihrer ersten Lesung an einer Universität, standen die Studierenden Schlange.
Ich bin kein unglücklicherer Mensch, weil ich keine eigenen Kinder habe
Und sie hat auch ihren eigenen Blick auf die derzeitige Politik. „Wenn man so manche Koalitionsausschuss-Bilder sieht, dann freut man sich, dass es Bärbel Bas gibt“, sagt sie mit Blick auf die Bundesarbeitsministerin und Parteichefin der SPD. Diese hatte zuletzt immer wieder als einzige Frau am Koalitionsausschuss teilgenommen. „Es heißt oft, es gibt keine Frauen. Doch dann macht man es verbindlich und dann finden sich auf einmal doch jede Menge Frauen, die das prima machen.“ Sie selbst sei „Feministin, aber auf meine Art“. Das habe sie auch so in ihrem Buch geschrieben.
Die Raute macht sie nicht mehr
Persönlich interessiere sie sich, je älter sie werde, immer mehr für Geschichte, erzählt Merkel aus ihrem Privatleben. Sie mache auch gern Reisen, etwa nach Florenz oder die von einem Vulkanausbruch zerstörte Stadt Pompeji bei Neapel. Fehlen ihr im Alter Kinder und Enkel? „Ich bin kein unglücklicherer Mensch, weil ich keine eigenen Kinder habe.“
Sie vermisse das Gestalten aktueller Politik nicht, sagt sie auch in kleineren Runden. Man nimmt es ihr ab. Doch ein politisches Wesen bleibe sie eben. Und die Öffentlichkeit? „Die einen sagen, wofür hat die ein Büro, die macht eh nix. Andere sagen, die ist dauernd in der Presse.“ Merkel weiß, dass sie polarisiert. Und geht damit auf ihre Art um, selbstironisch und gefestigt, wie jemand, der nicht mehr überzeugen muss. Dass vieles, was sie sagt, als Angriff auf die politischen Akteure verstanden werden kann, weiß sie. Aber das könne sie eben auch nicht ändern, sie jedenfalls sei „fröhlich und frei“.
Und was macht die Raute? „Ich mache sie eigentlich nicht mehr“, sagt sie. Es passe nicht mehr so richtig. Und fügt dann doch noch etwas hinzu: Sie erlebe immer mehr, dass Leute neben ihr die „Raute“ machten. „Da muss ich immer scharf gucken“, sagt Merkel und lächelt: „Das ist dann sozusagen plagiatsverdächtig.“ So ganz will sie ihr Markenzeichen nicht abgeben. Und ihren Platz in den Geschichtsbüchern auch nicht
De Maart
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