Sonntag26. Oktober 2025

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Andy Schleck: „Ich wäre nicht so Rennen gefahren“

Andy Schleck: „Ich wäre nicht so Rennen gefahren“

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Es waren der unglücklichen Umstände gestern eigentlich ein bisschen zu viele für einen Einzelnen.

Aus Bagnères-de-Luchon berichten „T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsportexperte Petz Lahure (P.L.)

Andy Schleck hat das „Maillot jaune“ verloren. Das kann passieren. Aber er hatte es nicht verloren, weil ein anderer stärker war, sondern weil er eben Pech hatte, dass seine Kette am Rad zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt absprang und sein ärgster Rivale Alberto Contador davon profitierte, um wieder an die Spitze der Gesamtwertung zu fahren.

Ein „fait de course“, wenn man es nüchtern betrachten will, aber es gab in der Vergangenheit Fahrer, die schon für weniger ihr Rad durch die Gegend geschmissen haben, und Andy Schlecks Gesicht verriet unmittelbar nach der Zieldurchfahrt hinter dem Podium eine unbändige Wut. Gleich, so der Anschein, würde es aus ihm herausbrechen. Doch nichts. Andy Schleck schluckte seine Wut runter. Vorerst: „Das Wichtigste ist jetzt, ruhig zu bleiben, auch wenn ich wütend bin. Ich kann es nicht ändern. Glücklich bin ich nicht, aber es ist so.“ Er hatte die letzten Kilometer seinem Gelben Trikot zugesehen, wie es ihm langsam davonflog. Ob er es in diesem Jahr wiedersehen wird, ist nicht sicher, doch aufgegeben hat er sich nicht. Im Gegenteil. Das Schicksal kann machen, was es will, aber Andy Schlecks Ziel bleibt das gleiche: „Diese Tour ist noch nicht vorbei“, war einer der Sätze, die er gestern in vielen Sprachen wiederholte.

Zum Rennen an sich gab es davon wenig. Natürlich sei es gut für sein Selbstvertrauen, dass er gesehen hat, dass er Contador im Berg hinter sich lassen kann. Aber dann kam die Sache mit der Kette. Und dann kam Contador. Vorbei an Schleck, der gerade an seinem Rad werkelte. Ohne sich umzudrehen oder zu warten. Ist das fair? Gehört es einfach zum Renngeschehen? Und unausgesprochen die Frage, ob es nicht vielleicht doch ein bisschen link war vom Spanier? „Es ist nicht an mir zu sagen, was fair ist und was nicht“, so Andy Schleck, „Alberto war unter denen, die in Spa auf mich gewartet haben, heute war es eine andere Geschichte. Ich wäre nicht so Rennen gefahren. Aber ich will das nicht weiter kommentieren. Jeder, der das Rennen gesehen hat, kann sich selber seine Meinung bilden.“ Und wenn viele Menschen sich zum gleichen Zeitpunkt eine Meinung bilden sollen, führt das nicht selten zu einer Polemik. Die Pressekonferenz des „Maillot jaune“ kreiste vor allem um diese Frage (siehe an anderer Stelle).

Andy Schleck war gestern bemüht, sich nicht daran zu beteiligen. Die Opferrolle liegt ihm nicht und außerdem ist er nicht dafür zur Tour de France gekommen. Er ist da, um zu gewinnen. Sein erster Gedanke nach dem Zwischenfall im Port de Balès: „So schnell es geht die Kette auflegen und weiter.“ In der Abfahrt sei er viel Risiko gegangen, verriet er später. Aber die Sekunden liefen. Und sie liefen gegen ihn. „Was soll ich sagen? Es war eben Pech.“

Aber vor ein paar Tagen hat er auch etwas anderes gesagt. Ein Spruch, achtlos dahingeworfen mit einem Lächeln, der gestern irgendwie ein bisschen von seiner Belanglosigkeit verloren hat: „Was dich nicht umbringt, macht dich härter.“ Und Contador hat Andy Schleck gestern noch nicht endgültig geschlagen. „In mir ist viel Wut und der Wille zu zeigen, dass ich noch da bin. Diese Tour ist nicht vorbei und ich kämpfe bis Paris“, kündigte Schleck an.

Er hat jetzt eine große Rechnung offen mit Alberto Contador. Und er ist entschlossen, sie zu begleichen: „Ich werde meine Revanche nehmen.“ Wann, das sagte er nicht, aber Chancen gibt es nicht mehr viele. An seiner Entschlossenheit dürfte allerdings keiner zweifeln. Auch nicht Contador. Wie gesagt, die Tour ist noch nicht vorbei.

khe 

5 FRAGEN AN Andy Schleck

Tageblatt: Andy, was ist genau passiert bei deinem Kettenabsprung?
Andy Schleck: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Kette runtergesprungen ist. Einfach so, ohne dass ich gerade geschaltet hätte.“

„T“: Und dann siehst du Contador vorbeifahren. Was ging da in dir vor?
A.S.: „Das tut weh. Ich habe jetzt eben andere Möglichkeiten als vorher.“

„T“: Mit der Wut bist du relativ schnell hochgefahren, aber dann blieb dein Rückstand konstant.
A.S.: „Ich habe nicht stagniert. Ich fuhr sehr schnell nach oben, aber in der Abfahrt kann ich nicht auf einen Typen wie Sanchez auffahren. Ich habe eine gute Abfahrt hingelegt, aber es ist eben jetzt so.“

„T“: Es wurde immer gesagt, du und Alberto wärt Freunde. Stimmt das noch?
A.S.: „Wir sind hier nur bei einem Radrennen. Belassen wir es doch dabei, o.k.? Jeder kann sich seine Meinung über das Rennen von heute bilden. Aber ehrlich, als wir hinter dem Podium waren, habe ich ihn gefragt: ‚Wie kannst du das tun?‘ Man muss aber auch sagen, dass er in Spa einer von denen war, die auf mich gewartet haben, als ich gestürzt war. Wenn er das nicht gemacht hätte, wäre ich schon dort aus dem Rennen gewesen. Aber er kann die nächsten Tage nervös sein, denn ich habe eine Menge Wut im Bauch.“

„T“: Seine Reaktion?
A.S.: „Ach, wie ich gesagt habe, das ist das Rennen und da heißt es eben jeder für sich. Ich habe viel Respekt vor ihm, weil er in Spa auch auf mich gewartet hat. Heute war eben eine andere Geschichte, wir sind in der dritten Tour-Woche. Ich werde die Tour nicht wegen acht Sekunden verlieren oder gewinnen. Mit diesem Abstand werden wir nicht nach Paris kommen. Was sich ändert, ist, dass ich jetzt der Jäger bin.“

khe