Montag27. Oktober 2025

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„Andy, hol dir dein Maillot jaune zurück!“

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Auf den 174 km zwischen Pau und dem Col du Tourmalet fällt heute eine Vorentscheidung im Hinblick auf den Toursieg. Andy Schleck muss Alberto Contador distanzieren, um seine Chance auf den Gesamterfolg zu wahren.

Aus Pau berichten „T“Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)

Nach dem gestrigen Ruhetag in Pau stehen nur noch vier Tour-Etappen auf dem Menü der Fahrer. Zwei dieser Teilstrecken entscheiden über den Gesamtsieg, die andern beiden bestimmen den Gewinner im Punkteklassement.

Andy Schleck und Alberto Contador, die den Schlusssieger unter sich ausmachen, müssen ihre letzten Trümpfe aus dem Ärmel nehmen. Heute auf der letzten Pyrenäenetappe, die über 174 km von Pau zum mythischen Col du Tourmalet führt, fällt eine erste Vorentscheidung. Bevor es in den letzten, 18,6 km langen und durchschnittlich 7,5% steilen Anstieg geht, müssen die Fahrer die Côte de Renoir (4. Kat., 2,2 km à 6%), den Col de Marie-Blanque (1. Kat., 9,3 km à 7,6%) und den Col du Soulor (1. Kat., 11,9 km à 7,8%) ersteigen.

Regen in Pau

Nach zweieinhalb Wochen extremer Hitze hat das Wetter in der Südostecke Frankreichs geändert. In der Nacht zu gestern regnete es stundenlang und die Temperatur sank um über 10 Grad. Gestern fiel ein feiner Nieselregen auf Pau, doch als Andy Schleck und das Saxo-Bank-Team zur Pressekonferenz baten, war es zeitweise trocken. Heute, im Laufe der Etappe, ist jedoch wieder mit viel Regen zu rechnen, wobei die Temperaturen im letzten Anstieg zum Gipfel des Tourmalet 12 Grad nicht übersteigen dürften.

In Bezug auf das Treffen mit der Presse gab es gestern am frühen Morgen eine Änderung. Alberto Contador werde keine Konferenz abhalten, ließ Presseattaché Jacinto Vidarte wissen. Contador habe am Vortag im Interviewraum alles gesagt, was er zu sagen habe, hieß es weiter. Die Journalisten mussten sich am Nachmittag also nicht in zwei teilen, als sie durch die Eingangstür des Novotel Pau Lescar schritten, wo sowohl die Astana- als auch die Saxo-Bank-Mannschaft untergebracht waren. Einzig Andy Schleck bat zum Rendezvous, und deshalb war die riesige Parkanlage hinter dem Hotel denn auch überfüllt mit Journalisten, Fotografen und vielen, die dort nichts, aber auch gar nichts zu suchen hatten.

Andy Schleck, der in der Gesamtwertung acht Sekunden hinter seinem Rivalen liegt, hat nur EINE Wahl: Er muss heute angreifen, wenn er diese Tour gewinnen will. Das versprach er immer wieder bei der Pressekonferenz, wobei er solche Gelassenheit und Überzeugungskraft ausstrahlte, dass die Mehrzahl der Anwesenden ihm zutraut, seinen Plan in die Realität umsetzen zu können. „Nie zuvor habe ich vor so vielen Journalisten geredet“, sagte Andy, „da bin ich um eine Erfahrung reicher geworden. Im Radsport, meinem Beruf, sammele ich diese Erfahrungen seit dem 19. Lebensjahr. Ich bin im sechsten Jahr Profi, weiß also, was ich kann und wo ich hin will. Ich war nie so stark wie heute. Die mittelmäßige Leistung vom Prolog kann man nicht als Maßstab für das Zeitfahren vom Samstag nehmen. Seit Rotterdam sind fast drei Wochen vergangen. Ich bin ausdauernder und kraftvoller geworden.“

16.10 Uhr: Es wird ernst

„Andy ist ein großer Champion, der zu allem fähig ist“, meinte Bjarne Riis, der Andy bei der Pressekonferenz unterstützte. „Wir haben uns am Morgen ein letztes Mal den Aufstieg zum Col de Marie-Blanque angeschaut und sind danach ins Tal nach Luvie-Juzon gefahren“, sagte Riis, wobei er auf die Frage eines Journalisten, ob Andy vorhabe, im Marie-Blanque anzugreifen, flachste: „Ja, genau dort wird er angreifen.“

Genau dort wird Andy eben nicht angreifen (meinen zumindest wir), denn vom Scheitel des Berges bis ins Ziel bleiben noch 117,5 km herunterzulegen. Dem Risiko einer solch langen Fahrt (mit oder ohne Begleiter) kann und darf Andy Schleck sich nicht aussetzen. Die Tagesentscheidung dürfte also bis an den Fuß des Tourmalet in Luz-Saint-Sauveur (km 155,4) verschoben werden. Dort treffen die Fahrer normalerweise zwischen 16.10 und 16.30 Uhr ein. Von Luz-Saint-Sauveur bis auf den Gipfel brauchen die Fahrer eine knappe Stunde. „Wenn’s ums Ganze geht, sind Alberto und ich allein“, prophezeite Andy gestern. Es müsste also ein „Mano a mano“ am Col du Tourmalet geben, zu dem Samuel Sanchez als Dritter (2′ Rückstand) und Denis Menchov als Vierter (2’13“ Rückstand) nicht von den beiden Tour-Dominatoren „eingeladen“ sind. Genau wie Schleck sieht auch Contador der Auseinandersetzung mit Zuversicht entgegen, wobei er es in einer defensiven Rolle einfacher als sein Kontrahent hat. Der Spanier ist erleichtert, dass Andy ihm seine verspätete Entschuldigung nicht übel nahm. Er kann also ohne psychische Belastung in die Entscheidung starten.

Seit Tagen sind unzählige Luxemburger mit dem Camper unterwegs und warten im „Schicksalsberg“ auf die Tour. Die andern fiebern zuhause vor dem Fernseher mit. Alle rufen sie ihrem Landsmann zu: „Andy, hol dir dein Maillot jaune zurück!“

P.L.