„Sans-papiers“An ihrem Leben wird sich so bald nichts ändern – keine neue Amnestie in Sicht

„Sans-papiers“ / An ihrem Leben wird sich so bald nichts ändern – keine neue Amnestie in Sicht
Viele „Sans-papiers“ arbeiten in der Gastronomie. Ihr Leben in der Grauzone wird sich so bald nicht ändern.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Dunkelziffer der Menschen, die in Luxemburg ohne Aufenthaltsgenehmigung leben, ist wahrscheinlich größer als angenommen. Einen Anhaltspunkt dazu liefert die Arbeit der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“, kurz ASTI. Von den 1.000 Beratungen für Personen aus Drittstaaten waren allein im vergangenen Jahr 200 für Menschen „sans papiers“. Ein nachträglicher Antrag auf Bleiberecht hat selten Erfolg.

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von Wiebke Trapp.

Adele* (25) ist eine von ihnen. Sie kommt aus Kamerun und ist 2018 mit ihrem Mann eingereist. Er ist seit 2016 in Luxemburg, arbeitet in einer Großküche und hat zwei Jahre später seine Frau nachgeholt. Seit der Scheidung von ihm ist ihr Status ungeklärt. Sie schlägt sich als Reinigungskraft durch und teilt sich die Miete mit einer anderen Frau in „colocation“.

Sie ist ein typischer Fall. In einer Krise wie der Covid-19-Pandemie fallen Menschen wie sie durch alle Netze. Mit dem „Etat de crise“ beendete ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen. Sie hat kein Einkommen mehr und keinen Kündigungsschutz. Ein regulärer Arbeitsvertrag würde für sie sowieso spätestens an der Frage nach einer Aufenthaltsgenehmigung scheitern.

Viele leben schon seit Jahren so im Land 

In einem Land, für das Space Mining und Hochtechnologie zur wirtschaftlichen Zukunft gehören, sind Jobs wie der von Adele nicht auf dem Radar der breiten Öffentlichkeit. Dennoch werden Menschen wie sie gebraucht. Im Horeca-Bereich, im „Facility Management“, wie sich der Reinigungsbereich nennt, oder im Baugewerbe werden gerne ungelernte Arbeitskräfte genommen und angelernt. Es sind Branchen, die Arbeitskräfte suchen und sie unter den Einheimischen oft nicht finden.

Man kann sich in einem Leben ohne Papiere einrichten. Diese Erfahrung machen die Mitarbeiter am „Guichet info migrants“ von ASTI. Die „Sans-papiers“, die bei ihnen Rat suchen, sind nicht erst am Tag zuvor eingereist. 18 Jahre ohne Papiere im Land ist nach Angaben der NGO derzeit der Fall, der am längsten ungeklärt ist. Eine „autorisation de séjour“ wurde beim zuständigen Außenministerium angefragt, aber noch nicht genehmigt.

Adeles Zukunft ist ungewiss. Ob sie irgendwann wieder ihre alte Arbeit aufnehmen kann, weiß sie nicht. Zurück will sie nicht. „Schwierig“ sei die Situation in ihrem Heimatland, sagt sie. Adele gehört mit ihrer Nationalität zu der Gruppe derer, aus denen aktuell die meisten der „Sans-papiers“, die bei der ASTI Hilfe suchen, kommen: Brasilianer, Kapverdier und Kameruner. Ein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung muss vor der Einreise gestellt werden, heißt es dazu vom Außenministerium.

Antrag auf Aufenthalt nachträglich „unzulässig“ 

Anträge, die von Angehörigen aus Drittstaatländern nach einer Einreise nach Luxemburg gestellt werden, sind gemäß Artikel 39 des Immigrationsgesetzes von 2008 unzulässig. Anders behandelt werden Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird. Sie stellen den Antrag auf Asyl nach Flucht und Einreise und erhalten bei einem positiven Bescheid einen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit von fünf Jahren. Das ist die gängige Praxis in Luxemburg, wie die dafür zuständige Abteilung des Außenministeriums erklärt. Dieser Aufenthaltstitel kann mit einem Antrag nach Ablauf der Zeit erneuert werden, heißt es von dort weiter.

Menschen wie Adele haben kaum bis gar keine Aussicht darauf, derzeit in den Genuss dieser Regelung zu kommen. Etwas mehr als 2.000 Asylanträge hat das Außenministerium in 2019 bearbeitet, wie aus der Bilanz der Behörde hervorgeht. 653 Personen davon wurden als Flüchtlinge anerkannt. Neben den bekannten Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan und Irak haben letztes Jahr auffällig viele Eritreer Asyl angefragt. Das geht ebenfalls aus den Zahlen der Jahresbilanz des Ministeriums hervor.

Knapp 400 der Anträge auf Asyl wurden 2019 abgelehnt. Die Zahl der Drittstaatsangehörigen, die 2019 in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind oder die in einen anderen Mitgliedstaat der EU zurückgeschickt wurden, betrug laut Ministerium 330 Personen. 199 Personen kehrten freiwillig in ihr Herkunftsland zurück und 131 wurden zwangsweise abgeschoben, wie aus dem Jahresbericht der Behörde hervorgeht.

Keine neue Gesetzgebung zur Immigration 

Für Adele heißt es unter den gegebenen Umständen: durchhalten. Eine nachträgliche Legalisierung ihres Aufenthaltes im Großherzogtum ist so bald nicht in Sicht. Eine Amnestie wie die von 2013, als 400 illegal im Land lebende Menschen im Nachhinein eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten, ist derzeit nicht geplant. Auch wird es keine Änderungen an der herrschenden Gesetzgebung zur Einwanderung geben. Das teilt das Außenministerium auf Anfrage des Tageblatt mit.

Was es gibt, sind Ausnahmeregelungen aus „humanitären Gründen“, wie das Ministerium mitteilt, und sie gelten für die wenigsten der „Sans-papiers“. Zwar arrangieren sich die meisten mit der Situation, damit abfinden tut sich jedoch kaum einer. „Jemand, der mir sagt, mittlerweile ist es mir auch egal, hatte ich noch nie“, sagt Laurence Hever (41). Die „assistante sociale“ arbeitet seit 20 Jahren bei der NGO und kennt viele dieser Schicksale. „Das ist ja nicht wie Fahren ohne Führerschein“, sagt sie.

* Name von der Redaktion geändert