Trotzig machte sich der ausgebremste Etappensieger der vorzeitig abgeblasenen Präsidentenkür am Sonntag zu den geschlossenen Pforten seines Wahllokals in der südrumänischen Provinzstadt Mogosoaia auf. „Öffnen Sie die Wahllokale. Die Stimmzettel sind gedruckt. Die Rumänen wollen wählen“, so die Botschaft des russophilen Rechtsextremisten Calin Georgescu an den ihn begleitenden Journalistentross: „Doch mit der Abstimmung wurde auch unsere Freiheit annulliert.“
Hektisch war der Verlauf von Rumäniens winterlichen Wahlmarathon. Und für noch mehr Turbulenzen sorgt sein abruptes und vorzeitiges Ende. Nach der Annullierung der Präsidentschaftswahlen schlittert Rumänien immer tiefer in eine Staats- und Verfassungskrise. Kritiker machen dafür nicht nur die Destabilisierungsanstrengungen Moskaus, sondern auch die wiederholten Wahlinterventionen der Verfassungshüter und deren politischen Hintermänner verantwortlich.
In einigen ausländischen Wahlbüros der rumänischen Diaspora hatte die für Sonntag anberaumte Stichwahl zwischen dem parteilosen Ultranationalisten Georgescu und der liberalen USR-Chefin Elena Lasconi bereits begonnen, als das Verfassungsgericht den Urnengang am Freitagnachmittag wegen mutmaßlicher Wahlkampfmanipulationen vor dem ersten Wahlgang kurzfristig annullierte. Begründung: Durch eklatante Verstöße gegen das Wahlrecht und technologische Manipulationen sei die Chancengleichheit der Kandidaten verzerrt – und die Wähler „in die Irre geführt“ worden
Es waren vom scheidenden Staatschef Klaus Johannnis spät freigegebene Geheimdienstdokumente zur Beeinflussung des Stimmenstreits, die den Gerichtshof zur Annullierung der gesamten Präsidentenwahl veranlasste. Deren Verfasser sprachen etwas verschwommen von einem „staatlichen Akteur“ oder „staatlichen Gebilde“, das den Stimmenstreit in den sozialen Medien mit 25.000 kurz vor der Wahl von TikTok-Accounts aus massiv zu Gunsten des russophilen Georgescu beeinflusst habe – und hatten dabei offensichtlich Moskau im Blick.
Das Wahlergebnis sei durch die russischen Interventionen „eklatant verfälscht“ worden, begrüßte der im ersten Wahlgang des Präsidentschaftsrennens gestrauchelte Sozialist und Noch-Premier Marcel Ciolacu (PSD) die Annullierung des Urnengangs. Über einen „Staatsstreich“ und „Putsch“ wetterte hingegen nicht nur Georgescu. Auch die ausgebootete Lasconi sprach empört von einer Beugung des Wählerwillens.
Wann die Wahlwiederholung im Frühjahr genau steigen soll, ist noch ungewiss. Bis dahin soll Johannis, dessen Mandat offiziell am 21. Dezember endet, die Amtsgeschäfte als Interimspräsident führen. Auch die Bildung einer neuen Regierung droht sich durch das Machtvakuum um Monate zu verzögern.
Geglückte Destabilisierung
Derweil stoßen die wiederholten Wahlinterventionen der Verfassungshüter nicht nur bei der Opposition auf Kritik. Auch zahlreiche Bürgerrechtler und Juristen wittern in der Wahlannullierung einen problematischen Präzedenzfall.
Ob mit dem umstrittenen Verbot der Kandidatur der Ultranationalistin Diana Socoaca (SOS), der kontroversen Anordnung der Neuauszählung der Stimmen oder nun mit der merkwürdig späten Wahlannullierung: Die auf Vorschlag der Regierungsparteien und des Präsidenten ernannten Verfassungsrichter hätten mit der Ausweitung ihrer Kompetenzen den Urnengang zu Gunsten der Regierungsparteien PSD und PNL zu beeinflussen versucht – und ein missliebiges Wählervotum gekippt, so die Kritiker.
Zumindest Moskau kann sich über die geglückte Destabilisierung eines weiteren NATO-Staats in Südosteuropa freuen. Denn das Wahlchaos hat nicht nur das ohnehin geschwundene Vertrauen der Rumänen in ihren Staat untergegraben, sondern ist auch neues Wasser auf die Mühlen rechtsextremer Stimmenfänger und Verschwörungsapostel.
Ein Ende von Rumäniens Dauerturbulenzen scheint nicht absehbar. Wenn das Verfassungsgericht die Wahl für ungültig erklärte, beginne das „Festival des Wahnsinns erst so richtig“, hatte das Webportal G4media.ro bereits vor der Wahlannullierung düster orakelt. Seine unheilvolle Prognose: „Es wird ein wildes Durcheinander geben, das keiner mehr versteht. Und die rumänische Demokratie oder das, was von ihr noch übrig ist, wird sich in Staub auflösen.“
De Maart
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