Am frühen Mittwochmorgen ist es endlich so weit: Die letzten Knoten sind durchschlagen. Eine Einigung zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner steht. Bis etwa 5.00 Uhr wird noch daran gefeilt. Danach dringen langsam die ersten Informationen nach draußen, bis um 7.28 Uhr die Eilmeldungen über den Ticker der Nachrichtenagenturen laufen.
Das folgenschwere Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt ist an diesem Mittwoch genau vier Wochen alt. In dieser Zeit hat die Bundesregierung mehrere Phasen durchlaufen. Vom ersten Schock über Notfallmaßnahmen samt eingefrorener Budgets bis hin zu den wochenlangen Verhandlungen darüber, wie die entstandenen Lücken zu stopfen sind. Nun überschlagen sich die Ereignisse.
Mehrere Stunden lang herrscht Rätselraten im politischen Berlin über die Details, für 12.00 Uhr wird ein Statement von Scholz, Habeck und Lindner im Kanzleramt angekündigt. Und dann folgt der mit Spannung erwartete Auftritt. Dunkle Anzüge, ernste Mienen, kaum ein Lächeln. Nach großer Erleichterung oder gar nach einem Befreiungsschlag sieht es wahrlich nicht aus, als Scholz, Habeck und Lindner auf die Minute pünktlich vor die Kameras im Kanzleramt treten.
Sie können sich dabei durchaus zugutehalten, dass alle geben, alle nehmen mussten. Die Schuldenbremse soll 2024 vorerst nicht erneut ausgesetzt werden, das war Lindners rote Linie. Die Unterstützung für die Ukraine werde aus dem Regelhaushalt gestemmt, „so wie wir es geplant haben und vor allem so lange wie nötig“, sagt Scholz. Es soll keine wesentlichen Einschnitte in den Sozialausgaben geben, wie es der Kanzler bereits beim SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende zugesichert hatte. Durch mehr Treffsicherheit bei Sozialleistungen erreiche man dennoch eine Einsparung von 1,5 Milliarden Euro, sagt Lindner. Und Habeck kann sich auf die Fahne schreiben, den Abbau klimaschädlicher Subventionen in einem Umfang von drei Milliarden Euro erreicht zu haben.
Bürger müssen Einigung finanzieren
Dennoch, das Ringen der vergangenen fast vier Wochen hat Spuren bei den Beteiligten hinterlassen. Das öffentliche Bild der Ampel hat weitere Risse bekommen, auch das Binnenverhältnis der Koalitionsspitzen soll gelitten haben, wie von verschiedenen Seiten zu hören ist. Lindner versucht es am Mittwoch mit einer Aufheiterung. Das Bundeskabinett habe sich mit der Strategie gegen Einsamkeit beschäftigt. „Ich kann allerdings feststellen, dass wir drei in den letzten Wochen nicht betroffen gewesen sind“, sagt der Finanzminister. Man habe intensiv gearbeitet.
Dass die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger nicht allein lassen werde, das hat auch der Kanzler wiederholt zugesichert, zuletzt bei seiner Regierungserklärung nach dem Karlsruher Urteil. „You’ll never walk alone“ – „Du wirst niemals alleine gehen“. Am Ende müssen die Bürger die Haushaltseinigung nun aber finanziell mittragen. Denn die Einigung sieht vor, dass ein eigentlich geplanter milliardenschwerer Zuschuss zu Entgelten für das Stromnetz entfallen soll. Das dürfte sich künftig spürbar auf die Strompreise auswirken. Auch soll der CO2-Preis beim Tanken und Heizen mit fossilen Energien stärker als geplant angehoben werden. Ob viele Menschen sich so eine Regierung vorstellen, die immer an ihrer Seite steht, ist fraglich. Die Diskussionen dürften also nach der Einigung weiter anhalten, insbesondere zum Klimageld.
Und für die Ampelspitzen geht es weiter Schlag auf Schlag. Direkt im Anschluss an das Statement muss Scholz hinüber in den Bundestag eilen. Für 13.00 Uhr ist seine Regierungserklärung zum Europäischen Rat geplant. Doch dort gibt es zunächst Verwirrung. Mehrere Regierungsmitglieder sitzen bereits auf ihren Plätzen, nur der Kanzler fehlt um 13.02 Uhr noch. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, eröffnet die Sitzung, sagt dann: „Ich hoffe, dass der Kanzler zur Abgabe seiner Regierungserklärung noch kommt.“
Merz fordert Vertrauensfrage
Scholz, der dann doch noch erscheint, stellt anfangs die Ukraine in den Fokus. Der Kanzler betont, dass er für die Unterstützung der Ukraine weiter eintritt, sieht die Sicherheit Europas bedroht. Deutschland sei bereit, die Ukraine-Hilfen weiter anzuheben, sollten andere ihre Unterstützung zurückfahren, so der Kanzler. Notfalls mit einem nachträglichen Aussetzen der Schuldenbremse.
Für die Opposition ist die Regierungserklärung die Gelegenheit zum Schlagabtausch. Unionsfraktionschef Friedrich Merz fordert Scholz so denn auf, zu Beginn des kommenden Jahres im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. Und er wirft dem Kanzler „Tricksereien“ vor. Was Scholz zuvor zur Lage in der Ukraine gesagt habe, sei schon die Ankündigung, dass die Ampel in den kommenden Monaten erneut eine Notsituation verkünden und so die Schuldenbremse aussetzen wolle.
Doch für die Ampelparteien geht der Tag im Galopp weiter: Am Nachmittag kommen sie zu einem Koalitionsausschuss zusammen, um formell die Beschlüsse abzusegnen, danach die Parteigremien und die Fraktionen in Sondersitzungen. Und am Abend erklärt der Kanzler sich im ARD-Fernsehen. Es ist ein Tagesprogramm, das sonst eine ganze Woche füllen würde.
De Maart
Lächerliches,konzeptloses Dreigestirn.