Montag20. Oktober 2025

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DeutschlandAmpel in der Krise: Fünf Szenarien, wie es nun weitergehen könnte

Deutschland / Ampel in der Krise: Fünf Szenarien, wie es nun weitergehen könnte
Die Regierungsreihen im Deutschen Bundestag: „Wie lange noch?“, fragen sich viele in Deutschland Foto: AFP/Tobias Schwarz

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Die Koalition von SPD, Grünen und FDP ringt um ihre Zukunft. Noch in dieser Woche könnte die Entscheidung für einen Bruch fallen. Diese Optionen werden jetzt in Berlin diskutiert – von Minderheitsregierung bis Neuwahlen.

Seit Monaten steht ein mögliches Ampel-Aus im Raum, so schwierig wie derzeit war es für das Bündnis von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen allerdings noch nie. Denn die Fronten, insbesondere in der Wirtschaftspolitik, sind extrem verhärtet, ein Krisengespräch zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) folgt auf das andere. An diesem Mittwoch ist Koalitionsausschuss, dann soll dem Vernehmen nach eine Entscheidung fallen. Hier die fünf Szenarien, wie es danach weitergehen könnte.

Die Ampel bleibt zusammen: Der Fortbestand der Koalition scheint nach den jüngsten Äußerungen von Scholz und Habeck zu Kompromissbereitschaft und zu Warnungen vor einem Koalitionsbruch doch immer noch ein wahrscheinliches Szenario zu sein, auch wenn es dann wohl ein sehr brüchiger Frieden wäre und derzeit kaum jemand eine Prognose über Lindners Entscheidung abgeben will. Raufen sich die drei Ampel-Spitzen in ihren aktuellen Krisengesprächen zusammen und einigen sie sich auf eine weitere Zusammenarbeit, kommt es auf die Dynamik im Koalitionsausschuss am Mittwochabend an. Akzeptieren die anderen Mitglieder des Gremiums die mögliche Einigung, braucht es nach Ansicht führender Ampel-Vertreter allerdings auch direkt eine verbindliche Einigung für einen Plan für mehr Wirtschaftswachstum und – noch dringender – eine Lösung für den Haushalt. All das setzt erhebliche Kompromissbereitschaft aller Seiten voraus.

Es kommt zum Bruch: Schaffen es Scholz, Habeck und Lindner in ihren aktuellen Dreiergesprächen nicht, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen, wird der Koalitionsausschuss wohl kaum noch etwas kitten können. Dann ist die Frage, wer wie aussteigt. Dabei sind zwei Wege am wahrscheinlichsten: Erstens könnte Scholz Lindner und die FDP aus der Koalition werfen, was jedoch für Scholz die Gefahr birgt, Lindner zum Märtyrer zu machen. Die zweite Variante ist, dass Lindner selbst geht wie einst beim Abbruch der Jamaika-Verhandlungen mit Union und Grünen. In einer jüngsten Insa-Umfrage können Lindner und die FDP ein Miniplus verzeichnen, nach der Veröffentlichung des Lindner-Grundsatzpapiers zur Wirtschaftspolitik am Freitag. Aus Sicht mancher Parteistrategen in Berlin könnte das einen Bruch wahrscheinlicher machen. Denn Lindner könnte sich ausrechnen, dass er nach einem Bruch noch mehr Aufwind bekommen könnte angesichts der miserablen Zustimmungswerte für die Ampel. Kommt es zum Bruch, sind wiederum mehrere weitere Szenarien denkbar.

SPD und Grüne bleiben in einer Minderheitsregierung: Scholz könnte in einer Minderheitsregierung weitermachen. Eine Minderheitsregierung muss für jedes Einzelthema Verhandlungen führen und versuchen, sich in der Sache wechselnde Mehrheiten zu besorgen. Anders als in den USA gibt es in Deutschland keinen Haushaltsnotstand, bei dem etwa Hunderttausende Staatsangestellte kein Geld mehr bekämen. Dafür sorgt ein Nothaushaltsrecht, Artikel 111 Grundgesetz, der im Grunde sagt: Alle rechtlichen Verpflichtungen darf der Bund erfüllen, auch ohne Haushaltsgesetz. Eine solche Regierung hätte aber kaum mehr Gestaltungsmomente.

Die SPD wirbt für neue Regierungskonstellationen: Gibt es keine Einigung für eine Minderheitsregierung, könnte die SPD als stärkste Kraft im Parlament auch um neue Mehrheitskonstellationen werben. Politisch denkbar wäre jedoch nur ein Bündnis mit der Union, also eine neue große Koalition. Dafür müsste Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) den Deal eingehen, Scholz könnte Kanzler bleiben. Ein solches Szenario wird in der Union allerdings sehr kontrovers diskutiert, die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering. Auch in der SPD hätten viele Bauchschmerzen, schließlich könnte die Union dann extrem hohe Zugeständnisse von Scholz fordern, er wäre Kanzler von Merz‘ Gnaden – denkbar schlechte Voraussetzungen für den Wahlkampf.

Es gibt vorgezogene Neuwahlen: Sollte es zum Ampel-Bruch kommen ohne Bereitschaft von SPD und Grünen für eine Minderheitsregierung und ohne Neubildung einer anderen Regierungsmehrheit, sind vorgezogene Neuwahlen so gut wie unausweichlich. Ein Instrument, um ohne Neuwahlen die Ampel zu beenden, wäre hingegen das sogenannte Konstruktive Misstrauensvotum. Um Scholz zu stürzen und selbst Regierungschef zu werden, bräuchte Merz im Bundestag die Kanzlermehrheit, also 367 Stimmen. Union und FDP bringen es aber nur auf 288, Union und Grüne auf 314. Nur alle drei zusammen, eine Beteiligung der AfD oder eine große Koalition könnte Merz per Konstruktivem Misstrauensvotum ins Kanzleramt bringen. All das ist politisch aber nahezu ausgeschlossen. Ein anderer Weg zu möglichen Neuwahlen wäre die Vertrauensfrage durch Kanzler Scholz, zu der er aber nicht gezwungen werden kann, und die er absichtlich verlieren müsste. Dann hätte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Entscheidung in der Hand. Er kann Neuwahlen ausrufen, muss es aber nicht. Er könnte die politisch Verantwortlichen auch auffordern, noch einmal eindringlich zu prüfen, ob da nicht doch eine handlungsfähige Mehrheits- oder eine Minderheitsregierung mit Unterstützung von Fall zu Fall im Parlament zu finden ist. Scheitert all das und Steinmeier entscheidet für Neuwahlen, könnten diese bereits Anfang März stattfinden, entweder am Tag der Hamburg-Wahl am 2. März – allerdings der Sonntag im Karneval – beziehungsweise der 9. März. Regulär sind die Bundestagswahlen für den 28. September 2025 geplant.