Donnerstag6. November 2025

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SerbienAmnesty International wirft Regierung die Manipulation von Mobiltelefonen missliebiger Aktivisten und Journalisten vor

Serbien / Amnesty International wirft Regierung die Manipulation von Mobiltelefonen missliebiger Aktivisten und Journalisten vor
Mobiltelefone können mit entsprechender Software zu einer überall verfügbaren Abhör-Wanze werden – oder anderswie ihre Inhalte preisgeben Foto: William West/AFP

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Serbiens nimmermüden Schlapphüte sorgen wieder einmal für Wirbel. Auf die abgegebenen Mobiltelefone vorgeladener Landsleute soll der Geheimdienst BIA heimlich Software zum Ausspionieren geladen haben. Belgrad wittert in den Vorwürfen von Amnesty International einen „hybriden Krieg“ des Westens.

Seit einem zweistündigen Verhör auf einer Polizeiwache in Belgrad zeigte das Mobiltelefon des serbischen Umweltaktivisten Ivan Bjelic merkwürdige Mucken. Mal schaltete es sich selbst an und aus. Mal vibrierte es oder erhitzte sich bei Gesprächen mit Mitstreitern so stark, dass er es kaum halten konnte. Seltsame Anrufe von verdeckten oder ungewöhnlich langen Nummern gingen mit seiner auffälligen Überwachung durch eine schwarze Limousine während der Visite eines ausländischen Staatsgastes einher.

Der Verdacht von Bjelic und anderen Bürgerrechtsaktivisten, dass ihre Telefone während Polizeiverhören oder Vorladungen zum Geheimdienst BIA manipuliert worden seien, hat nun deren Analyse durch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) bestätigt. In dem in dieser Woche veröffentlichten Bericht „Digitales Gefängnis – Überwachung und Unterdrückung der Zivilgesellschaft in Serbien“, kommt AI zu dem Schluss, dass die serbischen Sicherheitsdienste heimlich installierte Spionage-Software zur „gesetzwidrigen Überwachung“ von Umweltaktivisten und Journalisten nutzten.

Ob bei kurzzeitigen Verhaftungen oder Verhören durch die Polizei oder bei Vorladungen zu „informellen Gesprächen“ durch den BIA: Im Vorzimmer abgegebene oder in Tresoren abgelegte Mobiltelefone sollen laut AI mithilfe von israelischer „Cellebrite“-Apparatur zur Datenextraktion „geöffnet“ worden sein, um ohne das Wissen der gerade verhörten Eigentümer auf ihnen das serbische Ausspionierungsprogramm „NoviSpy“ zu installieren.

Die Behauptungen von AI seien „absolut inkorrekt“, dementiert Serbiens Innenministerium in einer kurzen Erklärung die Vorwürfe: Serbiens Polizei nutze „forensische Werkzeuge“ nur in „derselben Weise wie Polizeidienste weltweit“ und in Übereinstimmung mit der nationalen Strafprozessordnung. „Trivialen Sensationalismus“ wirft derweil der Geheimdienst BIA in seiner empörten Erklärung AI vor: „Die Vorwürfe sind so absurd, dass wir nicht in der Lage sind, sie zu kommentieren.“

Russophiler Vizepremier empört über AI

Sichtlich genervt wittert Serbiens russophiler Vizepremier Aleksandar Vulin in dem AI-Bericht gar einen „Angriff auf das gesamte Sicherheitssystem im Staat“. Als „Fortsetzung des hybriden Kriegs“ gegen Serbien bezeichnet die regierungsnahe Postille Vecernje Novosti den Rapport: „Sie haben das Ausspionieren ersonnen, um die Proteste zu salzen.“

Tatsächlich hat die peinliche AI-Enthüllung den EU-Anwärter zu einem denkbar schlechten Moment erwischt. Seit Anfang November beim Einsturz des Vordachs des neu renovierten Bahnhofs in Novi Sad 15 Menschen ihr Leben verloren, wird der Balkanstaat von heftigen Protesten gegen Korruption und Vetternwirtschaft erschüttert.

Von den verschärften Überwachungsanstrengungen der serbischen Schlapphüte wollen sich die Demonstranten nicht einschüchtern lassen. Der Versuch der Telefonüberwachung habe ihn und seine Mitstreiter „in unserem Kampf nur bestärkt“, versichert Umweltaktivist Bjelic gegenüber der BIRN-Agentur: „Über vertrauliche Informationen sprechen wir nun eben nur noch persönlich – ohne Computer und Telefon.“