Legendärer MusikproduzentAls Frank Farian im Ettelbrücker Hôtel Central kochte und auf die Musik kam

Legendärer Musikproduzent / Als Frank Farian im Ettelbrücker Hôtel Central kochte und auf die Musik kam
Startete seine Weltkarriere von Ettelbrück aus, wenn man so will: der am Dienstag verstorbene Frank Farian Foto: Dominik Laux/dpa

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Der saarländische Musikproduzent und Komponist Frank Farian ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Farian hat einen direkten Bezug zu Luxemburg, war er doch in der 1960er Jahren Koch im Ettelbrücker Hotel Central. Der frühere Tageblatt-Journalist Jean-Marie Backes hat der Geschichte in seinem neuesten Buch „Große Kunst und harte Arbeit“ ein Kapitel gewidmet. Titel: „In seiner Freizeit saß Franz Reuther am Fenster seines Zimmers und spielte Gitarre.“

Das Fenster zum Marktplatz war das des Hôtel Central in Ettelbruck, das alte „Hôtel Central Lieffrig“, wie Lucie erklärte, das sei in der rue de Bastogne noch an Nummer 23 gewesen, später haben sie das große Hôtel Central übernommen. Franz Reuther war Ende der 1950er-Jahre bis 1966 in der jeweiligen Sommersaison Koch im Ettelbrücker Hôtel Central. Also irgendwie ein einfacher Koch, oder doch nicht? „Et war een exzellente Kach, mär haten d’Bud ëmmer voll“, meint Lucie, als ich sie am Telefon auf diese Zeit anspreche. „Gekocht wurde damals eher traditionell“, erzählt Lucie weiter, „wir hatten truite au bleu, bouchée à la reine oder blanquette de veau mit Reis auf der Karte.“

Es sind die Zutaten für eine besondere Geschichte, auf die ich durch eine Broschüre gekommen bin, herausgegeben von der Stadt Ettelbrück, die der Ettelbrücker Briefmarkenverein anlässlich eines Festes ausgelegt hatte.

„Le Central“ steht als Überschrift auf einem schönen Eckhaus. Es war das „Hôtel Central“ und wurde von der Gemeinde zusammen mit der nationalen Wohnungsbaugesellschaft und dem Wohnungsbauministerium umgebaut, um sozialen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und da ich jede Publikation, die mir unter die Augen kommt, immer durchblättere, erfahre ich einiges über die Hotels in der Nachkriegszeit in Ettelbrück. So auf der Seite 15, wo ich nicht schlecht staunte, als ich den Titel las: Frank Farian stand im „Hôtel Central Lieffrig“ am Herd. Romain, der Stadtarchivar aus Ettelbrück, hat hier über eine Besonderheit aus der kleinen Stadt im Norden des Landes, die als „Porte des Ardennes“ bezeichnet wird, berichtet.

Am Herd und zur Musik

Es geht um die Person Franz Reuther, der besser als Frank Farian bekannt ist. Der wohl erfolgreichste Musikproduzent Deutschlands stand in Ettelbrück am Herd und kam auch in Ettelbrück zur Musik. Es war immer in der Sommersaison, dass er im Hôtel Central Lieffrig Café Restaurant als Koch arbeitete. 1963 kochte er noch das Hochzeitsmal der Eheleute Ady Hoss-Lieffrig.

Das Ettelbrücker Hôtel Central 1959. Im Sommer kochte hier Franz Reuther alias Frank Farian.
Das Ettelbrücker Hôtel Central 1959. Im Sommer kochte hier Franz Reuther alias Frank Farian. Foto: Archiv der Stadt Ettelbrück

Ich rufe Lucie Hoss-Lieffrig an und die Dame meint, es sei wohl lange her, doch sie könne sich noch sehr gut an Frank Farian erinnern. Auch nach 60 Jahren erinnere sie sich noch gut an seine Kochkünste. Er habe sich ab und zu mal aus Miami, wo er jetzt lebt, gemeldet, sagt sie, und 1980, als Bony M. in Luxemburg gastierten, sie wisse nicht mehr genau, ob es in Düdelingen oder Differdingen war, habe er plötzlich im Ettelbrücker Geschäft der Familie gestanden und sie zu dem Konzert eingeladen. „Mein Mann hatte damals keine Zeit. Ich bin mit einer Freundin hingegangen und nach dem Konzert sind wir gemeinsam mit Frank und Boney M. essen gewesen“, berichtet Lucie.

Frank Farian wurde also Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre Schlagersänger, trat in der Hitparade auf und hatte den Welthit „Rocky“. Er hatte mit der Gruppe „Die Schatten“ Erfolge und spielte damals als eine der einzigen deutschen Bands im berühmten Hamburger Starclub.

Danach produzierte er mit einem Riesenerfolg Boney M., Meat Loaf, La Bouche, Milli Vanilli, Eruption, Toto und viele andere. Von Millionen verkaufter Schallplatten ist die Rede – und der luxemburgische Kardinal Jean-Claude Hollerich outete sich kürzlich in einem Pressegespräch als Fan vom Song „Rivers of Babylon“ der Gruppe Boney M.

Gutes Geld in Ettelbrück verdient

Wie Frank Farian gerade in Ettelbrück zur Musik kam, schildert Pascal N. in einer Transkription eines Gesprächs, das Frank Farian, der in Kirn (RLP) geboren wurde und im Saarland lebte, anlässlich seines 80. Geburtstags im Juli 2021 im saarländischen Rundfunk gab: „Ich habe Koch gelernt, weil ich immer Hunger hatte. Und hatte nie genug zu essen. Und bin dann nach Luxemburg gegangen und habe einen guten Job bekommen. Ich habe nicht nur 300 DM wie in Saarbrücken bekommen. Ich habe das Vierfache verdient. Ich habe 1.200 DM bekommen. Das war 1958-1959. Und dann war ich 2-3 Saisons in Ettelbrück im Hôtel Central. Dann ist das General-Patton-Fest. Denn General Patton hat die Luxemburger von den Nazis befreit. Da ist ein riesengroßes Festzelt. Und was hörten meine Ohren? Eine Rock-’n’-Roll-Band. Ich habe gedacht, die lassen Schallplatten laufen. Ich ging ins Zelt rein. Da steht eine Band auf der Bühne. Ein Sänger, drei Gitarren und ein Schlagzeuger hinten dran. Und da gab es eine Explosion im Kopf. Und da konnte ich nicht mehr kochen.“

Ich bin dann nach Luxemburg gegangen und habe einen guten Job bekommen. (…) Das war 1958-1959. Und dann war ich 2-3 Saisons in Ettelbrück im Hôtel Central. Dann ist das General-Patton-Fest. (…) Da ist ein riesengroßes Festzelt. Und was hörten meine Ohren? Eine Rock-’n’-Roll-Band.

Frank Farian

Ein Konzert in einem Ettelbrücker Festzelt war also ausschlaggebend für eine Weltkarriere als Schlagersänger und Musikproduzent. „Wann hien eppes am Kapp hat, huet hien et duerchgesat“, meint Lucie am Ende unseres Telefongesprächs.

Ich blättere weiter in der flott aufgemachten Broschüre und erfahre, dass im Hôtel Central bekannte Gäste ein und aus gingen, lese von einem langen Aufenthalt der Marlène Charell, die in den 70er Jahren gleich mehrere Zimmer angemietet hatte, denn sie nahm beim ehemaligen, bekannten Zirkusstar Alma Piaia-Vizla, die in Ettelbrück lebte, Unterrichtsstunden im Tanz.

Bekannt wurde die Küche des Hotels auch durch verschiedene Köche, die dann auch Sterne erkochten. Genauso wie die Weinkarte, die mit über 5.000 Weinen im weltweiten Ranking der Weinkarten unter den Top 10 geführt wurde.

Große Kunst und harte Arbeit

Geschichten aus dem Alltag schreibt Jean-Marie Backes, alias JEM, seit seiner Pensionierung als Tageblatt-Journalist. Im Herbst 2023 ist mit „Große Kunst und harte Arbeit“ das neueste Buch des Autors erschienen. Auf 176 Seiten entführt Backes den Leser in kaum bekannte Lokalgeschichten aus dem Großherzogtum. So ist JEM auf der Spur des Renert-Denkmals und geht auf die Arbeiter ein, die vor 60 Jahren das Pumpspeicherkraftwerk in Vianden und Stolzemburg bauten. Auch der Sport und die Kultur kommen nicht zu kurz. Zum Beispiel mit dem Kapitel über Frank Farian in Ettelbrück.  

Jean-Marie JEM Backes – Große Kunst und harte Arbeit – ISBN 978-99959-0-891-1 – 18 Euro – Bestellung durch Überweisung auf LU57 0019 6303 7596 3000 mit Vermerk „Große Kunst“ (Versandadresse nicht vergessen) – Mail: backes@pt.lu.

fraulein smilla
24. Januar 2024 - 12.45

Farian hatte sich wohl auf die Friendchip Partie waerend des Remembrance Day verirrt .