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Vor 20 JahrenAls 230.000 Menschen in wenigen Stunden starben – Die Tsunami-Katastrophe 2004 

Vor 20 Jahren / Als 230.000 Menschen in wenigen Stunden starben – Die Tsunami-Katastrophe 2004 
Blick auf die Rahmatullah-Moschee in Lhoknga in der indonesischen Provinz Aceh am 14. Januar 2005 (links) und der gleiche Ort im vorigen November Fotos: Chaideer Mahyuddin, Joël Saget/AFP

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Als am zweiten Weihnachtstag 2004 ein Tsunami große Teile der Küstenregionen Südostasiens verwüstete, kamen innerhalb weniger Stunden 230.000 Menschen in 14 Ländern ums Leben. Heute wäre die Welt deutlich besser auf eine solche Katastrophe vorbereitet, sagen Forschende.

Indonesien liegt am Pazifischen Feuerring. Hier bebt die Erde in regelmäßigen Abständen, aktive Vulkane spucken Asche und Lava. Am 26. Dezember 2004, um 7.59 Uhr Ortszeit, beginnt jedoch eine Naturkatastrophe, die eine unvorstellbare Verwüstung mit sich bringen und weit über die Grenzen des südostasiatischen Inselstaates reichen sollte: Vor der indonesischen Insel Sumatra bebt die Erde – es ist das drittstärkste Beben, das bisher registriert wurde – eine gewaltige Erschütterung der Stärke 9,1 auf der Richterskala.

Der Tsunami im Indischen Ozean, der folgt, kommt in mehreren Wellen, manche bis zu 30 Meter hoch. 230.000 Menschen sterben, die Küstengebiete von 14 Ländern werden verwüstet. Neben Indonesien gibt es vor allem in Thailand, Sri Lanka und Indien Tausende Opfer. In Indonesien sterben 167.000 Menschen, in Sri Lanka wird ein ganzer Zug von den Fluten überrollt, mehr als 1.000 Menschen kommen allein hier ums Leben. Zahlen, die schockieren, die jedoch nichts über die Einzelschicksale erzählen: die Mutter, der die Wucht des Wassers das Kind aus den Armen riss, der kleine Junge, der drei Wochen allein umherirrte und seine Familie suchte, oder die Brüder, die ihre Eltern verloren, sich gegenseitig jedoch wie durch ein Wunder wiederfanden.

1.000 wissenschaftliche Arbeiten

Die Katastrophe vor 20 Jahren habe „tiefe Wunden“ hinterlassen, sagt Zulfakriza Z., wie der Forscher vom Bandung Institute of Technology in Indonesien seinen Namen angibt. Sie habe „aber auch die grundlegende Notwendigkeit der Katastrophenvorsorge“ verdeutlicht. Auch er betont, wie anfällig Indonesien aufgrund seiner Lage in einer tektonisch aktiven Zone für Katastrophen ist. Vier Hauptplatten – die indo-australische, die eurasische, die pazifische und die philippinische – befinden sich hier in Konvergenzbewegung.

Das hohe Katastrophenrisiko Indonesiens hat seit dem Tsunami Wissenschaftler aus der ganzen Welt angezogen. Von 2005 bis 2024 hat Google Scholar etwa 1.000 wissenschaftliche Arbeiten zu Erdbeben und Tsunamis in Indonesien erfasst. Diese Studien hätten das Verständnis der Erdbebenursachen und -trends verbessert, erklärt der indonesische Experte.

Diese Bilder zeigen die Strandgegend an der ostindischen Stadt Chennai, oben am 26. Dezember 2004, unten am 9. November 2024
Diese Bilder zeigen die Strandgegend an der ostindischen Stadt Chennai, oben am 26. Dezember 2004, unten am 9. November 2024 Foto: R. Satish Babu/AFP

„Wie in einer Waschmaschine“

Aber auch die Vorwarnsysteme haben seit dem verhängnisvollen zweiten Weihnachtsfeiertag vor 20 Jahren große Fortschritte gemacht und Forschende sind davon überzeugt, dass bei einer ähnlichen Katastrophe heute deutlich mehr Menschen rechtzeitig gewarnt und Menschenleben somit gerettet werden könnten.

2004 war dies jedoch noch völlig anders: Die Britin Rachel Hearson, die gemeinsam mit ihrem Mann den Tsunami auf der thailändischen Insel Koh Phi Phi überlebt hat, und ihre Erfahrungen auch in der National Geographic-Dokumentation „Tsunami: Wettlauf gegen die Zeit“ teilte, berichtete im Interview, dass niemand von ihnen auch nur ahnte, was für ein Grauen da auf sie zurollte. „Wir hatten gerade das Hotel verlassen“, erzählte sie. Sie hätten sich auf den Weg zum Aussichtspunkt der Insel gemacht, von wo aus man einen „fantastischen Panoramablick“ über die Insel und das Meer hatte. In der Nähe des Marktplatzes hätten sie dann plötzlich Leute laufen sehen und in Panik schreien hören. „Durch die Palmen konnten wir das Wasser nicht sehen, aber plötzlich tauchte es auf und stieg sehr, sehr schnell an.“ Als die Welle sie erfasste, sei es „wie in einer Waschmaschine“ gewesen. Hearson überlebte wie auch ihr Mann, geschätzte 5.000 Menschen verloren in Thailand dagegen ihr Leben.

Wenn das Meer zurückweicht …

Inzwischen haben die Unesco und ihre Partner jedoch ein globales Tsunami-Warnsystem eingerichtet, das den Pazifik, den Indischen Ozean, das Mittelmeer, die Karibik und den Nordostatlantik umfasst. „Dieses System integriert schnelle Erkennungstechnologien, seismische und Meeresspiegelüberwachung sowie den Datenaustausch in Echtzeit, um sicherzustellen, dass Warnungen die Küstengemeinden so schnell wie möglich erreichen“, heißt es vonseiten der Unesco. Durch diese Systeme habe man die Reaktionsfähigkeit der Küstenstaaten gestärkt und die Reaktionszeit stellenweise von mehreren zehn Minuten auf heute nur noch wenige Minuten verkürzt.

Doch nicht nur Warnungen über Radio, Lautsprecher oder SMS sind essenziell, sondern auch das Wissen, mit welchem natürlichen Phänomen sich ein Tsunami ankündigt. Denn wenn sich die Wellen der Küste nähern, wird das Meer aufgrund des dadurch verursachten Vakuumeffekts zunächst zurückgezogen. Zieht sich das Wasser stark zurück, so ist dies eine deutliche Warnung der Natur, dass ein Tsunami naht. Danach dauert es nur noch einige Sekunden oder wenige Minuten, bis die erste Welle an Land trifft.

Überlebende des 2004-Tsunamis im Indischen Ozean berichteten, wie das Wasser entlang der indonesischen und thailändischen Küsten nach und nach teils um bis zu 2,5 Kilometer zurückgegangen sei. Da jedoch nur wenige wussten, was dies bedeutete, blieben viele am Strand, um das Phänomen zu beobachten und gestrandete Fische einzusammeln.

Rachel Hearsons Überlebensgeschichte

„Erst dachte ich, die Welle sei nur ein Einzelgänger. Doch das Nächste, das passierte, war, dass mir das Wasser bis zum Hals stand. Ich musste mit dem Schwimmen beginnen, ich musste meine Tasche mit meiner Kamera wegwerfen, als ich versuchte, über Wasser zu bleiben. CC [Rachels Mann] hing an einem Baum, er schaffte es, sich dort festzuhalten, und ich schrie, dass er mir helfen sollte. Er packte mich an meinem Oberteil, aber mein Riemen riss. Dann wirbelte ich wie in einer Waschmaschine im Wasser herum. Ich versuchte, über Wasser zu bleiben, das Letzte, was ich sah, bevor ich unterging, waren zwei Bungalows, die auf mich zukamen. Dann lag etwas sehr, sehr Schweres auf meinem Kopf. Es fühlte sich an wie ein Betonblock. Ich griff nach oben, um es zu lösen und von mir loszubekommen, aber es gelang mir nicht. Ich war also unter etwas wirklich Schwerem unter Wasser und ich konnte nicht atmen und dachte bei mir: ‚Das war es, ich werde nicht überleben, ich werde sterben. Und: Wird meine Familie jemals erfahren, was mit mir passiert ist?‘ Ich hielt den Atem an, solange ich konnte. Ich weiß nicht, wie lange das war, und dann fing ich an, ein paar Luftblasen auszustoßen. Weil ich Tauchen gelernt hatte, wusste ich, dass man das tut. Gerade als ich die letzten Bläschen auspustete, fand ich eine Luftblase und das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich hochgetrieben und ins Meer geworfen wurde. Und als ich hochkam, befand ich mich inmitten all dieser Trümmer. Es war seltsamerweise ruhig. Ich kann mich nicht erinnern, geschrien zu haben oder so. Ich erinnere mich nur an diese seltsame Stille. Doch dann schrie eine Frau neben mir und wir wurden von einem winzigen Fischerboot aufgesammelt. Ich erinnere mich, wie ich auf dieses Boot stieg – zerschnitten und gequetscht, mit zerrissener Kleidung und verwirrt. Die Leute fragten, was mit mir los sei, und dann fingen ihre Telefone an zu klingeln und sie erhielten Nachrichten von dieser schrecklichen Katastrophe.“
Rachel wurde zurück an Land gebracht und fand dort wie durch ein Wunder ihren Mann wieder, der versuchte, den vielen anderen Opfern der Naturkatastrophe zu helfen. „Er rief den Leuten Befehle zu und ich tippte ihm auf die Schulter und er drehte sich um und sagte: ‚Ich dachte, ich hätte dich verloren.’“ Daraufhin habe sie gesagt: „Ich dachte, ich hätte dich verloren.“ Es sei ein ganz „unglaublicher Moment“ gewesen. (BB)