Sonntag21. Dezember 2025

Demaart De Maart

ForumAlles Banane oder was? Guy Rewenig über ein Nahrungsmittel, das zum irrsinnig teuren Kunstobjekt wurde

Forum / Alles Banane oder was? Guy Rewenig über ein Nahrungsmittel, das zum irrsinnig teuren Kunstobjekt wurde
 Foto: Jitz Jeitz

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Diese Geschichte ist unglaublich, aber wahr: Der italienische Konzeptkünstler Maurizio Cattelan befestigte eine Banane mit Klebeband an einer Wand, nannte das Werk „Comedian“ und bot es zum Verkauf an. Seine Materialkosten: 0,50 Euro. Seine Arbeitszeit: ungefähr eine halbe Minute. Bitte, sagen Sie jetzt nicht voreilig: Das ist keine Kunst, das kann jeder.

Weit gefehlt. Denn Cattelans Banane wurde bei einer Auktion von Sotheby’s in New York für 6,2 Millionen US-Dollar versteigert. Erworben hat sie der chinesische Kryptounternehmer Justin Sun. Beim Kurznachrichtendienst X teilte Sun mit, er wolle die Banane essen, „um ihren Platz in der Kunstgeschichte zu ehren“. So weit die Fakten. Wer sich jetzt an den Kopf greift oder sich die Haare rauft, kann sich dem vernichtenden Urteil nicht entziehen: Er versteht nichts von Kunst. Er ist ein heilloser Ban(an)ause.

Zum Glück gibt es kunstempfängliche Menschen, die sich der revolutionären Bedeutung von Cattelans Werk bewusst sind. Hier wurde nämlich die Parodie auf den Kunstbetrieb, die freche Persiflage, im Handumdrehen selber zur Kunst. Damit schließt sich der Kreis. Wenn raffinierte Kritik am völlig überdrehten Kunstbetrieb nicht länger als eigene Kategorie gilt, sondern von genau diesem Kunstbetrieb vereinnahmt und kapitalisiert wird, ist keine Kunstdebatte mehr möglich. Dann wird am Ende alles zur wahnsinnig teuren Kunst. Wer viel Geld hat, ist dabei. Arme Schlucker haben in den heiligen Kunsthallen nichts verloren.

Kein Gespür für subversiven Sarkasmus?

Diesen Teufelkreis wollte der kunstaffine Luxemburger Jazzmusiker Jitz Jeitz mit einer originellen ironischen Aktion aufbrechen. Er beschloss, Cattelans Werk „à la luxembourgeoise“ weiterzuentwickeln. Mit frischer Tatkraft klebte er sich nicht nur eine, sondern gleich drei Bananen ins Gesicht (getreu dem beliebten ur-luxemburgischen Motto: „Däerf et e bësse méi sinn?“). Seine Kreation mit dem Titel „triptyque sur jazzique“ wartet seither auf finanzkräftige Abnehmer, zum Spottpreis von 3×6,2=18,6 Millionen Dollar. Doch Sotheby’s meldet sich nicht. Warum eigentlich? Immerhin hängen Jeitz’ Bananen nicht an einer banalen Wand, sondern mitten im Antlitz eines begabten Kunstfreundes. Allein von der Motorik her übertrifft die Jeitz-Variante zudem die Cattelan-Vorgabe: Diese Drei-Bananen-Schöpfung ist beweglich, was man von Cattelans immobilem Original nicht behaupten kann. Auf Wunsch kann Jitz Jeitz mit seiner beeindruckenden Bananenfratze an jedem beliebigen Ort auftauchen. Doch es fehlt ganz einfach die Nachfrage. Wieso? Haben wir Luxemburger tatsächlich kein Gespür für subversiven Sarkasmus?

Seit Wochen läuft der bedauernswerte Jitz Jeitz nun mit einer Art Bananenmaulkorb im Gesicht durch die Gegend (siehe Foto). Er gibt nicht auf und hofft immer noch auf minimale kunstbegeisterte Zustimmung. Obwohl seine privaten Probleme sich häufen. Allein das morgendliche Rasieren wird zur waghalsigen Millimeterarbeit.

Das Klebeband richtet die Gesichtshaut zugrunde, die Bananen sind längst angefault und fangen an, ein merkwürdiges Parfüm abzusondern. Ganz zu schweigen von der Qual, das Saxophonmundstück an den Bananen vorbei zwischen die Lippen zu manövrieren, ohne das Kunstwerk aufzuschlitzen. Da Jitz Jeitz auf keinen Fall seine täglichen Saxophonproben aufgeben möchte, nimmt er die Fron auf sich und „fréckelt a stëppelt“, bis er endlich den ersten Ton blasen kann. Die Plagen sind beträchtlich. Jeder Besuch im Supermarkt wird zum Spießrutenlauf. Die Kassiererinnen unterstellen dem Kunstträger regelmäßig, sie mit einer ausgebufften Spielart des Ladendiebstahls überrumpeln zu wollen. Jetzt kommt wieder der Bananenklauer!

Ein bahnbrechendes Kunstexperiment

Liebe Kunstfreunde, erbarmt euch seiner! Ladet ihn wenigstens sporadisch zu einem „Banana Art Evening“ ein. Er wird als Wanderausstellung seiner selbst zu Ihnen nach Hause kommen und Sie fürstlich entlohnen. Nicht nur gewährt er Ihnen einen intensiven Blick aus nächster Nähe auf seine spektakuläre Bananenvisage, er wird Sie auch mit seiner neuesten Saxophon-Komposition „Banann an Ananas“ erfreuen. Fällt Ihnen auf, dass in diesem Titel fünfmal hintereinander die Silbe „an“ vorkommt? Genial! Das verspricht.

Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Goss. Roman“.
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Goss. Roman“.

Zwar sind Jazzmusiker bekannt für ihre legendäre Geduld und Gelassenheit, aber der Zustand der drei Bananen gibt Anlass zur Sorge. Rein äußerlich sehen sie noch irgendwie gelb aus, doch wie’s im Innern ausschaut, lässt sich nur schwer sagen. Man kennt das Phänomen von Politikern: Manche leuchten beruhigend gelb, aber innerlich sind sie vor lauter ideologischer Fäulnis längst braun. Daher eine dringende Empfehlung: Buchen Sie den saxophonisierenden Bananenkünstler – oder den bananisierenden Saxophonvirtuosen – Jitz Jeitz, bevor ihm nur noch vertrocknete Schalen von den Backenknochen baumeln. Es wäre das traurige Ende eines bahnbrechenden Kunstexperiments. Das sollten wir alle gemeinsam verhindern.

Der steinreiche Herr Justin Sun hat übrigens inzwischen seine astronomisch teure Banane verspeist. Vermutlich nimmt er an, dass er selbst zum Kunstwerk geworden ist, indem er sich die Frucht einverleibte. Das könnte allerdings ein schmerzhafter Trugschluss sein. Denn schon beim ersten Gang zum Klo war Schluss mit der verinnerlichten Kunst. Allerdings sollten wir den Kunstbetrieb nicht unterschätzen. Er ist durchaus imstande, auch die widrige Klospülung wiederum zu instrumentalisieren. Wir wären nicht überrascht, wenn demnächst Herrn Suns Kloschüssel mitsamt der angeschlossenen Kanalisation zum Mega-Kunstwerk erklärt würde. Bei Sotheby’s in New York würden erneut die Kassen klingeln. Angesetzter Versteigerungspreis: 53,7 Millionen US-Dollar. Da kann Jitz Jeitz nur bitter lachen. Er trägt neuerdings einen Nasenschutz. Die Zersetzungserscheinungen seiner Bananen sind olfaktorisch nicht mehr auszuhalten.

fraulein smilla
23. März 2025 - 9.19

Vor knapp 65 Jahren fuellte der italienische Kuenstler Piero Manzoni 90 Dosen mit je 30 g seiner Exkremente , nummerierte sie von 1 bis 90 und verschloss sie geruchsfest ab . Er verkaufte alle 90 Dosen zum damaligen Goldpreis fuer 37 Dollar . 2008 wurde bei Sotheby eine dieser Dosen fuer cir 132000 E versteigert . ( Wikipedia -Merda d'Artista ) Die Kunst hat sich eben demokratisiert , Jeder kann heute ein Kuenstler sein .