Dienstag21. Oktober 2025

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French OpenAlcaraz und das Wunder im Jahrhundertspiel: „Lasst das bitte nicht aufhören“

French Open / Alcaraz und das Wunder im Jahrhundertspiel: „Lasst das bitte nicht aufhören“
Mentalitätsmonster Carlos Alcaraz Foto: AFP/Alain Jocard

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In einem Jahrhundert-Finale gewinnt Carlos Alcaraz erneut die French Open. Das Match geht in die Tennis-Geschichte ein – die Alcaraz und der unterlegene Jannik Sinner lange prägen dürften.

Carlos Alcaraz saß neben der legendären Musketier-Trophäe und blickte sie schwer verliebt an. 5:29 Stunden lang hatte er um diesen Silberpott gekämpft, wie noch nie um etwas in seinem Leben. In diesem Jahrhundert-Finale von Paris gegen Jannik Sinner, das nur Gewinner verdient hatte, aber nur einen haben durfte. Einen, der dieses Match eigentlich schon verloren hatte. Jetzt, nach diesen fünfeinhalb Stunden für die Ewigkeit, die gemalt und in den Louvre gehängt gehören, wollte der alte und neue French-Open-Sieger die Magie dieser Nacht endlich in Ruhe genießen.

„Dieses Spiel hatte einfach alles. Ich überlasse anderen, wo sie es in der Tennis-Geschichte einordnen. Ich bin einfach stolz auf Jannik und mich“, sagte der 22-jährige Spanier. Die blanken Zahlen – 4:6, 6:7 (4:7), 6:4, 7:6 (7:3), 7:6 (10:2) – des längsten Endspiels der Roland-Garros-Historie fangen dessen Zauber kaum ein. „Es war Wahnsinn, es war unwirklich“, sagte Alcaraz.

Der Comeback-König aus dem Städtchen El Palmar bei Murcia hatte aus einer ausweglosen Situation noch die Route zu seinem fünften Grand-Slam-Titel gefunden, den Highway to Heaven. Auf den Tag genau in dem Alter, in dem einst Rafael Nadal sein fünftes Major-Turnier gewann. „Das ist doch Schicksal“, sagte Alcaraz: „Lasst das bitte nicht aufhören!“

„Tut dem Tennis gut“

Dass er und der Weltranglistenerste Sinner (23), die sich so dramatisch und höchstklassig beharkten, wie kaum zwei Spieler je zuvor, in naher Zukunft nachlassen, ist auch unwahrscheinlich – es wird nicht aufhören. „Was wir heute gemacht haben“, sagte Sinner nach seinem ersten verlorenen Grand-Slam-Finale trotzig-stolz, „tut dem Tennis gut.“

Über diesen Sonntagnachmittag am Bois de Boulogne werden womöglich dereinst Bücher geschrieben und Netflix-Serien gedreht werden, und jene, die live dabei waren, ihren Enkeln davon erzählen. „Es ist nicht mit Worten zu erklären“, rief Boris Becker ins Eurosport-Mikrofon: „Was für ein Match, was für ein Finale!“ Alcaraz-Sinner, das reihte sich, was die Dramaturgie anbetrifft, in die allergrößten Sportstunden ein: Thrilla in Manila, Nacht von Sevilla, Lemond-Fignon 1989, Powell-Lewis 1991.

Sinner hatte den Triumph dicht vor Augen, im vierten Satz drei Matchbälle. Nach Matchbällen gegen sich hatten zuvor nur zwei Spieler ein Major-Finale gewonnen: Gaston Gaudio (Paris 2004) und Novak Djokovic (Wimbledon 2019). Alcaraz, dieses Mentalitätsmonster, ist nun der Dritte.

Sinners Dopingsperre als Randthema

„Ich glaube immer an mich. Furcht hilft nicht weiter“, sagte er. 106 Minuten nach Sinners erstem Matchball war er am Ziel. Die endgültige Wendung eines schwindelerregenden Spiels. Tennis, bloody hell! Hätte Alex Ferguson gesagt, muss Jannik Sinner gedacht haben.

Und dennoch musste man inmitten dieser Euphorie um dieses sagenhafte Spiel eine Hintergrundinformation immer mitdenken: Sinner ist jemand, der nur 35 Tage vor diesem Finale aus dreimonatiger Dopingsperre entlassen wurde. Das war in Paris maximal Randthema. Was dem Tennis leider nicht gut, der künftigen Begeisterung aber wohl auch keinen Abbruch tut.

Was diese French Open letztlich auch zeigten: Die Djokovic-Generation tritt endgültig ab, die Alcaraz-Sinner-Generation hat übernommen. Und die Generation dazwischen, zu der auch der im Paris-Viertelfinale gescheiterte Alexander Zverev gehört, droht eine verlorene zu werden: In den 1990ern geborene Spieler haben bislang nur zwei Grand-Slam-Titel gewonnen: Thiem einen, Medwedew einen. (SID)

Gauff siegt für US-Amerikaner, „die aussehen wie ich“

French-Open-Siegerin Coco Gauff hat nach ihrem Triumph in Paris eindringliche Worte in Richtung ihrer Heimat USA gerichtet. „Offensichtlich geht ja gerade in unserem Land eine Menge vor. Ich bin sicher, ihr wisst Bescheid“, sagte die 21-Jährige nach dem Finalsieg gegen Aryna Sabalenka: „Deshalb bedeutet es mir viel, dass ich hier Menschen in Amerika repräsentieren kann, die so aussehen wie ich, die sich in dieser Zeit vielleicht nicht so unterstützt fühlen, dass ich ein Spiegelbild der Hoffnung und des Lichts für diese Menschen sein kann.“ Gauff stammt aus einer Familie, die sich seit Generationen für die Gleichberechtigung und andere Belange Schwarzer in den USA eingesetzt hat. Ihre Großmutter Yvonne Lee Odom war die erste schwarze Schülerin in der Highschool ihres Heimatortes in Florida und musste dafür sehr kämpfen. Gauff selbst setzte sich für die „Black Lives Matter“-Bewegung ein. Unter der neuen Regierung von US-Präsident Donald Trump werden im Rahmen des Kampfes gegen „Wokeness“ Programme und Initiativen zu Diversität und Inklusion gezielt zurückgefahren. Darunter leiden auch schwarze Bevölkerungsgruppen. Aus ihrer Heimat trudelten für Gauff sogleich warme Glückwünsche zum Coup von Paris ein. „Du hast uns alle stolz gemacht“, teilte Ex-Präsident Barack Obama bei X mit, seine Frau Michelle schrieb: „Deine Entschlossenheit, Stärke und Anmut während der French Open haben uns alle inspiriert – und uns gezeigt, was möglich ist. Ich bin stolz auf dich!“