Cirque du LuxAdrenalin und Leidenschaft: Die Artisten Micaela und Matias im Gespräch

Cirque du Lux / Adrenalin und Leidenschaft: Die Artisten Micaela und Matias im Gespräch
Ohne Netz und doppelten Boden: das Duo Sirca Marea Fotos: Editpress/André Feller

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Fliegen war schon seit jeher ein Traum der Menschen und begeistert heute noch immer. Dazu bedarf es nicht mal unbedingt eines Fluggeräts. Manche Menschen, wie etwa das Duo Sirca Marea, das noch bis zum 8. Januar das Publikum im Cirque du Lux begeistern wird, bevorzugen es, ihren eigenen Körper fliegen zu lassen. Das Tageblatt unterhielt sich mit den Luftakrobaten des Adventszirkus.

Die beiden Luftakrobaten Micaela Leitner (29) und Matias Cienfuegos (36) sind seit vier Jahren verheiratet und treten gemeinsam unter dem Namen Sirca Marea auf. Micaela, mit österreichischen Wurzeln, wurde in Argentinien geboren. Dort absolvierte sie eine Ausbildung zur Luftakrobatin. In ihrer bisherigen Karriere arbeitete sie für spanische, argentinische und französische bekannte Kompanien und Zirkusse.

Matias Cienfuegos, in Chile geboren, ist ein vielseitiger Mensch. Er studierte Psychologie und absolvierte gleichzeitig Ausbildungen in der Luftakrobatik. Als vielseitiger Künstler, mit kroatischer Staatsbürgerschaft, ist er um die Welt gereist, um sich in Argentinien und später in Belgien weiterzubilden. Seitdem hat er für verschiedene Kompanien, Festivals und Zirkusse in Chile, Argentinien, Frankreich und Spanien gearbeitet. Als er Micaela kennenlernte, gründeten sie Sirca Marea. Seither reisen die beiden als Duo um die Welt und wissen bestens, wie sie dem Publikum den Atem mit ihren spektakulären Nummern rauben.

Tageblatt: Die meisten Zirkusmenschen entstammen Zirkusfamilien, oftmals über mehrere Generationen. Bei euch beiden ist das nicht der Fall. Wie kamt ihr eigentlich zum Zirkus?

Micaela Leitner: Das war vor ca. 15 Jahren. In meiner Schulzeit widmete ich mich der Gymnastik und insbesondere der Luftakrobatik. Ich war begeistert, und so entschied ich mich für ein Leben in der Welt der Show und des Zirkus.

Matias Cienfuegos: Bei mir war es eher Zufall. Ein Freund lud mich in die Zirkusschule zu Workshops und Proben ein. Dort entdeckte ich als Erstes das Trapez. Das Gefühl dort oben war einfach überwältigend, einfach so in den Seilen und am Trapez zu schweben. Bei einem Sprung fliegt man, auch wenn es nur für eine Sekunde ist. Das Gefühl von Freiheit, vom Fliegen, wurde zu meiner Leidenschaft. Und diese teilen wir uns jetzt zu zweit.

Ihr beiden liebt das Gefühl der Freiheit beim Fliegen. Kann man dieses Gefühl nicht viel einfacher durch einen Fallschirmsprung oder in einem Flugzeug erfahren?

Micaela: Nein, das ist nicht das Gleiche. Du hast wohl einen Einfluss auf die Entscheidung, zu fliegen oder zu springen. In der Luftakrobatik hingegen steuere ich selbst meinen eigenen Körper, ich übe die Kontrolle auf das aus, was ich tue. Im Flugzeug oder beim Fallschirmspringen ist man von der Technik abhängig.

Matias: Luftakrobatik heißt an seine Grenzen gehen, mit der Physik arbeiten und die Gravitation überlisten. Immerhin sind unsere Positionen, in denen wir arbeiten, nicht natürlich. Wir müssen also das Gleichgewicht und unsere Muskeln nutzen, um fliegen zu können, auch wenn es nur für eine Sekunde ist.

Kann man daraus schlussfolgern, dass Gymnastik und Fitness alleine in der Luftakrobatik nicht ausreichend sind?

Micaela: Ja, in der Tat, die Technik und die Körperbeherrschung sind sehr wichtig. Man lernt im Laufe der Zeit, wie man die Spannung im Körper aufbaut, welche Muskeln man gezielt zu einem bestimmten Zeitpunkt beansprucht. Ein Fehler reicht aus, und schon ist die Schwerkraft dein Gegner.

In der Luftakrobatik ist die Gefahr eines Sturzes ein ständiger Begleiter. In einem Paar oder einer Gruppe muss jeder dem anderen blind vertrauen können, jeder Griff muss sitzen. Wie baut man dieses Vertrauen auf?

Micaela: Vor allem muss man sehr konzentriert arbeiten und viel mit dem Showpartner zusammenarbeiten. Es ist wie in einer Gesellschaft, in der man dem anderen vertraut und alle Karten auf den Tisch legt, die man hat. Der Showpartner tut das Gleiche. Das gegenseitige Vertrauen baut einen auf und gibt dir die Gewissheit, dass man etwas schaffen kann.

Matias: Auch dein Umfeld, deine Familie, deine Freunde stärken dich. Und wenn du oben bist, fokussierst du dich auf deinen „Job“, deine Handgriffe, deine Technik. Du gibst dein Maximum, damit dein Partner erfolgreich ist.

Micaela: Ich denke und arbeite in positiven Schwingungen und Gedanken und stärke so mein Selbstvertrauen. Und ich arbeite daran, dass ich meinen Traum vom Showleben weiterführen kann. Das gibt mir Kraft und Stärke, um jeden Tag weiterzumachen.

Wie geht ihr eigentlich mit Ängsten oder der potenziellen Gefahr um?

Matias: Du darfst nicht in der Gefahr, in der Angst oder im Negativen denken. Dein Fokus richtet sich auf das Gelingen, die Sicherheit. Vor jedem Auftritt, vor jeder Probe überprüft man die Technik, die Seile, die Netze. Danach konzentriert man sich auf sich, aufs Gelingen, auf deinen Körper und vor allem auf das wunderbare Gefühl vom Fliegen, von Freiheit. „Satisfaction is the moment you’re flying.“ Und wenn man trotzdem mal einen schlechten Tag hat, kenne ich als Psychologe etliche Meditations- und Yogatechniken, um dem entgegenzuwirken.

Micaela und Matias sind auch privat ein Paar
Micaela und Matias sind auch privat ein Paar Foto: André Feller

Hier im Cirque du Lux arbeitet ihr mit Sicherheitsleinen. Hat das einen bestimmten Grund? Hindert euch das nicht bei der Arbeit?

Micaela: Normalerweise arbeiten wir mit Fangnetzen für den Fall, dass mal einer stürzt. Die Gegebenheiten des Zeltes hier in Luxemburg ermöglichen aber keine Nutzung des Netzes. Also haben wir uns zusammen mit dem Cirque du Lux für die Absicherung mittels Sicherheitsleinen entschieden. Diese sind manchmal hinderlich, die eigene Sicherheit jedoch hat Vorrang.

Was ist euer Zukunftswunsch?

Micaela: Wir wollen unser jetziges Leben weiterleben, um die Welt reisen, die Menschen mit unserer Luftakrobatik begeistern und weiterhin Show- und Zirkusluft schnuppern. Für uns gibt es nichts Schöneres.

Matias: Zumindest wollen wir dies tun, solange unsere Gesundheit es zulässt, denn Luftakrobatik verlangt dem Körper viel ab. Später kann ich immer noch eine Praxis als Psychologe eröffnen.

Solasta: Vom Kunstturnen zum Zirkus

Die Truppe Solasta ist noch recht jung. Während der Pandemie fanden sich sieben junge Kunstturner aus Frankreich und Belgien zusammen. An Wettbewerben und Meisterschaften trafen sie immer aufeinander. Als während der Pandemie das Showgeschäft zusammenbrach, entschied sich der 32-jährige Jordan dazu, mit mehreren professionellen Kunstturnern die Gruppe Solasta zu gründen. Jordan beispielsweise schnupperte schon zuvor in einer Soloshow die Zirkusluft im Cirque du Soleil. 2021 rief der Fernsehsender M6 die Gruppe Solasta auf, sich an einer TV-Show zu beteiligen. Seither reist Solasta umher und begeistert das Publikum mit ihrer spektakulären Show.

Tageblatt: Wie kamt ihr eigentlich dazu, im Zirkus aufzutreten?

Jordan: Wir fünf stammen aus dem professionellen Kunstturnen. Dort war die russische Schaukel bereits Bestandteil unseres Alltags. Eigentlich unterscheidet sich in unserem Fall das Kunstturnen nicht sehr von unserer Show. Dass wir im nun hier im Zirkus gelandet sind, ist eher Zufall. Es ist eigentlich unser erster Auftritt in einem klassischen Zirkus. Im Vorfeld waren es manchmal Gelegenheitsjobs, die uns zum Zirkus brachten.

Wieso habt ihr euch für die russische Schaukel entschieden und nicht etwa für andere Darbietungen im Zirkus?

Die russische Schaukel ist sehr spektakulär. Mit entsprechender Technik kann man die schwingende Plattform 360° um die horizontale Stange drehen. Dank der Zentrifugalkraft lassen sich so spektakuläre Salti und Stunts realisieren. Das führt zu einem starken Adrenalinschub, es ist einfach das Adrenalin, was uns täglich antreibt. Wir traten schon zuvor als Artisten auf, und so lag es auf der Hand, jene Instrumente einzubauen, die wir seit jeher beherrschen.

Habt ihr eigentlich eine andere Berufsausbildung oder ist das Showgeschäft euer Haupteinkommen?

Die Ausbildung zum professionellen Kunstturner verlangt sehr viel ab. Da bleibt keine Zeit, einer anderen Berufsausbildung nachzugehen. Das Showgeschäft ist unser Beruf, unser Traum.

Was ist eigentlich am wichtigsten beim Training?

Ausschlafen und Ruhen. Das sind die Grundvoraussetzungen, die notwendig sind, diese körperliche Leistung zu erbringen. Der Rest ist Training, Fitness und Technik. Alle Elemente sind von Bedeutung.

Wie sieht eure Zukunft aus?

Auf jeden Fall wollen wir weitermachen. Wir sind dabei, neue Konzepte zu entwickeln, und wir haben bestimmte Perspektiven und Projekte in Aussicht. Es ist es aber noch zu früh, um darüber zu reden.

Solasta über der Manege
Solasta über der Manege Foto: Editpress/André Feller