Der britische Filmemacher und Drehbuchautor Alex Garland zeigt in seinen Filmen immer wieder Kipppunkte, die auch Grenzerfahrungen sind. Überschreitungen, die er bisher mittels apokalyptischer Szenarien beschrieb. Garland ist ein zweifelnder Beobachter des menschlichen Fortschritts, des technologischen in „Ex Machina“ (2014) sowie des Anthropozäns in „Annihilation“ (2018), – und des gesellschaftlichen Rückschritts: in Form der patriarchalen Hegemonie in „Men“ (2020) und der innerstaatlichen Kriegsgewalt in „Civil War“ (2024). Gerade letzterer untersuchte die Medialisierung von Gewalt und den Status der Bilder im Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen.
In „Civil War“ schilderte Garland einen fiktiven Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten von Amerika. Aus der Sicht eines Teams von Journalisten konfrontierte Garland sein Publikum mit diversen ethischen und moralischen Positionen bezüglich der Kriegsberichterstattung und der Kriegsfotografie im Spezifischen. Garland deutet so das Kriegsbild auch als einen Bilderkrieg: Immer noch näher an der Kriegshandlung müssen die Reporter sein, den besten Blickwinkel muss man einnehmen, bevor das Bild geschossen und der Moment eingefroren werden kann. Dabei verwischen die Grenzen zwischen komplexer Kunstform und nüchterner Berichterstattung zunehmend, die mediale Gewalt und die Repräsentation von Krieg in den Medien dabei immerzu mitdenkend.
Zur Auseinandersetzung gezwungen
Mit „Warfare“, seinem neuen Film, der nur lose im Kontext des Irak-Kriegs zu verorten ist, verlagert Garland seinen Fokus, indem er den bildtheoretischen Aufbau für einen drastischeren Zugang aufgibt. Sein zentrales Anliegen: Die körperlichen und emotionalen Auswirkungen von Kriegsgewalt direkt vermitteln. Der Navy-Seals-Veteran Ray Mendoza, der mit Garland bereits für „Civil War“ zusammenarbeitete, assistierte ihm in „Warfare“ auch bei der Regie: Aus seiner unmittelbaren Erfahrung wurde der Film gestaltet, aus seiner Erinnerung wurde das Geschehen filmisch vielmehr nachgestellt, als tatsächlich inszeniert. Gegenstand der Erzählung ist eine Militäroperation, die sich am 19. November 2006 in der irakischen Stadt Ramadi ereignete und im Wesentlichen die Sicherstellung eines strategisch günstig gelegenen Hauses umfasste, die jedoch schnell in ein desolates Rückzugsmanöver überging.
Garland ist an einer ideologischen Aufarbeitung des Irak-Krieges überhaupt nicht interessiert – Ansätze einer größeren Kontextualisierung, die nach der Legitimation oder den Verwerfungen dieses spezifischen und überaus umstrittenen Krieges fragt, strebt er gar nicht erst an. Durch die bewusste Entscheidung, sich nicht auf traditionelle narrative Strukturen zu stützen, sondern stattdessen einen unmittelbaren, erfahrungsbasierten Zugang zu wählen, schafft Garland eine herausfordernde Perspektive auf den Kriegsfilm. Somit präsentiert sich „Warfare“ als eine Überlegung, die eigene Beziehung zu den Bildern und den dargestellten Gewaltszenen kritisch auszuwerten. Seinen Realismuseffekt gewinnt „Warfare“ über die formale Gestaltung der Erzählung. Handgetragene Kamera, desorientierendes Sounddesign, schreiende Soldaten in Todesqualen – Garland erreicht eine enge perspektivische Anbindung an die Erlebnisse der Soldatengruppe, die an die reale Zeit des geschilderten Tages angelehnt sind. So wird ein Gefühl der Authentizität erzeugt, das das Publikum auffordert, sich mit den Schrecken des Kriegs auseinanderzusetzen. Garlands Zugriff hat etwas ungemein Zwingendes, er zielt auf eine direkte Filmerfahrung, die beim Sehen und Hören dieses 90-minütigen Ereignisses wehtun soll.
De Maart
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