Freitag31. Oktober 2025

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Luxemburg60 Jahre Planning familial: Der Kampf geht weiter

Luxemburg / 60 Jahre Planning familial: Der Kampf geht weiter
Der Planning familial begeht 2025 seinen 60. Geburtstag Fotos: Théo Mey, Photothèque VDL/Anouk Flesch

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Es ist jedenfalls ein Grund zum Feiern, wenn der Planning familial 2025 seinen 60. Geburtstag begeht. Das Jubiläum bietet jedoch auch Anlass für einen Rückblick auf die Kämpfe und Errungenschaften der Bewegung sowie einen Ausblick auf neue Herausforderungen, die vor allem unter dem in vielen Ländern stattfindenden Rechtstrend nicht weniger geworden sind.

„The Times They Are a-Changin’“, so heißt nicht nur ein Song von Bob Dylan, 1964 auf dem gleichnamigen Album veröffentlicht und 1965 als Single herausgekommen. Zeiten ändern sich, heißt es lapidar – und die 60er Jahre, die häufig mit Rebellion und Aufbruchstimmung in Verbindung gebracht werden, waren gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch, verglichen mit heute und zumindest hierzulande, definitiv noch stockkonservativ. Um daran etwas zu ändern, bedurfte es einiger Visionäre, weiß Ainhoa Achutegui, die Präsidentin des Planning familial. Als sie zu ihrer Rede in den Räumen der Anlaufstelle für sexuelle Gesundheit und Aufklärung in der Hollericher rue de la Fonderie ansetzt, ist sie sich durchaus bewusst, dass in der Gegenwart eine gegenaufklärerische Bewegung wieder das Rad der Zeit zurückdrehen möchte und momentan eine gesellschaftliche Rückentwicklung droht.

Ainhoa Achutegui, Präsidentin des Planning familial
Ainhoa Achutegui, Präsidentin des Planning familial Foto: Editpress/Georges Noesen

Umso besser ist es daher, gerade in diesem Moment an die Gründergeneration des Planning zu erinnern und an die Kämpfe, die damals ausgetragen werden mussten. Denn das Umfeld derer, die für sexuelle Aufklärung und Frauenrechte kämpften, war alles andere als einfach. Die 60-jährige Geschichte, die dieses Jahr in mehreren Etappen gefeiert wird, ist nicht zuletzt auch ein Stück Geschichte von 60 Jahren Feminismus in Luxemburg. Das „Mouvement luxembourgeois pour le planning familial“ sei von den Gegnern damals als Angriff auf die Familie betrachtet worden, sagt Achutegui.

Umso höher ist der Einsatz der 17 Männer und sechs Frauen zu bewerten, die den Planning im Juni 1965 ins Leben riefen, weiß sie, und die für ihre Zeit sehr fortschrittlich waren, unter anderem Robert Angel, Henri Clees, Kina Fayot, Nic Klecker, Robert Krieps und Jacques F. Poos. Damals war dem Mouvement noch der Begriff „Famille heureuse“ vorangestellt. Was nach dem Ramones-Klassiker „We’re Happy Family“ klingt, war damals das Maß aller Dinge. Schließlich galt die Familie als eine tragende Säule der Gesellschaft und schien den eifrigsten Verteidigern der familiären Werte durch Fortschritt und Sexualaufklärung bedroht. Die Sexualität war vielen jungen Leuten noch ein Buch mit sieben Siegeln, Erektion und Orgasmus waren ungelöste Rätsel. Zumindest bis zur sexuellen Revolution im Zuge der 68er-Bewegung, die an Luxemburg größtenteils vorbeiging.

Visionäre der Aufklärung

Die genannten Pioniere oder gar Visionäre der Aufklärung propagierten jedoch die Familienplanung als Grundlage einer glücklichen Partnerschaft, was – heute kaum vorstellbar – schon allein ein Tabubruch darstellte. Achutegui erzählt – sie selbst ist Jahrgang 1978 –, wie die Aktivisten des Planning in Fabriken, Geschäfte und sogar zur Armee gingen, um die Menschen dort über das sexuelle Basiswissen aufzuklären und ihnen etwas zu vermitteln, was heute selbstverständlich erscheint. Eines der wichtigsten Ziele war von Anfang an die Entobjektifizierung der Frauen, betont die Planning-Präsidentin. Sie nennt einige Meilensteine, zu denen etwa die Reform des Abtreibungsgesetzes und die Kostenübernahme fast aller Verhütungsmittel durch die Krankenkasse gehörte, aber auch die Sexualaufklärung an den Schulen gehört zu den Errungenschaften.

Fatima Rougi, Sekretärin des Planning-Verwaltungsrats
Fatima Rougi, Sekretärin des Planning-Verwaltungsrats Foto: Editpress/Georges Noesen

Es sind einige fundamentale Rechte der Frauen, die erstritten wurden. So sagt etwa Fatima Rougi, die Sekretärin des Planning-Verwaltungsrats: „Das Recht auf Abtreibung ist kein Privileg, sondern ein grundlegendes Recht.“ Sie bringt es auf den Punkt, auch als sie abschließend sagt: „Notre corps, notre choix, notre liberté.“ Angesichts der genannten jüngsten Tendenz gilt, so Ainhoa Achutegui, nach wie vor: „Wir kämpfen weiter für eine Gesellschaft, in der jeder seine Sexualität frei ausleben kann, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen.“ Seit dem Einsatz der Pionierinnen und Pioniere der Gründerzeit hat sich der Planning stark verändert im Sinne einer Erweiterung der Aufgabenbereiche und der Professionalisierung. Direktorin Céline Gérard hat ein Team von etwa 40 Personen zur Verfügung.

Vor der eigentlichen Gründung im Juni hatte Dr. Henri Clees im Januar 1965 einen Vortrag im Bonneweger Gewerkschaftscasino zum Thema „Harmonische Ehe und Familienplanung“ gehalten, der Vortrag wurde im darauffolgenden Monat in der Escher „Maison du peuple“ wiederholt. Die erste offizielle Veranstaltung des „Mouvement“ war eine Podiumsdiskussion über Sexualerziehung am 29. April 1965. Kurz darauf, am 1. Juni 1965, kam es zur konstituierenden Sitzung. Im Jahr darauf wurde Luxemburg beobachtendes Mitglied der Internationalen Föderation für Familienplanung (IPPF) bei deren Weltkongress in Kopenhagen. Aufgrund von Meinungsverschiedenheit, die es mit Clees um das Zentrum für Familienplanung gab, das am 27. Mai 1967 in der Avenue Pescatore eröffnet wurde, übernahm René Gregorius die Präsidentschaft bis 1981.

Herausragende Persönlichkeit

Unter den Gründerinnen und Gründern ragt vor allem Marie-Paule Molitor-Peffer heraus. Die Ärztekammer strengte gegen die 1929 geborene Gynäkologin eine Disziplinarprozedur an und lief Sturm gegen die Schaffung von Zentren des Planning familial. Überhaupt kam es immer wieder zu Feindseligkeiten seitens der Ärzteschaft, die sich gegen die Anwesenheit eines Arztes im Zentrum des Planning ausgesprochen hatte. Rechtsanwalt Robert Krieps verteidigte Molitor-Peffer, die Affäre landete sogar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Von 1981 bis 1992 war Molitor-Peffer Präsidentin des Planning familial. Außer für eine moderne Sexualerziehung, für den Zugang zu Verhütungsmitteln und für die Entkriminalisierung der Abtreibung engagierte sie sich gegen sexualisierte Gewalt und gegen Kindesmissbrauch.

Céline Gérard, Direktorin des Planning familial
Céline Gérard, Direktorin des Planning familial Foto: Editpress/Georges Noesen

Der Planning familial wurde auf Initiative der damaligen Familienministerin Madeleine Frieden-Kinnen ab 1972 vom Staat subventioniert. 1974 erkannte die damalige sozialliberale Regierung den Planning offiziell an. Ärzte wurden auf Honorarbasis bezahlt, ebenso eine Eheberaterin und ein Psychologe. Zusätzlich zum Zentrum in der Hauptstadt entstanden weitere Anlaufstellen der Organisation in Esch und Ettelbrück. Die Personalgehälter übernahm das Familienministerium. Die Zentren wurden in der 1978 reformierten Gesetzgebung zur Abtreibung, sicher auch einer der Meilensteine, gesetzlich verankert. Die sozialliberale Regierung hatte sich mit ihrer parlamentarischen Mehrheit durchsetzen können, der Gesetzentwurf wurde angenommen. Ein Rückschlag bedeutete hingegen, als 1979 das Familienministerium die Verteilung der Planning-Broschüre „Lieben“ an Sekundarschulklassen stoppte. Seit den 80er Jahren bietet der Planning psychologische und Familienberatung an, seit den 90ern auch Aidsberatung.

Der Kampf geht auch nach 60 Jahren voller Siege und Errungenschaften, aber auch Niederlagen und Rückschlägen weiter. Bezüglich der Frauenrechte gibt es noch immer viel Luft nach oben. Dessen ist sich Ainhoa Achutegui, die vor zehn Jahren die Präsidentschaft von Danielle Igniti übernahm, bewusst. Zum einen gilt es weiter, die geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, aber auch der Objektifizierung der Frauen, etwa in der Pornoindustrie, entgegenzutreten. Weitere Herausforderungen seien, so die Präsidentin, dass auch Kondome als Verhütungsmittel vergütet werden, also einen universellen Zugang zur Empfängnisverhütung. Vor allem aber die Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch und der Sexualerziehung in die Verfassung. Das wäre ein besonderer Meilenstein für den Planning familial, der längst zu einer Institution geworden ist – und nicht mehr aus der luxemburgischen Gesellschaft wegzudenken ist.

Das Planning für 60 Jahre Planning

Céline Gérard, Direktorin des Planning familial, stellte eine Reihe von Veranstaltungen im Jubiläumsjahr vor. Auszüge daraus:
– 16. April: Informationstag über Endometriose
– 17. April: Konferenz zum Thema Schwangerschaftsabbruch
– 6. Mai: Theaterstück „Sexetera“
– 20. Mai: Generalversammlung
– 28. Mai: Internationaler Tag der Gesundheit der Frauen
– 18. Juni: Tag der offenen Tür im Planning-Zentrum in Luxemburg-Stadt
– 25. Juni: Offizielle Zeremonie zum 60. Geburtstag
– ab 15. September: Theaterstück „Le poil incarne“
– 1. Oktober: Sexualität ab den Wechseljahren
– Ab Oktober: Ausstellung über Menstruation „Et leeft“
– 18. November: Table Ronde über den Platz des Mannes in der sexuellen Gesundheit
Weitere Infos unter: https://pfl.lu/nous-fetons-nos-60-ans/