MoselregionDürre-Dauerstress für Reben und Winzerschaft: Es regnet, wenn es regnen will …

Moselregion / Dürre-Dauerstress für Reben und Winzerschaft: Es regnet, wenn es regnen will …
Auf den Regen warten auch die Reben

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Ganz so einfach, wie der Titel es vermuten lässt, ist es natürlich nicht. Die Luxemburger Winzerschaft wartet seit Wochen, eigentlich seit Monaten, auf das ersehnte Nass aus den Wolken. Die meteorologischen Vorhersagen unterstützen diese Hoffnung allerdings nicht. Das Tageblatt hat sich das Lesegut in den Rebhängen angeschaut und sich mit Experten über die aktuelle Lage unterhalten.

Wir sind unterwegs entlang der Luxemburger Mosel und sehen uns die eine oder andere Parzelle entlang der „Route du Vin“ und in den höheren Weinbergslagen an. Der Schein trügt nicht: Die meisten Rebanlagen machen noch einen guten Eindruck, vornehmlich jüngere Anpflanzungen leiden offensichtlich mehr unter dem anhaltenden Trockenstress. Wir hinterfragen den aktuellen Status quo in Wormeldingen bei Erny Schumacher, Präsident der Luxemburger Privatwinzervereinigung (OPVI). „Der fehlende Regen macht uns und in erster Linie den Reben aktuell sehr zu schaffen. Die Jungpflanzen beispielsweise, von denen jetzt die erste Ernte zu erwarten ist, sind von der Trockenheit am stärksten betroffen. Meine Kollegen und auch ich behelfen uns da seit Wochen mit Handbewässerung, die alten Reben haben durch ihr tiefer gehendes Wurzelwerk eher noch die Möglichkeit, an Wasser zu kommen“, erklärt Schumacher.

Die Moselregion ist für den Weinanbau bekannt 
Die Moselregion ist für den Weinanbau bekannt 

„Das Lesegut hat dennoch eine ansprechende Größe, bedingt durch die relativ frühe Blüte im Frühjahr, die uns etwas Vorsprung verschafft hat. Die meisten Kollegen haben daher auch nicht oder nur wenig entblättert, um einen Sonnenbrand zu vermeiden. Die zu erwartende Qualität wird gut sein, es wird jedoch eher eine kleinere Menge geben als in durchschnittlichen Erntejahren, da die Trauben kaum Saft enthalten werden.“

Erny Schumacher, Präsident der Luxemburger Privatwinzervereinigung (OPVI)
Erny Schumacher, Präsident der Luxemburger Privatwinzervereinigung (OPVI)

Sehr geringer Infektionsdruck

Gleichermaßen betroffen von den klimatischen Verhältnissen sind auch die rund 300 Winzer im Land, die der Genossenschaftskellerei „Vinsmoselle“ mit ihren Ernteerträgen beliefern. Genossenschafts-Präsident Josy Gloden schildert uns seine Eindrücke der Lage sowie die Erwartungshaltung über das bevorstehende Ernteresultat. „In diesem Jahr haben wir es mit einer enormen und lang anhaltenden Trockenheit zu tun. Durch die lange Trockenperiode hatten wir dieses Jahr einen sehr geringen Infektionsdruck von den üblichen Pilzkrankheiten. Dadurch haben wir natürlich einige Spritzungen einsparen können“, so Josy Gloden.

Genossenschafts-Präsident Josy Gloden
Genossenschafts-Präsident Josy Gloden

„Die Lage ist als relativ kritisch zu betrachten, insbesondere bei den Jungpflanzen. In Junganlagen haben wir zum Teil die Trauben schon auf den Boden geschnitten, sodass der Stock noch überleben und Fruchtruten fürs nächste Jahr bilden kann. Wir haben auch angefangen, die Junganlagen mit Wasser zu versorgen, aber nicht mit Trinkwasser, sondern mit Grundwasser. Ältere Anlagen zeigen zurzeit weniger Trockenschäden, da die Wurzeln tiefgründiger sind und sich aus der Tiefe mit etwaiger Feuchtigkeit und Nährstoffen versorgen können.

Durch die enorme Trockenheit geht der Reifeprozess etwas langsamer voran, aber schätzungsweise würde ich sagen, dass der Lesebeginn um den 10. September sein wird. Die Erntemenge hängt letztlich vom erhofften Regen in den nächsten Wochen ab. Zur Qualität bemerke ich immer gerne: eine trockene Vegetationsperiode neigt zu einem super Jahrgang.“

Bescheidenheit ist angesagt

Auch Corinne Kox, Betriebsleiterin im Domaine Laurent & Rita Kox in Remich, gewährt uns einen Einblick in ihre geplagte Winzerseele.

„In den neu angepflanzten Junganlagen wäre die Situation sehr kritisch, wenn wir nicht regelmäßig bewässern würden. Wir haben im Frühling drei Parzellen neu angepflanzt. Diese einjährigen Reben haben wenige und kurze Wurzeln. Sie würden demnach dieses Jahr ohne Bewässerung vertrocknen. Die bis zu zehnjährigen Reben haben noch nicht genug Wurzelwerk und leiden deshalb auch unter Trockenstress. Ältere Rebbestände mit starker Durchwurzelung halten diesem Wetter besser stand. Trockenstress wird auch in älteren Anlagen sichtbar, z.B. durch Verfärbung der Blätter, geringes Wachstum der Triebe usw. Abgesehen von Wasserstress gab es, bedingt durch die hohen Temperaturen in den letzten Wochen, teilweise auch Verbrennungen einiger Beeren und Blätter. Allgemein hat 2022, wie jedes Jahr, seine eigene Handschrift. Wenn man, wie der Bauer oder der Winzer, vom Wetter abhängt, heißt es, sich dem anzupassen. Es lehrt einen eine gewisse Bescheidenheit gegenüber einer höheren Gewalt“, erklärt Corinne Kox.

Corinne Kox, Betriebsleiterin im Domaine Laurent & Rita Kox
Corinne Kox, Betriebsleiterin im Domaine Laurent & Rita Kox

Zur Bewässerung der Parzellen hat Corinne Kox jedoch eine anders lautende Meinung als die vieler Kollegen. „Wir arbeiten nicht mit Bewässerungsanlagen. In Jahren wie 2022 ist es sicher eine Herausforderung. Doch mit weniger Eingriffen werden die Weine authentischer und erzählen die Geschichte des Jahrganges. Jahre wie diese werden häufiger. Bei regelmäßiger Bewässerung werden die Pflanzen sich nicht an dieses Klima gewöhnen können. Leider müssen wir und die Pflanzen uns auf trockenere Jahre einstellen.“

Zur Frage nach Qualität und zu erwartender Erntemenge erklärt sie uns: „Da unsere Weine kein standardisiertes Produkt, sondern ein Naturprodukt sein sollen und den Jahrgang authentisch widerspiegeln sollen, ist das Wetter bzw. das Klima ein wesentlicher Bestandteil des Jahrgangseffekts. Das Wachstum der Reben ist dieses Jahr bereits mindestens eine Woche vor dem langjährigen Mittelwert, welcher durch einen frühen Start ins Frühjahr bedingt war. Punkto Gesundheitszustand der Reben und Trauben sieht es momentan sehr gut aus. Die Trockenheit hat in dem Fall auch eine positive Seite. Sollte es noch etwas Regen geben, dürfte die Reife der Beeren uns eine sehr frühe Lese bescheren. Bei weiterer Trockenheit verlangsamt sich die Reife, welche sich auf einen späteren Lesezeitpunkt und das Volumen auswirken wird. Der Monat August wird also ausschlaggebend sein, ob die gute Gesamtqualität der Trauben aufrechtzuerhalten ist.“

Gute Qualität bei Rotweinen zu erwarten

Abschließend holen wir uns noch die Expertenmeinung von Serge Fischer, Abteilungsleiter im „Institut viti-vinicole“ in Remich. Fischer stößt hier ins gleiche Horn wie die Winzer. „Zurzeit bezeichnen wir die Lage auch schon in älteren Weinbergen, wo der Boden flachgründig ist, als kritisch. Hier wird größtenteils auch schon bewässert.“ Zu Qualität und Quantität bemerkt der Experte: „Wir haben zwei bis drei Wochen Vorsprung im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (Anm. d. Red.: 1966-2021). Wenn die Rebe Trockenstress hat, wird die Entwicklung der Trauben gestoppt und die Notreife eingeleitet. Die Beeren bleiben klein, mit wenig Saft, das bedeutet wenig Ertrag. Inwiefern das einen Einfluss auf die Qualität hat, muss noch abgewartet werden. Bei Rotweinen hingegen ist bekannt, dass Trockenheit die Qualität der Weine verbessert.“

Serge Fischer, Abteilungsleiter im „Institut viti-vinicole“ 
Serge Fischer, Abteilungsleiter im „Institut viti-vinicole“ 

Teilen wir also gerne die Hoffnung der Winzer auf das dringend benötigte Nass – in Erwartung eines zumindest qualitativ außerordentlich guten Jahrgangs 2022.