WintersportNach dem Winter ist vor dem Winter: Überblick über die Kaderrevision des COSL

Wintersport / Nach dem Winter ist vor dem Winter: Überblick über die Kaderrevision des COSL
Neu im Elitekader des COSL ist Radfahrerin Marie Schreiber, die sich vor allem auf Cyclocross konzentriert und für die die Klassierung ihrer Disziplin zum Wintersport keinesfalls seltsam ist Archivfoto: Le Quotidien/Luis Mangorrinha

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Seine sommerlichen Elitesportler feiert das COSL bei einer großen jährlichen Kaderrevision zu Jahresbeginn. Die Wintersportler müssen sich hingegen bis zum Sommeranfang gedulden. Und eigentlich wird die wenig glamouröse CA-Sitzung vom Montag mit einer anschließenden dürren Pressemeldung den Leistungen der wenigen, aber starken Wintersportler nicht gerecht.

Während halb Europa unter einer frühen Hitzewelle stöhnt, hat die Aufsteigerin des letzten Jahres, Gwyneth ten Raa, auf dem französischen Gletscher des Deux Alpes ein kühles Plätzchen gefunden und schwitzt dennoch. Zum Ende der Saison hatte sie in Val d’Isère in sieben Rennen an sieben Tagen ihre FIS-Punkte sowohl im Riesenslalom als auch im Slalom deutlich unter die 50 Punkte gesenkt und am 18. April 37,30 erreicht. Damit wurde die 16-Jährige 370. der Welt im Slalom und 553. im Riesenslalom. Trotz einer sechswöchigen olympischen „Pause“ war sie Siebtbeste im Slalom und Vierzehnte im Riesenslalom des gesamten Jahrgangs 2005. Seit Anfangs dieses Monats steht die ambitionierte Sportlerin bereits wieder bei einem Lehrgang auf Skiern und hat mittlerweile bei der „International Ski Racing Academy“ mit der ehemaligen slowenischen Weltcup-Fahrerin Marusa Ferk Saioni eine junge persönliche Trainerin. Ihr Traum vom Podium im Weltcup ist in Luxemburg nicht nur für den Wintersport ungewohnt ambitioniert. Auch die Familie zieht mit. „Gwyneth war zu einem ungünstigen Zeitpunkt in Luxemburg, kurz vor Weihnachten, um ihre Prüfungen abzulegen. Wir werden die Schule wechseln, damit sie sich ab diesen Winter ganz aufs Skifahren konzentrieren kann“, verrät Vater Roger. Winter ist für Gwyneth ten Raa dabei fast permanent. Wenn im Hochsommer in Europa kein Skitraining mehr möglich ist, wird sie am 1. August für einen Monat in den neuseeländischen Winter reisen.

Ich hoffe, dass Cyclocross olympisch wird, da er extrem attraktiv ist und eine Bereicherung wäre

Marie Schreiber

Wie schnell gerade im Alpinsport Träume platzen oder zumindest unterbrochen werden können, weiß die Familie allerdings auch. Joyce ten Raa war mit Resultaten unter 80 Punkten im Slalom und ansteigender Form ebenfalls unterwegs Richtung (Promotions-)Kader, als ein Trainingssturz Anfang März das vorzeitige Saisonende bedeutete. Was nach einem Kreuzbandriss bereits der zweite größere Rückschlag für die zwei Jahre ältere ten Raa war. So wurde mit Joachim Keghian „nur“ ein weiterer Skifahrer ins erste Jahr des Promotionskaders aufgenommen. Nach ihrer Verletzung wurde der 18-Jährige zum Leistungsträger des COSL beim olympischen Festival der europäischen Jugend (EYOF) im finnischen Vuokatti mit einem 45. Platz im Slalom, wo die ein Jahr jüngere Elisa Diederich vornehmlich Erfahrung sammelte. Die EYOF waren dabei seine einzigen europäischen Einsätze, da er ansonsten in Kanada Sport und Schule bestmöglich verbindet. Hier gelang ihm im letzten Wettbewerb seiner Saison am 13. April die bisher beste Leistung mit 71,76 Punkten im Slalom.

Zwei Skifahrer im Elitekader

Gwyneth ten Raa feierte bereits in diesem Jahr Olympiapremiere und schafft direkt den Sprung in den COSL-Elitekader
Gwyneth ten Raa feierte bereits in diesem Jahr Olympiapremiere und schafft direkt den Sprung in den COSL-Elitekader Archivfoto: AFP/Fabrice Coffrini

Als Jüngste des COSL startete in Vuokatti ebenfalls die 16-jährige Ysaline Hibon. Auch mit ihren dortigen zwei fehlerfreien Auftritten als 23. von 31 Eiskunstläuferinnen mit 109,45 Punkten und der Bereitschaft, jahrelang hart an sich zu arbeiten, um sich ihren Traum von großen internationalen Meisterschaften und möglicherweise sogar den Olympischen Spielen zu erfüllen, hat sie sich die Aufnahme in den Promotionskader verdient.

Jenen olympischen Traum lebt Jeff Bauer wie sonst kaum jemand. In Peking wäre er zum ältesten olympischen Skeleton-Piloten geworden. Am Ende scheiterte der 49-Jährige trotz neuer persönlicher Bestzeiten allerdings deutlich. Unter anderem weil die Piloten fünf Startplätze an ihre Kolleginnen abgeben mussten. Unbeirrt trainierte er weiter im heimatlichen Utah. Am 12. März gab es am letzten Trainingstag noch ein Clubrennen. „Ich fuhr eine neue Bestzeit. Das ist ein gutes Zeichen für mich, weiter Rennen zu fahren!“, findet der 67. der abgelaufenen Saison. Neues Ziel sind die Top 60 und damit die Qualifikation für die Weltmeisterschaft sowie die folgende Weltcup-Saison.

Mit den Ambitionen behält ihn das COSL ebenso wie den Shorttracker Peter Murphy im Elitekader. Der Goldmedaillengewinner der EYOF von Erzurum 2017 verpasste verletzungsbedingt die Qualifikationsphase für Peking. Erst am 5. März lief er in Nijmegen ein interregionales Rennen des Benelux Cup. „Nichts Erstaunliches, aber gut für die Motivation“, beurteilte er seine beiden dritten Plätze. Die Rückenverletzung ist ausgeheilt und er arbeitet an den verbleibenden neuromuskulären Defiziten. Er erhofft sich nicht nur eine Teilnahme an den Olympischen Spielen, sondern will dort um Medaillen laufen können. Weshalb er zu seinem Studienbeginn gerade ins niederländische Herenveen umzieht.

Cyclocross als Winterdisziplin

In Erzurum gehörte auch Matthieu Osch zum Team des COSL. Erstaunlich für einen erst 23-Jährigen ist er die sichere Bank, das Rückgrat der COSL-Wintersportler. Mit den Olympischen Jugendspielen 2016, den EYOF 2017 und je zwei Teilnahmen an Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 2018 und 2022 hat er bereits viel Erfahrung bei den größten Wettkämpfen gesammelt. Mit einem 28. Platz im Riesenslalom schaffte es der Sportsoldat auch in Peking, bei entscheidenden Rennen kontrolliert das Optimum herauszuholen. Beharrlich und kontinuierlich verbessert er sich und hilft nebenbei der nach vorne stürmenden Gwyneth ten Raa, für die er nicht nur bei Olympischen Spielen der „Fels in der Brandung“ ist.

Eine weitere Nachwuchssportlerin, die früh zum Elitekader stößt und bereits bei den Erwachsenen für Furore sorgte, ist die Radfahrerin Marie Schreiber. Radfahren und Wintersport? „Überhaupt nicht seltsam“, findet sie das, da ihre bevorzugte Disziplin Cyclocross im Winter gefahren wird. „Ich hoffe, dass Cyclocross olympisch wird, da er extrem attraktiv ist und eine Bereicherung wäre. Allerdings müsste es für Winterspiele auf Schnee und Eis sein. Aber das wurde letztes Jahr schon bei einem Weltcup in Italien ausprobiert. Ich konnte leider nicht dabei sein, aber bei den Fahrern war es ein großer Erfolg“, erklärt die 19-Jährige. Nach nur einer Saison im Promotionskader war ihre Beförderung in die Elite zwar „irgendwo schon eine Überraschung“, aber mit ihren Platzierungen (u.a. als 18-Jährige Sechste der U23-WM) habe sie gewusst, dass es möglich sei. Und mehr, als sie sich vor ein paar Jahren erwartet hatte. Mittlerweile hat sie ihr Abitur absolviert, bereits vor einem knappen Jahr einen ersten Profivertrag unterschrieben und steht seit gut zwei Wochen wieder voll im Training für ihren geliebten Cyclocross. „Weniger lang, weniger taktisch. Eigentlich 50 Minuten Vollgas und alleine die eigene Leistung, nicht das Team bestimmt den Erfolg“, erklärt sie, was ihr im Vergleich zur Straße besser gefällt, und fügt noch hinzu: „Auch ist jedes Rennen anders, die Strecken, der Untergrund, das Wetter.“ 

Mit dem Wetter (Schneemangel) haderte Kari Peters die letzten Jahre des Öfteren. Und auch mit eigenen Verletzungen und Erkrankungen. „Das ist ganz okkay für mich“, sagt der Langläufer jedoch und hadert nicht mit der Entscheidung des COSL, ihn aus dem Elitekader zu nehmen. Nach einem „sehr guten Gespräch“ habe der Sportsoldat dies bereits erwartet. Der 36-Jährige will aber erst einmal die nächste Saison bestreiten, da er mit guten Punkten im Rollerski bereits für die WM über 15 km qualifiziert ist. Jene starken Leistungen auf Rollerski, aber wenige und schwache Resultate auf den Skiern reichten dem COSL wie schon bei der Peking-Nominierung hingegen nicht.

Im Überblick

Die COSL-Wintersportler:
Elite:

Jeff Bauer (Skeleton)
Peter Murphy (Shorttrack)
Matthieu Osch (Alpinski)
Marie Schreiber (Cyclocross)
Gwyneth ten Raa (Alpinski)
Promotion (1. Jahr):
Ysaline Hibon (Eiskunstlauf)
Joachim Keghian (Alpinski)