KonfliktEU-Anrainer der Ukraine hoffen auf Deeskalierung – und setzen auf die USA

Konflikt / EU-Anrainer der Ukraine hoffen auf Deeskalierung – und setzen auf die USA
Der rumänische Verteidigungsminister Vasile Dancu (l.) besprach gestern mit seiner französischen Amtskollegin Florence Parly (M.) in Bukarest die Modalitäten einer Entsendung französischer Soldaten nach Rumänien angesichts der Befürchtungen einer russischen Invasion in der Ukraine Foto: Andrei Pungovschi/AFP

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Auch in Südosteuropa zeigen sich die EU-Anrainer der Ukraine über den russischen Truppenaufmarsch besorgt – mit Ausnahme von Ungarn: Die NATO-Mitglieder Bulgarien, Rumänien und die Slowakei fürchten nicht nur einen Waffengang, sondern auch die versuchte Ausdehnung des russischen Einflusses.

Der russische Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine lässt auch in Südosteuropa deren EU-Nachbarn nicht kalt. Einheitlich sind die Reaktionen auf die Gefahr eines Waffengangs allerdings nicht. Während Ungarns russophile Regierung von „Hysterie“ spricht, setzen Rumänien und die Slowakei auf die Stärkung der NATO-Präsenz – und die USA. Die Stationierung von US-Soldaten scheint Bulgarien vermeiden zu wollen. Doch auch Sofia verwahrt sich gegen Moskaus Forderung nach dem Abzug von NATO-Truppen.

Rumänien habe mehr als 600 Kilometer gemeinsame Grenzen mit der Ukraine, so Präsident Klaus Johannis: „Und wir müssen sicherstellen, dass wir auf jedes mögliche Szenario vorbereit sind – auch darauf, dass sich die russische Seite weigert, den Weg des Dialogs fortzusetzen.“ Die „Toppriorität“ für sein Land sei eine „größere US-Militärpräsenz“, bekräftigt er die Bereitschaft von Bukarest für zusätzliche Truppenstationierungen: Gegenüber Moskau müsse die NATO sowohl auf den Dialog als auch auf „dezidierte Entmutigung“ setzen.

Als NATO-Mitglied entscheiden wir unabhängig, wie wir in Koordination mit unseren Partnern unsere Armee organisieren

Kiril Petkow, Bulgariens Premierminister

Wie Rumänien, das neben US- auch französische Truppenkontingente beherbergen will, baut auch die Slowakei bei der Erhöhung der NATO-Präsenz vor allem auf Washington. So hat Bratislava bereits vor zwei Wochen ein bilaterales „Verteidigungskooperations-Abkommen“ mit den USA abgesegnet, das der US-Armee für zehn Jahre die kostenfreie Nutzung von Militärflughäfen einräumt. Umgekehrt haben die USA Investitionen in die Modernisierung der slowakischen Armee gelobt. Unumstritten ist der Deal indes nicht. Das Ziel des Abkommens sei es, „die US-Armee näher an die russischen Grenzen zu bringen“, wettert der linkspopulistische Ex-Premier Robert Fico.

Ähnlich wie Rumänien hat auch der Schwarzmeer-Anrainer Bulgarien verärgert auf russische Forderungen zum Abzug von NATO-Truppen aus den beiden Nachbarstaaten reagiert, die bereits seit 2004 der NATO angehören. „Als NATO-Mitglied entscheiden wir unabhängig, wie wir in Koordination mit unseren Partnern unsere Armee organisieren“, so Bulgariens Premier Kiril Petkow pikiert. Doch nicht nur die engen historischen Bande zu Russland, sondern auch die Rücksicht auf den sozialistischen Koalitionspartner BSP und die Sorge um die Energieversorgung lassen Sofia etwas vorsichtigere Töne anschlagen.

Orban am Montag zu Besuch bei Putin

Die Schaffung eines neuen Kampfbataillons „aus bulgarischen Truppen und unter bulgarischem Kommando“ zum Einsatz bei gemeinsamen NATO-Manövern hat Verteidigungsminister Stefan Janew angekündigt: Ohne Zustimmung des Parlaments werde aber „kein bulgarischer Soldat“ bei einem Konflikt in der Ukraine zum Einsatz kommen. Bulgarische Medien berichten mit Verweis auf diplomatische Quellen, dass Sofia eine Stationierung von US-Soldaten ablehne, aber zur Aufnahme von französischen Truppen bereit sei.

Aus der Reihe tanzt Ungarns russophile Regierung, die seit Jahren mit dem Dauerplädoyer zur Aufhebung der Sanktionen gegen Russland willig den Part des Anwalts von Moskau in der EU mimt. Umgekehrt belastet der Dauerstreit um die ungarische Minderheit in der Ukraine die Budapester Beziehungen zu Kiew. Am Montag wird Premier Viktor Orban in Moskau erwartet, wo er mit Wladimir Putin über die Stärkung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen plaudern will. Westliche Kritik an der Reise weist Budapest als scheinheilig zurück: So seien seit der Verhängung der EU-Sanktionen die deutschen Exporte nach Russland um 21 Prozent, die von Frankreich gar um 44 Prozent gestiegen.

Während Ungarns Regierung die „Hysterie“ des Westens in der Ukraine-Krise beklagt, warnt die slowakische Zeitung Sme vor halbherzigen EU-Reaktionen: „Putin fordert nichts weniger, als die Zone des russischen Einflusses auf die Staaten auszudehnen, die – wie es sein Außenminister sagte – nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Waisen geworden sind.“ Eine „ambivalente Haltung“ wirft das Blatt dabei vor allem Berlin vor: „Wenn die Russen die Ukraine angreifen, werden die Deutschen wohl eindeutig Jein sagen. Doch wenn Europa nicht handelt, steht es vor einer Rückkehr zu der Zeit vor 1989.“