Belarus-KrisePolen weitet den Ausnahmezustand aus – Lukaschenko droht Warschau und Kiew

Belarus-Krise / Polen weitet den Ausnahmezustand aus – Lukaschenko droht Warschau und Kiew
Alexander Lukaschenko besuchte vergangene Woche die von ihm selbst geschaffene Flüchtlingskrise – inzwischen droht der weißrussische Autokrat auch der Ukraine  Foto: AFP/Leonid Shcheglov

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Die Sonderzone an der Grenze zu Belarus wird ausgeweitet. Künftig ist ein 15 Kilometer breiter Landstreifen für Außenstehende gesperrt. Bislang waren es drei Kilometer. Die Drohungen aus Belarus verklingen dabei nicht.

„Masken über Mund und Nase!“, befiehlt der Polizist und blickt scharf ins Innere des Lokalbusses. Auf den hinteren Bänken schäkern ein paar Schulkinder, die die Corona-Pandemie ganz vergessen haben. Der Bus steht an diesem Montagmorgen an einem mobilen Kontrollpunkt rund 20 Kilometer vor der Zone des Ausnahmezustands. Doch wegen der angespannten Situation an der polnisch-weißrussischen Grenze wird schon hier kontrolliert.

Das Augenmerk der Polizei liegt vor allem auf dem möglichen Schmuggel von Flüchtlingen. Das zeigt sich bei der Ausfahrt aus der „Zone“, wie die neue Sonderzone ohne Bürgerrechte im Volksmund genannt wird, im Pkw am späten Abend. Wieder wird im Städtchen Narew am schärfsten kontrolliert. Nach Angabe des Reiseziels kommt der nächste Befehl: „Aussteigen und dann den Kofferraum öffnen!“ Nervös trippelt ein Polizist, die Hand am Pistolenhalfter, von einem Fuß auf den andern, während sein Kollege mit einer Taschenlampe das Auto ausleuchtet. „Gut! Alles in Ordnung! Ich wünsche gute Weiterfahrt“, heißt es zum Abschied, bereits etwas freundlicher.

Der Kontrollpunkt von Narew unweit von Hajnowka muss wohl weiter ins Landesinnere verlegt werden, wenn die neuen Sonderregeln über das Grenzregime zu Belarus am Freitag in Kraft treten. Das vom polnischen Parlament Sejm am Dienstagabend beschlossene Gesetz führt den bisherigen Ausnahmezustand in eine neue rechtliche Form. Der Ausnahmezustand kann in Polen nur für maximal drei Monate erklärt werden. Er galt seit 2. September und brachte Tourismus, Gewerkschaftsarbeit und politische Aktionen in der Grenzregion weitgehend zum Erliegen. Die Bürgerrechte wurden weitgehend aufgehoben.

Das neue Gesetz ist bei den Bürgerrechten etwas kulanter, dafür aber sollen weit mehr Personen von der Grenze ferngehalten werden – darunter neben Journalisten und NGOs nun auch Ärzte. Die rechtspopulistische Regierungskoalition von Jaroslaw Kaczynski im Sejm hatte alle Korrekturen des Senats, in dem die liberale und linke Opposition eine knappe Mehrheit haben, dank der Stimmen der rechtsextremen „Konföderation“ zurückgewiesen. Damit wird der bisherige Ausnahmezustand zwar nicht mehr so genannt – aber de facto verschärft.

Die alte Drei-Kilometer-Zone an der Grenze zu Belarus wird auf 15 Kilometer ausgedehnt. Damit werden eine Reihe kleiner Städte, die bisher für Journalisten und Flüchtlingshelfer betretbar waren, geschlossen – darunter fallen vor allem Sokolka (beim mittlerweile geschlossen Grenzübergang Kuznica-Brusgi), Dabrowa Bialegostocka, Grodek, Michalowo (wo es viel Flüchtlingshilfe durch die Gemeinde gab), Narewka, Kleszczele und Mielnik.

Gleichzeitig bietet der Grenzschutz Medienschaffenden ab jetzt eine Akkreditierungsmöglichkeit für die Sonderzone an. Journalisten-Reisen sollen allerdings nur in Gruppen stattfinden, und dies erst nach einer Sicherheitsschulung am Vortag. „Wir bemühen uns bei der Auswahl der Medien um Pluralität“, versicherte Kaczynskis Vize-Innenminister Blaziej Pobozy am Mittwoch. Die Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte in der Vergangenheit immer wieder regierungskritische und ausländische Medien geschnitten. Im Pressefreiheitsindex ist Polen seit dem PiS-Wahlsieg 2015 vom 29. auf den 64. Rang abgerutscht.

Lukaschenkos Kehrtwende gegenüber der Ukraine

Auch Litauen will seinen – weit bürger- und medienfreundlicheren – Ausnahmezustand um einen weiteren Monat verlängern. Innenministerin Agne Bilotaite mahnte am Mittwoch vor allem eine Ausweitung auf das litauisch-polnische Grenzgebiet an, um die illegale Weiterreise von Flüchtlingen nach Polen und Deutschland besser zu unterbinden. Laut Bilotaite sollen sich gegenwärtig noch rund 15.000 Flüchtlinge vor allem aus Nahost und Afghanistan in Belarus aufhalten.

Ukraine: Blinken und Lawrow wollen reden

Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen an der ukrainisch-russischen Grenze treffen sich am Donnerstag US-Außenminister Antony Blinken und sein russischer Kollege Sergej Lawrow in Stockholm zu einer Unterredung. Vor dem Gespräch am Rande der Zusammenkunft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) will Blinken den ukrainischen Außenminister Dmitri Kuleba treffen.
Russland hat nach Angaben der ukrainischen Regierung Truppen und schweres Gerät an der Grenze zur Ukraine aufgefahren. Westliche Staaten fürchten, dass sich die Situation von 2014 wiederholen könnte, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte. Blinken erklärte am Mittwoch, es gebe „Beweise“, dass Russland „erhebliche aggressive Schritte gegen die Ukraine“ plane. Moskau bestreitet dies und wirft seinerseits der Ukraine vor, im Osten des Landes Truppen zusammenzuziehen. Kreml-Chef Wladimir Putin verlangte am Mittwoch eine klare Absage der Nato an eine weitere Osterweiterung. (AFP)

Der weißrussische Autokrat Alexander Lukaschenko machte am Mittwoch die EU für die Flüchtlingskrise verantwortlich. Brüssel habe sich geweigert, Notunterkünfte für die in seinem Land gestrandeten Flüchtlinge zu finanzieren, erklärte Lukaschenko. Unerwähnt ließ er dabei, dass die Flüchtlinge unter aktiver Beihilfe seines Apparates vor allem aus Irak, Syrien und der Türkei nach Minsk geflogen worden sind.

Im Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti drohte Lukaschenko Polen erneut mit dem Transit-Stopp von Gas- und Rohöllieferungen aus Russland. „Sollen die Polen doch ihre Grenzen zu Belarus ganz schließen, das schadet vor allem ihnen selbst“, drohte er. Lukaschenko sicherte Putin auch Solidarität zu, wenn man im Donbass im Osten der Ukraine militärisch einschreiten müsse. Dies ist das erste derartige Versprechen Lukaschenkos. Bisher hatte sich Belarus im russisch-ukrainischen Streit neutral gegeben und nicht einmal die Annexion der Krim anerkannt. Seit 2014 fanden die von der OSZE geleiteten Friedensgespräche zwischen den pro-russischen Separatisten in den beiden selbst ausgerufenen Donbass-„Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk und der Kiewer Zentralregierung in einem Nebenbau von Lukaschenkos Präsidentenpalast in dem als in dieser Frage als neutral geltenden Minsk statt.

Klod
2. Dezember 2021 - 8.26

Da die polen den grossartigen feldzug ihres oberkommandierenden GW Bush im irak tatkraeftig unterstuetzten sind sie selbst an der fluechtlingskrise mitschuldig und verdienen null sympathie.