DeutschlandDie Grünen wollen ein Klimaschutz-Sofortprogramm – mit Ministerium

Deutschland / Die Grünen wollen ein Klimaschutz-Sofortprogramm – mit Ministerium
Annalena Baerbock und Robert Habeck gingen raus ins Grüne, um ihr Klimaschutz-Sofortprogramm vorzustellen Foto: Pool/AFP/Tobias Schwarz

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Die Grünen-Spitzenkandidaten Annalena Baerbock und Robert Habeck stellen ihren Plan für ein Klimaschutz-Sofortprogramm vor und wollen in einer nächsten Bundesregierung ein Klimaschutzministerium schaffen.

Sie sind wieder einmal zusammen ausgerückt. Raus aus dem politischen Berlin, weg von dort, wo jede Zuckung, jede Geste, jede Mimik und natürlich jedes Wort, das eine Kanzlerkandidatin und ein Spitzenkandidat von sich geben, gewogen, bewertet und verbreitet wird. Annalena Baerbock und Robert Habeck stehen an diesem Dienstagmittag an einem Moor nördlich von Berlin. Eine kurze Wanderung, zumindest ein Fußmarsch noch, dann sind sie im Biesenthaler Becken mitten drin in der Materie, in einer Landschaft aus Laubmischwäldern, Seen, Mooren und artenreichen Ländereien. Die beiden Grünen-Vorsitzenden sind in das Naturschutzgebiet gefahren, um dort passend zum Thema ihr Klimaschutz-Sofortprogramm für die ersten 100 Tage nach einer Regierungsübernahme beziehungsweise einer Regierungsbeteiligung vorzustellen.

Baerbock stellt denn auch gleich klar, dass Klimaschutz „die Querschnittsaufgabe einer nächsten Bundesregierung sein muss“. Das Klimakabinett der bisherigen Bundesregierung sei nicht viel mehr als ein „Alibi-Stuhlkreis“. Die Grünen wollen in einer neuen Regierung ein eigenes Klimaschutzministerium schaffen, das sich – vorbehaltlich von Koalitionsgesprächen – aus einem Zusammenschluss des bisherigen Umweltministeriums mit dem Wirtschaftsministerium bilden könnte. So wollen sie im laufenden Wahlkampf mit einem ihrer Kernthemen wieder in die Offensive kommen.

Die Botschaft muss raus

Vor allem Baerbock steht nach mehreren Fehlern und Ungenauigkeiten im aufgehübschten Lebenslauf, wegen zu spät deklarierten Sonderzahlungen der Partei an sie, des schludrigen Quellenverzeichnis in ihrem neuen Buch und zuletzt der Debatte um das „N-Wort“ unter Druck. Die Grünen sind von einem beinahe unglaublichen Umfragehoch von 28 Prozent mittlerweile wieder auf rund 20 Prozent gerutscht – ihr realistischer Wert, wie Wahlforscher einschätzen. „Ich werde nicht die Frau an Roberts Seite sein“, hatte Baerbock selbstbewusst im Januar 2018 nach ihrer Wahl zur neuen Grünen-Co-Vorsitzenden gesagt. Aber inzwischen hat sie unter dem Eindruck des öffentlichen Gegenwindes auch gesagt, es sei gut, Habeck an ihrer Seite zu wissen. Der 51-jährige Schriftsteller und die 40 Jahre alte Völkerrechtlerin haben schon in der vergangenen Woche versucht, wieder in die Offensive zu kommen. Baerbock mit einem Zehn-Punkte-Plan für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gegen nächste Hochwasser. Habeck drei Tage später mit einem Impulspapier für mehr Naturschutz und Vorsorge vor der Klimakrise.

Nun legen die beiden Grünen-Chefs, die gemeinsam auch das Spitzenduo ihrer Partei für die Bundestagswahl sind, den nächsten Plan für Klimaschutz vor. Er ist nicht brandneu, vieles davon findet sich bereits im Wahlprogramm der Grünen, das die Partei bei einem Digitalparteitag im Juni in Berlin beschlossen hat. Aber der Wahlkampf hat besondere Gesetze. Manches sagen Kanzler- und Spitzenkandidaten besser zwei-, drei- und viermal, damit es sicher gehört wird. Irgendwann verfängt die Botschaft, bleibt die Nachricht hängen.

Tempo machen

Also, wenn die Grünen regieren, dann wollen sie Tempo machen. Schneller Ausbau der erneuerbaren Energien, denn bei der bisherigen Geschwindigkeit „bräuchte Deutschland noch 56 Jahre, um auf 100 Prozent Ökostrom zu kommen. Diese Zeit haben wir nicht“, schreiben sie. Der Kohleausstieg soll auf 2030 vorgezogen werden. Wirtschaft und Industrie sollen ihre Produktion „auf Klimaneutralität ausrichten“. Auch bei Gebäuden und im Bausektor wollen die Grünen, wenn sie denn erst im Bund regieren, eine Klima-Offensive starten und dabei den Ausstoß an Kohlendioxid reduzieren. So sollen etwa Ölheizungen nicht mehr neu eingebaut werden dürfen. Das Aus für den Verbrennungsmotor wird in diesem Zehn-Punkte-Plan nicht explizit erwähnt, ist aber weiter erklärtes Ziel.

Baerbock, Habeck und ihre Mitstreiter sehen Zukunft nicht nur im „grünen Wasserstoff“, sondern eben auch in einer Mobilitätswende. „Große deutsche Autokonzerne sind beim Thema E-Autos weiter als Teile der Politik“, heißt es in ihrem Sofortprogramm für mehr Klimaschutz. Die Grünen wollten einen „verlässlichen Rahmen geben und dafür sorgen, dass genügend grüner Strom vorhanden ist“ – inklusive eines Masterplans Ladeinfrastruktur. Denn E-Autos müssen schließlich geladen werden – flächendeckend im gesamten Bundesgebiet. Baerbock und Habeck wollen eine „Weichenstellung“ – klar in Richtung des 1,5-Grad-Pfades des Weltklimaabkommens von Paris. Kanzlerkandidatin Baerbock im Naturschutzgebiet stellt klar: „Wir wollen hier etwas richtig Großes schaffen.“ Dann marschieren sie los. Richtung Moor. Bloß nicht versumpfen.