„Kiermes wéi fréier“Nostalgie auf der „Kinnekswiss“

„Kiermes wéi fréier“ / Nostalgie auf der „Kinnekswiss“
René Lesnik aus Rastede (D) betreibt den historischen Rummelplatz mit seiner Familie Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Eine große traditionelle „Schueberfouer“ wird es auch dieses Jahr nicht geben. Als Ersatz findet neben den kleinen Kirmessen in einzelnen Stadtvierteln ab Freitag die „Kiermes wéi fréier“ mit historischen Jahrmarktattraktionen auf der „Kinnekswiss“ statt.

Mittwochmorgen auf der „Kinnnekswiss“: Es ist einer dieser Regentage, wie man sie schon seit Wochen gewohnt ist. „Wir sind ja schon öfters nass geworden bei der Arbeit, aber so was hatten wir selten“, sagt der aus Deutschland stammende Schausteller René Lesnik, der zusammen mit seiner Familie den traditionellen Jahrmarkt betreibt. Der Regen sei kein Problem für die Karusselle, aber die Lastkraftwagen, die das Material auf die Wiese fahren, könnten diese beschädigen. 

Um den Rasen zu schützen, wurden Platten darauf ausgelegt. Einige der alten Spiele sind an diesem Morgen bereits aufgebaut, so wie das größte transportable historische Riesenrad. Es ist im Vergleich mit modernen Ausgaben zwar etwas klein, doch dafür aber immerhin aus dem Jahre 1902.

Als Nächstes soll an diesem Morgen ein Kettenflieger aus dem Jahre 1940 installiert werden, eines der wenigen Spiele, neben einer „Raupe“, die nicht von der Familie Lesnik betrieben wird. Ehe das Teil nicht aufgebaut ist, können die Arbeiter nicht mit der Montage des 135 Jahre alten Pferdekarussells beginnen.

Mitarbeiter der Gemeinde beobachten die Aufbauarbeiten und achten darauf, dass den umliegenden Bäumen nichts geschieht. Ein Teil des Kettenfliegers wird gerade an einer alten Eiche vorbeimanövriert. Vor allem bei solchen alten Bäumen müssen die Arbeiter aufpassen, denn so eine Eiche braucht ja einige Jahre, damit sie so groß wird, sagt ein Gemeindebeamter. Der Lkw könnte nicht nur den Baum selbst beschädigen, sondern auch den Boden rundherum, von abgerissenen Zweigen ganz zu schweigen.

Voriges Jahr stand nur ein Riesenrad auf der „Kinnekswiss“, dieses Jahr wird es eine ganze Kirmes sein. Neben den bereits erwähnten Attraktionen werden u.a. noch eine Berg- und Talbahn aus dem Jahre 1946, eine Schiffsschaukel von 1921 und ein Entenfischen-Stand aus dem Jahre 1946 präsent sein. Das jüngste Stück ist ein Getränke-Pavillon aus dem Jahre 1966.

Das größte transportierbare historische Riesenrad stammt aus dem Jahre 1902
Das größte transportierbare historische Riesenrad stammt aus dem Jahre 1902 Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Obwohl man auch auf der „Kinnekswiss“ bei einer der traditionellsten aller Jahrmarktattraktionen, dem „Hau den Lukas“, seine Kraft zeigen kann, wird das Publikum wohl vor allem aus Familien mit Kindern bestehen, wie Lesnik aus Erfahrung weiß. Dafür sorgen nicht nur die genannten Attraktionen, sondern auch ein Puppentheater, der Fotograf auf Stelzen Ottokar von Schnappschuss und der Zauberer Cornelius. Eigentlich sollte auch eine Schaubude mit dabei sein. „Obwohl der Betreiber mir lange in den Ohren lag, hat er sich plötzlich nicht mehr gemeldet“, sagt Lesnik.

Pferdekarussell von 1886

Das Highlight der „Kiermes“ dürfte das Pferdekarussel aus dem Jahre 1886 sein. Es befand sich bis 1922 im Familienbesitz, erzählt Lesnik, dann wurde es verkauft. 1999 konnte er es wieder erwerben. Da es in schlechtem Zustand war, musste er es erst restaurieren, eine Arbeit, für die er drei Jahre brauchte. Es sollte anfangs nur ein Nebenstandbein seines Geschäfts sein. Seine Frau habe gesagt, es sei zu schade, ein so teures Teil gekauft zu haben, nur um es in der Ecke stehen zu lassen, sagt er schmunzelnd. Heute ist der historische Jahrmarkt die Hauptattraktion seines Geschäfts. Ein Grund sei, dass er das Nostalgische einfach liebt.

Im Gegensatz zu den modernen Spielen sind die alten schwieriger aufzubauen. Das habe man früher alles per Hand gemacht, erzählt Lesnik. Doch ohne Kran würde sich heute niemand mehr finden, der beim Aufbau hilft. Doch auch mit Kran werden die Männer für den Aufbau des Pferdekarussells etwa anderthalb Tage benötigen.

Diese Kirmes in Luxemburg ist die erste, an der die Familie Lesnik dieses Jahr teilnimmt. In normalen Jahren ist sie im Durchschnitt an zehn verschiedenen Orten. Hauptsächlich ist die Familie in Deutschland und den Niederlanden unterwegs. Von März bis Mitte Januar ist sie auf Tour; die letzte Etappe ist normalerweise der Berliner Weihnachtsmarkt, der bis Mitte Januar dauert. Februar ist der Ferienmonat. Den verbringen sie zu Hause in Rastede (rund 60 Kilometer nordwestlich von Bremen). Dort betreiben die Lesniks noch nebenbei ein Karussellmuseum.

Der heute 65-jährige René Lesnik ist von Kind auf Schausteller: „Ich kenne seit jeher nichts anderes.“ Der historische Jahrmarkt ist wie bereits erwähnt ein Familienunternehmen. Mit von der Partie sind seine Frau, eine Nichte, seine beiden Söhne und sein Neffe. Es sei schwierig, andere ständige Mitarbeiter zu finden; die meisten Angestellten arbeiteten nur für eine begrenzte Zeit bei ihm. Ein Aspekt des Schaustellerlebens ist eben seit jeher gleich geblieben: Das Leben auf Achse ist nicht jedermanns Sache.

„Kiermes wéi fréier“

Wo? „Kinnekswiss“
Wann? 30.7. bis 15.8., täglich von 11.00-20.00 Uhr
Der Zugang zum Platz ist frei; Tickets für die Spiele zum handelsüblichen Tarif.