Entwicklungshilfe„SOS Faim“-Jahresbericht: Corona und andere Krisen auf dem afrikanischen Kontinent

Entwicklungshilfe / „SOS Faim“-Jahresbericht: Corona und andere Krisen auf dem afrikanischen Kontinent
 Wegen der geringen Bevölkerungsdichte hat das Virus in Afrika nicht die verheerenden Ausmaße angenommen wie zunächst befürchtet

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Die Situation auf dem afrikanischen Kontinent hat sich massiv verschlechtert. Dabei soll die Corona-Krise  nicht primär schuld daran sein, sondern eher die seit einigen Jahren allgemein instabile Lage der Länder. Dies geht aus dem aktuellen Jahresbericht der Luxemburger Hilfsorganisation „SOS Faim“ hervor. 

Während sich die ganze Welt mit der sanitären Krise abmüht, hat Afrika ganz andere Probleme. „Durch die geringe Bevölkerungsdichte und die verhältnismäßig junge Population hat das Virus hier nicht so viele Opfer gefordert wie in restlichen Teilen der Welt. Außerdem sind Malaria und Ebola immer noch viel gravierendere Krankheiten als das Coronavirus“, sagt „SOS Faim“-Direktor Thierry Defense im Gespräch mit dem Tageblatt.

Der Jahresbericht beginnt trotzdem mit erschreckenden Zahlen: 100 Millionen Afrikaner waren im vergangenen Jahr akuten Krisen ausgesetzt – das sind ganze 60 Prozent mehr als im Jahr davor. Dazu verzeichnet der  Kontinent einen starken Anstieg an Hungersnöten, eine deutlich höhere Korruptionsbereitschaft und massive Veruntreuung von Einkommensströmen zugunsten der organisierten Kriminalität. Diese Phänomene haben in vielen Staaten Afrikas zu extrem gewalttätigen Bewegungen und Menschenrechtsverletzungen geführt, die 2020 nochmals massiv zugenommen haben. Eine Trendwende würde er nicht erwarten, so Defense. Aktuellen Prognosen zufolge wird sich der Zustand 2021 noch mal verschlimmern.

Zahlen und Fakten

SOS Faim

Die Plattform „SOS Faim“ ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), also per Definition eine unabhängige und nicht-staatliche Organisation, die keine Profitabsichten verfolgt. Ihr Hauptziel ist es, auf dem afrikanischen Kontinent Hungersnot und Armut zu verringern. Die NGO wird mithilfe von Privatspenden und staatlichen Subventionen finanziert und agiert sehr viel vor Ort mit ihren Mitgliedern. In stabilen Prozessen langjähriger Partnerschaft wird gemeinsam daran gearbeitet, das Leben der afrikanischen Bauern und Landwirten effizient und nachhaltig zu verbessern. Die Organisation leistet in sechs Ländern Afrikas Entwicklungshilfe. Der Sitz der Gesellschaft in Schifflingen operiert als Zentrale mit Burkina Faso, Mali, Nigeria, Äthiopien, Benin und der Demokratischen Republik Kongo.

Finanzielle Einbußen hat „SOS Faim“ keine zu vermelden. „Ein großes Dankeschön richtet die Organisation in erster Linie an alle Privatpersonen, die SOS Faim finanziell unterstützt haben“, heißt es im Jahresbericht. Der Betrag an reinen Privatspenden beläuft sich auf 731.289,74 Euro mit einem Durchschnitt von 71,61 Euro pro Spende. 

Der Gesamtbetrag, der verteilt wurde, liegt deutlich höher: 1.589.524 Euro gingen an die Partnerorganisationen in Burkina Faso, Mali, Nigeria, Äthiopien, Benin und der Demokratischen Republik Kongo. Durch die Rahmenabkommen mit dem Außenministerium ist eine Subventionierung der Projektkosten von bis zu 80 Prozent möglich. Wird also ein Kostenplan erstellt, kann „SOS Faim“ davon ausgehen, dass circa 20 Prozent des Betrages aus den Privatspenden benötigt werden. Der Rest wird vom Staat beigesteuert. Die Projekte mit dem Umweltministerium werden sogar zu 100 Prozent subventioniert. 

Ausfall der Arbeit vor Ort

Thierry Defense schreibt in seinem Vorwort zum Bericht, dass die komplette Einstellung der Arbeit von „SOS Faim“ vor Ort für die betreuten Familien vermutlich ein viel größeres Problem gewesen sei als das Virus selbst. „Die Familien oder eben andere Gemeinschaften befinden sich mithilfe unserer Mitarbeiter vor Ort in einem Entwicklungsprozess auf mehreren Ebenen: Wir unterstützen sie technisch, informieren sie politisch, unterstützten sie bei der Vergabe von Langzeitkrediten und helfen, bürokratische Maßnahmen umzusetzen. Kurz: Entwicklungshelfer können ihre Arbeit vor Ort nicht mehr machen, obwohl der Kontinent immer mehr Hilfe von außen benötigt“, schreibt der Direktor.

Die Menschen lebten zunehmend in Gefahr und die Entwicklungshelfer könnten nicht mal mehr Aufklärungsarbeit leisten, fährt Defense fort. „Unsere Mitarbeiter sind im Normalfall während der Missionen vor Ort und sind den Familien behilflich, ihr landwirtschaftliches und finanzielles Potenzial zu erkennen, zu nutzen und in stabile Strukturen zu bringen“, erläutert der Direktor im Gespräch mit dem Tageblatt. „Wir versuchen sie bestmöglich politisch aufzuklären und im informativen Dialog, mit ihnen gemeinsam die Entwicklung ihrer Wertschöpfungskette zu planen und zu optimieren. Diese Hilfe wurde zwar zum Teil von unseren Partnern vor Ort übernommen, dennoch ist hier nicht die Reichweite zu erwarten, die man aus den vorigen Jahren kennt.“

Partnerschaften und Mikrofinanzierung

Die Luxemburger Vereinigung konzentriert sich im Normalbetrieb darauf, die afrikanische Landwirtschaft und ihre Akteure progressiv aufzubauen. Vor Ort leisten die Mannschaften mit spezifischen Maßnahmen einen wesentlichen Beitrag. Die afrikanischen Staatsbürger werden beispielsweise im Umgang mit  Mikrofinanzierungen geschult und begleitet, damit sie ihr Schaffen effizienter gestalten können und lernen, nachhaltiger zu werden. Hiermit ermöglicht man den Bauern auf Dauer regelmäßige Einkommen und höhere Erträge, weil man ihnen im Dialog gemeinsam mit anderen Partnergesellschaften vor Ort beibringt, vorausschauend zu planen und zu wirtschaften. 

Auf die Frage, was man konkret für das Landschaftsbild der Population geleistet habe, antwortet Defense, dass die Mikrofinanzierung über Gesellschaften laufe, die wie kleine Privatbanken funktionieren. Viele Menschen hätten sich aus Angst vor einer weltweiten Finanzkrise ihre Ersparnisse abgeholt, was in einigen extremen Fällen sogar zu Schließungen geführt habe.

„Der gesamte Aufbau und unsere ganze Arbeit der vorigen Jahre ist hinfällig, wenn die Finanzierungszentren dichtmachen“, sagt Defense. Vor Ort fehlen dann die Akteure, die Spenden und Subventionen an Bauern verteilen und Mittel verwalten. „Unsere Partner, die zu unseren Vertretern vor Ort während der Pandemie geworden sind, haben ihr Bestes versucht, dass möglichst wenige auf Mikrokrediten basierende Projekte der Einheimischen aufgelöst werden. SOS Faim hat hier also einige nennenswerte Erfolge verbuchen können, obwohl die Feldmissionen vollständig eingestellt wurden.“

Der Aufbau von neuen Projekten hat somit etwas weniger gut funktioniert, man habe aber im Erhalt von laufenden Projekten den Umständen entsprechend gute Arbeit geleistet.