ÖsterreichEin Rechter will links überholen

Österreich / Ein Rechter will links überholen
Machtkampf gewonnen: Herbert Kickl ist neuer Chef der extrem rechten FPÖ Foto: APA/dpa/Hans Punz

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Der neue FPÖ-Chef Herbert Kickl rückt seine Partei nicht nur weiter nach rechts, sondern blinkt zugleich links, um nach Ibiza-Gate und Machtkämpfen wieder auf die Überholspur zu kommen.

Die Protagonisten des jüngsten Führungsstreits taten so, als hätten sie sich ganz lieb. Norbert Hofer, der vor drei Wochen entnervt den Parteivorsitz hingeschmissen hatte, weil „ich mir nicht jeden Tag ausrichten lassen will, dass ich fehl am Platz bin“, streute seinem designierten Nachfolger Herbert Kickl Rosen. Er übergebe die Obmannschaft „in Freundschaft, Einigkeit und Stärke“. Und auch Kickl, der seit Wochen an Hofers Sessel gesägt hatte, war nun voll des Lobes für seinen Vorgänger und bat ihn eindringlich, bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr für die FPÖ zu kandidieren.

Sogar eine FFP2-Maske, die er noch im April verweigert und damit einen Konflikt mit Hofer provoziert hatte, trug Kickl am Samstag bei dem Sonderparteitag in Wiener Neustadt. Nur ein einziger Delegierter störte die Harmonieshow: Der niederösterreichische Vize-Landesparteichef Karl Wurzer stellte sich auf die Bühne und erntete für sein Bekenntnis, Kickl die Stimme zu verweigern, laute Buhrufe.

Rundumschlag

Der sonst nicht für seine integrativen Qualitäten bekannte Ex-Innenminister begegnete an diesem Tag auch dem Gegner milde und würdigte die Kritik als „Salz in der Suppe“. Gegner sind für ihn heute alle anderen, nur nicht die Parteifreunde, denen Kickls radikale Rhetorik und das Liebäugeln mit rechtsextremen Gruppen zu weit gehen.

In seiner Rede holt er zum erwartbaren Rundumschlag aus. Den früheren Koalitionspartner ÖVP nennt er eine „türkise Bagage“, der nichts heilig sei. Er spielt damit auf die im Zuge der Ibiza-Untersuchungen öffentlich gewordenen Chats an, in denen Kanzler Sebastian Kurz einen Vertrauten dazu ermuntert hatte, der katholischen Kirche „Vollgas“ zu geben und mit der Streichung von Steuerprivilegien zu drohen. Dass dies eine Reaktion auf kirchliche Kritik an der restriktiven ÖVP-Flüchtlingspolitik war, lässt Kickl unerwähnt. Wäre er noch Minister, hätte er sicher kein Problem mit Kurz’ Drohbotschaft gehabt. Jetzt aber inszeniert sich Kickl ganz christlich, spricht von seinem „Gottvertrauen“, das ihn daran erinnere, dass nicht er die letzte Instanz sei.

Haiders Lehrling

So sehr sich Kickl auch an seinem Intimfeind Kurz abarbeitet und den Kampf gegen die „totalitären“ Corona-Maßnahmen in die Tradition der bürgerlich-​demokratischen 1848er-Revolution stellt, so sehr ist ihm wohl klar, dass er nicht als Hecht im türkisen Karpfenteich taugt. Sein rechtes Rabaukentum verschreckt die Bürgerlichen, die eher der sanft und bedächtig auftretende Norbert Hofer angesprochen hatte. Kickl sagt zwar, dass er „ein ideologischer Parteiobmann, gerne auch rechts“, sein werde. Den Hecht muss es aber dort geben, wo es schon Jörg Haider, den er als „meinen Lehrmeister“ bezeichnet, getan hat: im sozialdemokratischen Karpfenteich.

Und so präsentierte sich der Mann, der die rechtsextremen Identitären als „unterstützenswerte NGO“ betrachtet, als Linker samt passender Biografie. Der 1968 in einer Kärntner Arbeitersiedlung Geborene preist sich als einer, den diese „einfachen Verhältnisse viele Lektionen fürs Leben“ gelehrt hätten. Vor allem, dass „einfache Leute einfach, aber nicht dumm“ seien. Kickl: „Diese Einfachheit ehrt sie im Gegensatz zu den spätpubertierenden Türkisen.“

Umworbene Genossen

Natürlich fehlen nicht die Ausländer in Kickls Bewerbungsrede. Er rühmt sich, als Innenminister in jeder Pressekonferenz mehr Abschiebungen verkündet zu haben. Und er macht mobil gegen muslimische Fundis. „Wenn ich nicht in einem Islamisten-Grätzel leben will, dann ist das nicht rechtsextrem, sondern normal“, sagt er und weiß, dass dieser Satz auch in Wiener SPÖ-Hochburgen auf fruchtbaren Boden fällt. Gerade hat die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner einen leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft gefordert – und dafür auch viel Widerspruch aus der Genossenschaft geerntet.

Kickl weiß, dass mit Kritik an den ab Juli weitgehend aufgehobenen Corona-Maßnahmen wohl kein Blumentopf mehr zu gewinnen sein wird. Also widmet er sich schon dem unweigerlich kommenden Streit um die Kosten der Pandemie. Und auch da die Botschaft an die SPÖ-Klientel: „Das werden nicht die zahlen, die der ÖVP gespendet haben, sondern die ‚kleinen Leute‘“, warnt Kickl und verspricht: „Wir werden die Pläne der Regierung durchkreuzen.“

Viele Gegenstimmen

Wie der FPÖ das gelingen soll, kann er freilich nicht sagen. Sein „Gegenmodell zu diesen Lüstlingen der Macht“ ist ohne Aussicht auf Partner. Mit Hofer an der Spitze wäre die FPÖ vielleicht wieder ins Spiel gekommen, so auch die strategische Überlegung der parteiinternen Kickl-Gegner. Aber mit Kickl will und kann keine Partei, nicht einmal die ÖVP. Trotzdem sollte die FPÖ nicht unterschätzt werden. Sie lag schon oft am Boden und wurde für tot erklärt.

Und das rechtsextreme Kainsmal hat schon den Aufstieg von Jörg Haider und nach dessen unrühmlichem Abgang den von Heinz-Christian Strache nicht verhindert. Beim Parteitag aber musste Kickl trotz inszenierter Harmonie zur Kenntnis nehmen, dass es intern schon Gegenwind gibt. 88,2 Prozent der 673 Delegierten stimmten für ihn. Strache und Hofer waren noch mit 98 Prozent gekürt worden.