EditorialLGBTQ+ in Luxemburg: Wieso Farbe bekennen wichtig bleibt

Editorial / LGBTQ+ in Luxemburg: Wieso Farbe bekennen wichtig bleibt
„Diversity matters“: In Esch stieg 2019 die Luxembourg Pride Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Sie ist wieder da: die Regenbogen-Saison. Wer unbedingt will, kann von Ende Mai bis Oktober von einem Pride-Event aufs nächste tingeln – und dabei einmal rund um die Welt jetsetten. Luxemburg feiert kunterbunt vom 3. bis 11. Juli 2021. Pride-Events sind Wochen oder Tage, an denen die Gleichberechtigung von LGBTQ+-Personen thematisiert wird. Am bekanntesten sind sicherlich die Pride-Parades: Umzüge, die in eine Art Volksfest münden. Wenn Corona den Organisatoren in Luxemburg keinen Strich durch die Rechnung macht, wird in Esch/Alzette am 10. Juli eine Pride Show stattfinden – vor Ort mit 500 Zuschauern. Das Event soll auch gestreamt werden. Neben der Show gibt es auch eine Erinnerungszeremonie, eine Queer Movie Night, ein Diva-Storytelling und ein Diskussionsforum. 

Doch braucht es überhaupt noch eine Pride in Luxemburg? Manche mögen argumentieren, dass „die Queeren“ doch schon alles bekommen haben, was sie wollten. Immerhin kann mittlerweile jeder im Großherzogtum heiraten, wenn die Person das denn möchte. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen Kinder adoptieren. Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung ist illegal. 2018 wurde eine Vereinfachung des Verfahrens zur Änderung des Personenstands beschlossen.

Wer so argumentiert, stellt Luxemburg als gleichberechtigtes Paradies dar, das es nicht ist. Ja, aufgrund von jahrelangem Druck von Aktivisten hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Ja, darauf können wir stolz sein und als Beispiel für andere Länder auf der Welt dienen. Doch es liegt noch ein langer Weg vor uns. 

Nur weil LGBTQ+-Personen vor dem Recht gleichgestellt sind, heißt das nicht, dass sie auch von der Gesellschaft gleichberechtigt behandelt werden. Laut einer Umfrage der Agentur der EU zum Schutz der Menschenrechte (FRA) von 2020 vermeiden immer noch 40 Prozent der LGBTQ+-Personen in Luxemburg, in der Öffentlichkeit die Hand ihres Partners zu halten – aus Angst vor den Reaktionen der Gesellschaft. 37 Prozent sagen, sie seien bedroht oder schikaniert worden. Insbesondere trans- und intersexuelle Menschen sind betroffen. Eine Person von fünf gab an, in den letzten fünf Jahren physisch oder sexuell angegriffen worden zu sein.  

Dazu kommen eine ganze Reihe „Mikro-Aggressionen“ im Alltag: Genderneutrale Toiletten sind alles andere als die Norm. Menschen mit Geschlechtsidentitäten aus dem Transgender-Spektrum können auf breites Unverständnis stoßen, wenn sie ihre Pronomen anpassen möchten – oder gar auf das geschlechtsneutrale Xier bestehen. Schwule und lesbische Personen können den Satz „Du siehst aber gar nicht schwul/lesbisch aus“ zu hören bekommen.

Pride Events sind auch dazu da, mit solchen Stereotypen aufzuräumen – und innerhalb der „Community“ mehr Verständnis füreinander zu schaffen. Denn die Ungerechtigkeiten, die eine Lesbe erlebt, müssen nicht die gleichen sein, unter denen ein Schwuler leidet. Transsexuell ist nicht das Gleiche wie Nichtbinär. Die Erfahrungen von asexuellen Menschen haben auf der Pride ebenso einen Platz wie die von bisexuellen. Es geht nicht darum, nur für die Rechte „seiner“ Sexualität und Gender-Identität einzutreten, sondern auch für alle anderen Buchstaben des LGBTQIA+ einzustehen. 

Wir leben in Luxemburg nicht in einer Utopie für LGBTQ+-Menschen. Solange eine Person in irgendeiner Weise wegen ihres Genders oder ihrer Sexualität mit negativen Konsequenzen rechnen muss, um einfach nur zu sein, wer sie ist – so lange braucht es eine Pride. 

Blücher
3. Juni 2021 - 14.39

Gendern verhunzt Sprache, sagt E.Heidenreich.Dem pflichte ich bei und verschärft die Problematik von Unverständnis, Ablehnung.

Realist
3. Juni 2021 - 14.04

Zitat: "Wir leben in Luxemburg nicht in einer Utopie für LGBTQ+-Menschen". Mag sein. Andererseits kenne ich keinen Verfassungsartikel, der überhaupt irgendeiner Gruppe ihre individuelle "Utopie" garantieren oder auch nur in Aussicht stellen würde. Für Utopien sind einzig Sci-Fi-Autoren zuständig, weder Politiker, noch die Gesellschaft als Ganzes.