ExtremsportDer „Wundermensch aus Luxemburg“: Ein Porträt über den Geher und Läufer Josy Simon

Extremsport / Der „Wundermensch aus Luxemburg“: Ein Porträt über den Geher und Läufer Josy Simon
Josy Simon gewann Strasbourg-Paris, den längsten Gehwettbewerb der Welt, der später in entgegengesetzter Richtung von Paris nach Colmar ausgetragen wurde, gleich viermal, in den Jahren 1971, 1972, 1975, 1978 Foto: Archiv Petz Lahure

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Josy Simon ist das beste Beispiel dafür, dass der Sport fit hält. Der jüngeren Generation dürfte der Name vielleicht kein Begriff mehr sein. Deren Eltern und Großeltern ist Josy Simon in erster Linie als viermaliger Gewinner des Gehermarathons Straßburg-Paris in bester Erinnerung. Seine sportliche Karriere begann der mittlerweile 87-Jährige an der Seite von Charly Gaul. Vor knapp zehn Jahren hat der Extremsportler das Laufen für sich entdeckt.

Es war auf dem Rennrad, wo Josy Simon seine sportliche Karriere begann. Genau wie sein Freund Charly Gaul war er ein begeisterter Radsportler und hatte den großen Traum, die Tour de France zu fahren. Beide sind Jahrgang 1933 und wurden zusammen zum Militär eingezogen. Während der spätere Tour-Sieger Gaul sein Rennrad mit in die Kaserne nehmen durfte, war dies für Josy Simon, der sich für die Offiziersschule in Bitburg gemeldet hatte, nicht möglich.

Doch Simon entdeckte ausgerechnet bei einem Bataillonsmarsch ein anderes außergewöhnliches Talent – das Gehen. Trotzdem wollte er so schnell wie möglich auf sein Rennrad zurück, doch Sportoffizier Thill ließ nicht locker und nahm ihn zu einem großen Wettbewerb für Geher in Bridel mit. Bevor er die 65 Kilometer anging, wurde er wegen seiner genagelten Armeeschuhe von den Mitstreitern ausgelacht. Der junge Soldat wurde aber prompt Dritter und musste sich nur dem Weltmeister und dem Vizeweltmeister geschlagen geben. Für Simon der Schlüsselmoment: Fortan machte er das Gehen zu seiner Leidenschaft. 

Nach dem dreimaligen Gewinn der Tour de Romandie, die über eine Woche ging, wurde Josy Simon im Jahr 1965 in Luxemburg Weltmeister über 100 km. In seiner Karriere stellte er insgesamt vier Weltrekorde über verschiedene Distanzen auf. Ende der 60er Jahre, auf dem vermeintlichen Höhepunkt seiner Karriere, wollte Simon seine Schuhe eigentlich schon an den Nagel hängen. Als der längste Geherwettbewerb der Welt von Straßburg nach Paris über mehr als 500 km nach einer zehnjährigen Pause wieder organisiert wurde, war sein Entschluss, dabei zu sein, jedoch schnell gefasst. Um überhaupt zu den 30 Startern zu gehören, mussten mindestens vier Ausscheidungsrennen über 200 km bestritten werden. In den folgenden Jahren fieberte das Großherzogtum mit, als der Spitzensportler um den Sieg mitkämpfte. Insgesamt viermal konnte er sich ins Palmarès dieses legendären Wettbewerbs eintragen. Bei seinen 17 Teilnahmen – ab 1981 ging es von Paris nach Colmar – erreichte er außerdem eine Reihe von Ehrenplätzen (dreimal Zweiter und zweimal Dritter).

Umstellung aufs Laufen

Im Alter von 47 Jahren beendete Josy Simon seine Karriere als Leistungssportler. „Der Sport war für mich ein wichtiger Ausgleich für meine beruflichen Herausforderungen bei der „Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion“ (CLT-RTL), bei der ich leitende Funktionen ausübte“, erklärt Simon. „Nach meiner Zeit als Abgeordneter bin ich nach Frankreich gezogen und war weiterhin sportlich aktiv. Im Alter von 70 Jahren hab ich an meinem letzten Geherwettbewerb, über 200 km von Perpignan nach Barcelona, teilgenommen. Danach habe ich mich am Wolfgangsee im österreichischen Salzkammergut niedergelassen, wo ich meine dritte Frau kennengelernt habe. Dort in der Gegend fand ich keinen geeigneten Geher-Verein. So entschloss ich mich mit 78 Jahren, der Laufgemeinschaft St. Wolfgang beizutreten und mit dem Laufen zu beginnen. Die körperliche Umstellung aufs Laufen war anfangs jedoch nicht so einfach.“ 

Das abgelaufene Jahr war auch für Simon, der als Sportler bereits eine Distanz, die drei Weltumrundungen entspricht, zurückgelegt hat, kein gutes. Neben der Corona-bedingten Absage der diesjährigen Rennen, wo er weitere Rekorde in Angriff nehmen wollte, musste der Vorzeigeathlet vor drei Monaten den Tod seines größten Fans verkraften. Ebenso wie seine zwei vorherigen Frauen verlor auch „Betty“, seine dritte Lebensgefährtin, den Kampf gegen den Krebs.

In den letzten zehn Jahren war der Ausnahmeathlet mit dem gleichen Ehrgeiz am Start zahlreicher Laufrennen. Wie beim Gehen sind es weiterhin die extremen Distanzen, die einen besonderen Reiz auf ihn ausüben. Marathonläufe, die er reihenweise absolviert, gehören für ihn eher zu den kürzeren Rennen. Gerne hätte er dieses Jahr zum siebten Mal am ING-Marathon, der ja wie so viele Ereignisse wegen der Corona-Krise abgesagt werden musste, teilgenommen.

Traditionell kehrt Josy Simon zum ING Night Marathon nach Luxemburg, wie hier 2019, zurück 
Traditionell kehrt Josy Simon zum ING Night Marathon nach Luxemburg, wie hier 2019, zurück  Foto: Mario Nothum

„Im Jahr 2013, im Alter von 80 Jahren, hab ich mich bei einem 100-km-Lauf, dem Stadtgut Steyr Ultralauf Event, angemeldet, um zu sehen, ob ich fähig wäre, diese Distanz zu meistern. Wie es beim Gehen zu meiner Gewohnheit geworden war, bin ich das Rennen langsam angegangen und hab meinen Rhythmus dann beständig gesteigert. Unterwegs erfuhr ich zu meinem großen Erstaunen, dass ich auf Weltrekordkurs lag.“ Unter dem tosenden Applaus der vielen Zuschauer, die sich auf dem Rundkurs eingefunden hatten, stellte Simon seinen ersten Weltrekord im Laufen auf. „Für die Distanz von 100 km benötigte ich 12:17:03 Stunden und war damit um eine halbe Stunde schneller als der bis dahin gültige Rekord aus dem Jahr 2002. Zwei Jahre später, ein halbes Jahrhundert nach meinem Weltmeistertitel im Gehen, stellte ich dann zwei weitere Bestmarken in der Altersklasse über 80 Jahre auf: Der Weltrekord über 6 Stunden (53,95 km) sowie die Bestzeit über 50 km haben immer noch Bestand. 2018 konnte ich meinen vierten Weltrekord, erneut über sechs Stunden, aufstellen“, erzählt Simon – der auch den österreichischen Ü80-Marathonrekord in der Zeit von 4:39:43 Stunden innehat. 

Simons Erfolgsrezept

Neben seiner Motivation und mentalen Stärke besitzt der „Wundermensch aus Luxemburg“, wie Simon nach seinen Erfolgen bei Straßburg-Paris genannt wurde, eine außergewöhnliche physische Konstitution. Sein leichter Körperbau (58 kg), sein Ruhepuls von 35 Schlägen pro Minute, gepaart mit einer ausgewogenen Ernährung sowie einer positiven Lebenseinstellung sind sein Rezept, um auch im hohen Alter noch zu solchen Höchstleistungen fähig zu sein. „Ich kenne meine Grenzen und gehe nie über das Limit hinaus“, so der Ultraläufer, der sich unter ständiger ärztlicher Aufsicht befindet.

Unerlaubte Hilfsmittel kamen für ihn nie infrage, auch nicht zu den Zeiten seiner größten Erfolge, wo Doping noch als ein Kavaliersdelikt angesehen wurde. Bluttransfusionen zur Leistungssteigerung waren zu dieser Zeit gängige Praxis und noch nicht einmal verboten. „All diejenigen, die sich dopen, in egal welcher Disziplin, tun mir leid. Sie zerstören dabei nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Familien.“

Emotionaler Höhepunkt für Josy Simon, dem der Titel des Sportlers des Jahres verwehrt blieb, war die Ernennung zum Ehrensportler des Jahres bei der Sportgala Anfang Oktober 2015. Der Ehrenpreis von sportspress.lu wurde dem nimmermüden Vorbildsportler für seine Verdienste um den Luxemburger Sport und die Werbung für sein Land, weit über die Grenzen hinaus, überreicht.

Steckbrief

Josy Simon
Alter: 87 (geb. am 25.3.1933)
Wohnort: Strobl (Österreich)
Sportliche Erfolge (Auswahl):
Gehen:
1961, 1962 und 1963: 1. Platz Tour de Romandie
1965: Weltmeister über 100 km
1971, 1972, 1975 und 1978: 1. Platz Straßburg-Paris (500 km)
1970, 1974, 1977: 2. Platz Straßburg-Paris
1973, 1979, 1981: 3. Platz Straßburg-Paris (1981: Paris-Colmar)
Erfolge von 1970-79: Luxemburg (192 km), Lausanne (210 km), Nancy (197 km), Châlons-sur-Marne (196 km), Roubaix (230 km), Luxemburg (233 km), Lausanne (189 km), Petingen (195 km), Palaiseau (204 km),  Bar-le-Duc (200 km)
Laufen:
2013: Weltrekord Ü80 100 km
2014: Oberösterreichischer Meister Ü80
2015: 6-Stunden-Weltrekord Ü80
2015: Weltrekord 50 km Ü80
2018: 6-Stunden-Weltrekord Ü85 (Steyr)
ING Marathon: 6 Teilnahmen
Auszeichnung:
2015: Prix d’honneur de la presse sportive
Politische Karriere:
Abgeordneter der DP, später der ADR (ab 1991)
Ehrenabgeordneter des Luxemburger Parlaments

trotinette josy
4. Januar 2021 - 19.53

Wieso ist es ein Hohn, und eine Respektlosigkeit, wenn man seine Meinung kundtut auch wenn die mit der eigenen nicht übereinstimmt? Inwiefern habe ich Mist und Dummheit über Josy Simon ausgebreitet? Ich habe grossen Respekt vor seinen sportlichen Leistungen, habe ich auch so geschrieben, finde allerdings dass diese etwas überbewertet werden. Als langjähriger Freund von Charly Gaul, der wirklich Hervorragendes geleistet hat, habe ich stets dessen Bescheidenheit bewundert. Das gleiche trifft auf Marcel Ernzer, Jempi Schmitz, Charel Sowa , Charel Heirendt und, nicht zu vergessen auf unseren einzigen Olympiasieger Josy Barthel zu. In diesem Sinne: " à bon entendeur, salut ". Bin übrigens seit 60 Jahren täglich sportlich aktiv und weiss demnach sportliche Leistungen zu würdigen und entsprechend einzuordnen. Habe übrigens 16 Marathons bestritten, alle unter 2h50' .

en ale Sozialist
31. Dezember 2020 - 19.00

Ass fir DP an d'Chamber gewielt ginn ( nogerutscht ) an huet dunn, als Iwerleefer d'Fraktioun gewiesselt . Wéi hien an den ADR gang ass, hätt de Josy Simon, als faire Sportler, säin Députéiertemandat misse opginn. Hien gouf jo och nët méi erëmgewielt.

Pol Wirtz
31. Dezember 2020 - 18.30

Neen Fred Schwickert ;-) : Ganz ouni Respekt un deen Trottinette Mensch! Daat ass jo en Hohn! Wéi armséileg muss ee sech selwer virkommen, fir sou op e Mann wi de Josy Simon Mëscht an Dommheet auszebreeden? Domat wir secher och de Charel Sowa net d'accord! Armséileg ass et jo och schon, wann een de Courage net opbrengt, sech ennert sengem Numm ze äusseren! An all Respekt virum Josy Simon senge Leeschtungen allegur! Och deenen bei der CLT!

Schwickert Fred
30. Dezember 2020 - 18.56

@trotinette josy : Mit allem Respekt. Treiben Sie überhaupt Sport - von wegen "sehr dick aufgebuttert" ? Ich habe unter beiden , Simon und Sowa trainiert. Natürlich sind (waren) beide unterschiedliche Charaktere. Jeder hatte seine eigenen Stärken sowie Schwächen. Der Unterschied zwischen den eher kürzeren Strecken - wie 20 und 50 km ( olympische Disziplin ) und dem Gehermarathon ist enorm. Könnte man mit einem 1500 m und einem Marathonläufer vergleichen. P.S. Josy Simon war Sicherheitschef bei RTL.

trotinette josy
30. Dezember 2020 - 16.13

Mit allem Respekt vor Josy Simons sportlichen Leistungen, aber hier wird doch sehr dick aufgebuttert. So beschränkte sich seine leitende(n) Funktion (en) bei CLT-RTL auf den Posten des Pförtners ( concierge ). Gegen unseren Meistergeher und mehrfachen Landemeister, Landesrekordler und mehrfachen Olympiateilnehmer Charles Sowa war Simon chancenlos. Letzterer war von einer bescheideneren Natur und hat nie grosses Auhebens über seine Leistungen gemacht.