Budgetstreit mit der EUOrban und Morawiecki hecken Verhandlungstaktik aus

Budgetstreit mit der EU / Orban und Morawiecki hecken Verhandlungstaktik aus
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban (r.) und sein Amtskollege aus Warschau Mateusz Morawiecki wollen offenbar alles tun, damit sie ihren autokratischen Kurs in ihren jeweiligen Ländern ungestört weiterführen können Foto: AFP/Hungarian Prime Minister’s press office/Zoltan Fischer

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Die Verlautbarung am Ende eines Vieraugengesprächs zwischen Viktor Orban und Mateusz Morawiecki fiel wie erwartet aus: Man ziehe am gleichen Strick und kämpfe bis zum Ende für einen sowohl Polen wie Ungarn genehmen Kompromiss, hieß es gestern in Budapest.

„Wir haben eine Einigung erreicht: Wir werden unsere Argumente in dieser Debatte vereinen, und Ungarn wird keinen Vorschlag akzeptieren, der für Polen inakzeptabel wäre“, sagte Orban nach dem Treffen im Budapester Karmeliterkloster vor der Presse. Beide Regierungschefs bekräftigten auch noch mal ihr jeweiliges Veto. Morawiecki beschuldigte daraufhin die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, sich nicht an die im Sommer beim EU-Budgetgipfel getroffenen Abmachungen gehalten zu haben und die Ausbezahlung der künftigen EU-Hilfen von einem völlig neuen Rechtsstaatsmechanismus abhängig gemacht zu haben. Dies könnte zum Ende der EU führen, warnte der Pole in Budapest. „Dieser neue Mechanismus ist sehr gefährlich für die EU-Integration“, sagte Morawiecki in Budapest. „Eine solche Verknüpfung kann die EU in eine Sackgasse führen und ihr Antlitz verändern“, warnte Morawiecki. „Dies ist nicht der richtige Weg“, sagt der Pole an die westeuropäischen EU-Mitglieder gewandt.

Polens Ministerpräsident Morawiecki war am Donnerstag wieder einmal zum großen Vorbild seines Parteichefs Jaroslaw Kaczynski gepilgert, dem bereits seit zehn Jahren regierenden Viktor Orban. Orban imponiert Kaczynski, weil er in Ungarn Justiz, Presse und Lokalverwaltungen weitgehend gleichgeschaltet hat. Zudem hat es der Ungar immer wieder geschafft, Brüssel auszutricksen und so innenpolitisch die Herrschaft seiner Fidesz-Partei zu zementieren. Kaczynskis eigene Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) dagegen ist noch lange nicht so weit. Gerade ist auch der Widerstand von der Straße beachtlich: Seit Wochen demonstrieren erboste Frauen trotz Covid-19 gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts.

Slowenien macht auch mit

Auch um solche Proteste künftig wirksamer zu bekämpfen, will Polen dem neuen EU-Rechtsstaatsmechanismus nicht zustimmen. Denn eine Stärkung des Rechtsstaats ist nicht im Sinne Kaczynskis. Und auch Orban kann damit nichts anfangen. Deshalb hatten Ungarn und Polen vor zehn Tagen wegen der bereits im Juli vereinbarten Verknüpfung der Auszahlung von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien ein Veto sowohl gegen den EU-Budgetrahmen für die Jahre 2021-2027 von etwas mehr als einer Billion Euro als auch gegen das 750 Milliarden Euro schwere EU-Corona-Hilfspaket eingelegt. Mittlerweile hat sich auch der slowenische Regierungschef Janez Jansa an ihre Seite gestellt und davor gewarnt, dass dieser Mechanismus eine Möglichkeit zu politischem Missbrauch öffne. Seitdem geben sich Orban und Morawiecki auch als Retter aller anderen EU-Mitglieder, die diese Gefahr nicht erkannt hätten.

Begründet wird der Widerstand in Warschau und Budapest neben angeblich rein juristischer Bedenken auch historisch: „Wir Polen kennen den Einsatz solcher Propaganda-Knüppel aus dem Kommunismus sehr gut“, klagt Morawiecki. Und Viktor Orban behauptet gar, dass aus der EU eine „zweite Sowjetunion“ werden könnte.

Aus all diesen Gründen will Morawiecki angeblich gerne auf die insgesamt 160 Milliarden Euro EU-Hilfen bis 2027 verzichten, von denen er im Sommer noch gesagt hatte, sie würden in Polen ein „Goldenes Zeitalter“ einläuten. Die Souveränität und Unabhängigkeit verkaufe man nicht einfach an die EU, heißt es bei Kaczynskis PiS. Allerdings ist der eigentlich als eher gemäßigt geltende Regierungschef Morawiecki innenpolitisch zur Geisel seines heimlichen Konkurrenten, des rechten Hardliners Zbigniew Ziobro, geworden. Polens Justizminister verkündete lauthals den Slogan „Veto oder Tod“. Sogar Kaczynski habe Achtung vor Ziobro, heißt es in Warschau. Als Justizminister ist Ziobro von der kleinen, EU-skeptischen Hardliner-Partei „Solidarisches Polen“ für die umstrittene Justizreform zuständig, die Warschau bereits ein EU-Rechtsstaatsverfahren gemäß Artikel 7 eingebracht hat.

Noch viele Milliarden Euro in Sicht

In Warschau wird Orban zwar bewundert, doch gilt der ungarische Regierungschef der PiS auch als bisweilen unsicherer Verbündeter. So hieß es vor ein paar Tagen in PiS-nahen Kreisen, Orban könnte versucht sein, bald einzuknicken und sein Veto wieder zurückzuziehen, weil er seine Fidesz-Partei unbedingt in der im EU-Parlament einflussreichen EVP behalten wolle.

Laut eines Berichts des EU-Rechnungsprüfungshofs ist Ungarn weniger auf die EU-Coronahilfsgelder angewiesen, da Budapest 14 Milliarden Euro EU-Mittel aus der Budgetperiode 2014-20 noch gar nicht bezogen habe. Auch Polen soll aus diesen alten Fördertöpfen gar noch 50 Milliarden Euro beziehen können. Die beiden Länder können sich den Budgetstreit mit Brüssel also im Unterschied zu Italien, aber auch Spanien und Griechenland leisten.

Zu Absprachen in Budapest hat Warschau indes auch das Trauma bei der Tusk-Wahl zum EU-Ratspräsidenten im März 2017 gebracht. Orban hatte damals lauthals den PiS-Gegenkandidaten Jacek Saryusz-Wolski unterstützt und damit Kaczynski viel Sicherheit verliehen. Als dann allerdings wirklich abgestimmt wurde, schwenkte Ungarn um und unterstützte Kaczynskis Erzfeind Donald Tusk. Aussagen Orbans, wonach ein Kompromiss im Budgetstreit noch möglich sei, haben bei PiS erneut die Alarmglocken schrillen lassen.

Klitz
27. November 2020 - 12.58

Wie ich bereits in einem früheren Kommentar schrieb. Die beiden provozieren und sabotieren die EU und machen sich offensichtlich ein Vergnügen draus den anderen Mitgliedstaaten den Stinkefinger zu zeigen. Und die sind machtlos!

HTK
26. November 2020 - 22.46

Ob eine Von der Leien die richtige Nummer ist um mit diesen Querdenkern fertig zu werden? Die Glaubwürdigkeit der EU steht seit langem auf dem Spiel.Jetzt ein radikales Zeichen setzen würde Eindruck schinden.Werft die Fatzkes raus und fertig. Knoblauch kriegen wir aus Spanien und der Papst ist heuer Argentinier. Wozu brauchen wir diese Länder wenn nicht um Millionen darin zu versenken.