RadsportBen Gastauer bei Il Lombardia am Start: Furore an Ferragosto?

Radsport / Ben Gastauer bei Il Lombardia am Start: Furore an Ferragosto?
Bauke Mollema konnte sich im vergangenen Jahr beim Rennen der fallenden Blätter durchsetzen Foto: AFP/Marco Bertorello

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Wegen der Corona-Pandemie wird die Lombardei-Rundfahrt, die über 231 km von Bergamo nach Como führt, diesmal nicht im Herbst, sondern mitten im Sommer, am 15. August, ausgetragen. Zu den Favoriten zählen neben den früheren Gewinnern Vincenzo Nibali und Bauke Mollema auch Remco Evenepoel, Jakob Fuglsang und Mathieu Van der Poel. Am Start ist mit Ben Gastauer ein Luxemburger Fahrer.

Am Sonntag, dem 16. August, ist es genau ein Jahr her, dass Felice Gimondi, Italiens Radsportidol der sechziger und siebziger Jahre, am Badestrand von Giardini-Naxos auf Sizilien einem Herzanfall erlag. Morgen, an „Ferragosto“ (vom lat. Feriae Augustae = Festtag des Augustus), einem der wichtigsten kirchlichen und familiären Feiertage auf der Halbinsel, wird in der Lombardei nicht nur Maria (Mariä Himmelfahrt), sondern auch Gimondi gehuldigt. Er wurde am 29. September1942 in Sedrina, einem kleinen Ort von 2.500 Einwohnern 15 km nördlich der Provinzhauptstadt Bergamo, geboren.

Gimondi war ein waschechter „grande campione bergamasco“. Er gewann „Il Lombardia“ zum ersten Mal im Jahr 1966, was für das italienische Medienunternehmen RCS, dem auch die Gazzetta dello Sport gehört, Grund genug war, das Rennen 2016, also 50 Jahre später, in Bergamo ankommen zu lassen.

Im Jahr 1973 trug Gimondi den Klassiker ein zweites Mal davon. Damals fuhr er in Como, wo auch die heutige Ankunft ist, als Sieger über den Zielstrich. Zum Andenken an Gimondi steht die 114. Auflage des Rennens ganz im Zeichen des früheren italienischen Ausnahmefahrers.

Faber gewann 1908

Die Lombardei-Rundfahrt, die neben Milano-San Remo, der Ronde van Vlaanderen, Paris-Roubaix und Liège-Bastogne-Liège zu den fünf Monumenten des Radsports zählt, wurde 1905 erstmals ausgetragen. 1943 und 1944 fiel der Wettbewerb dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer.

Früher bildete das „Rennen der fallenden Blätter“, wie „Il Lombardia“ noch genannt wird, den Abschluss der Saison. Diesmal steht es wegen der Corona-Pandemie in direkter Konkurrenz zum Critérium du Dauphiné, das als Generalprobe für die Tour de France (29.8.-20.9.) gilt und deshalb eine Reihe von Favoriten der „Grande Boucle“ (Bernal, Roglic, Quintana, Pinot, Alaphilippe, Dumoulin, Pogacar, Froome, Thomas, Porte, Yates, Martin, Bardet) angezogen hat.

Rekordsieger in der Lombardei ist Fausto Coppi mit fünf Erfolgen (1946, 1947, 1948, 1949, 1954). Nur ein Luxemburger steht ganz oben im Palmarès (François Faber 1908), ein anderer stand einmal auf der untersten Stufe des Podiums (Frank Schleck 2005 als Dritter hinter Paolo Bettini und Gilberto Simoni). Andy Schleck dagegen scheiterte knapp am Treppchen (4. im Jahr 2007).

Die Strecke vom Samstag ist größtenteils identisch mit derjenigen von 1973, als Gimondi zum zweiten Mal gewann. Zum Schluss wird der Monte Olimpino durch die Steigung San Fermo della Battaglia (km 225,7) ersetzt. Zuvor müssen der Colle Gallo (km 54,4), der Colle Brianza (km 114,8) sowie die legendären Steigungen Madonna del Ghisallo (km 167), Colma di Sormano (km 180,5) und Civiglio (km 214,3) bewältigt werden. Gegenüber dem Vorjahr ist die Strecke (231 km) um 12 km kürzer, weil das Peloton nach der Ersteigung des Colle Brianza direkt nach Oggiono fährt statt den Umweg über Lecco/Valmadrera zu machen.

Evenepoel Mitfavorit

Am Start sind mit Vincenzo Nibali (2015, 2017) und Bauke Mollema (2019) zwei frühere Lombardia-Sieger. Hinzu kommen als Anwärter auf das höchste Treppchen u.a. das junge belgische Supertalent Remco Evenepoel (zuletzt Gewinner der Polen-Rundfahrt), dessen Landsleute Tiesj Benoot und Tim Wellens, Giro-Sieger 2019 Richard Carapaz, der Luxemburger Däne Jakob Fuglsang, der Deutsche Maximilian Schachmann, die Italiener Fabio Aru und Alberto Bettiol sowie der Kanadier Michael Woods.

Letztes Jahr profitierte Bauke Mollema von der Feindseligkeit zwischen den ganz großen Favoriten. Er nahm sich im Anstieg des „Civiglio“ ein Herz und machte sich allein auf und davon. Für den Leader des Trek-Segafredo-Rennstalls, der schnell einen Vorsprung von 50 Sekunden herausgefahren hatte, blieben zwar noch 18 km allein zurückzulegen, doch schon bald erwies es sich, dass er den richtigen Riecher hatte.
In der Verfolgung zauderten Primoz Roglic, Alejandro Valverde und ihre Mitstreiter, es herrschte Uneinigkeit darüber, wie, wann und wo man Mollema nachsetzen müsste, sodass dieser bis auf den Zielstrich an den Ufern des Comer Sees 16 Sekunden Vorsprung behalten konnte. Für den Platz auf dem Podest gab es einen Dreiersprint, den Alejandro Valverde vor Egan Bernal gewann. Jakob Fuglsang musste sich mit dem unliebsamen 4. Rang trösten, durfte sich aber darüber freuen, die bisher beste Saison seiner Laufbahn absolviert zu haben.

Mit Ben Gastauer steht auch ein Luxemburger am Samstag in Bergamo am Start
Mit Ben Gastauer steht auch ein Luxemburger am Samstag in Bergamo am Start Foto: Tageblatt-Archiv/Gerry Schmit

Am Start sind 25 Mannschaften mit je sieben Fahrern, darunter auch Ben Gastauer. Er fährt im Ag2r-Team an der Seite des Finnen Jaako Hanninen, des Amerikaners Larry Warbasse, des Schweizers Mathias Frank sowie der Franzosen Pierre Latour, Mikael Cherel und Axel Domont. Die offizielle Startliste erscheint erst am Freitagabend nach der Sitzung der Mannschaftsleiter.

Start in Bergamo am Samstag um 12.20 Uhr, Ankunft am Lungo Lario Trento von Como zwischen 18.10 und 18.50 Uhr.