„Wie im Wilden Westen“Da es zu wenige gibt, kämpft die ganze Welt um Masken 

„Wie im Wilden Westen“ / Da es zu wenige gibt, kämpft die ganze Welt um Masken 
Ballett mit Maske über den Dächern von Beirut: Der weltweite Handel mit Schutzmaterial ist aus dem Gleichgewicht geraten Foto: AFP/Joseph Eid

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In der Corona-Krise wird der weltweite Kampf um dringend benötigte Schutzmasken mit immer härteren Bandagen ausgetragen: Europäische Politiker werfen den USA dabei den Einsatz unfairer Mittel vor. Derweil gehen die Preise für Schutzmaterial durch die Decke.

Beschwerden über das Vorgehen der USA gab es zuerst in Frankreich. Mehrere Regionalpolitiker beklagten, dass bestellte Lieferungen in letzter Minute umgeleitet worden seien. Der Regionalpräsident für die schwer von dem Virus betroffene Region Grand Est, Jean Rottner, sprach davon, dass es noch auf dem Startfeld auf dem Flughafen Verhandlungen über den Preis für eine bestellte Lieferung gegeben habe. Seine Kollegin Valérie Pécresse, Präsidentin der Region Paris, sagte, sie sei im letzten Moment überboten worden, nannte aber nicht die USA. Trotzdem: In Frankreich spricht man schon von der „Guerre des masques“.

Deutschland scheint ebenfalls betroffen. „Wir betrachten das als Akt moderner Piraterie“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel am Freitag, nachdem eine Lieferung von 200.000 professionellen Schutzmasken vom Typ FFP-2 in Bangkok „konfisziert“ worden sei. Man gehe davon aus, dass dies im Zusammenhang mit dem Ausfuhrverbot für Masken der US-Regierung stehe, heißt es in einer Erklärung der Senatsverwaltung. In deutschen Regierungskreisen ist davon die Rede, dass US-Vertreter in China mit großen Bargeldsummen versuchten, Schutzausrüstungsladungen in die USA umzuleiten. Auch aus Frankreich kommen ähnliche Vorwürfe. Die USA weisen jedwede Vorwürfe von sich.

Auch Luxemburgs Gesundheitsministerin sprach am Sonntag in einem Interview mit Radio 100,7 von „einem Rush auf Medikamente und Material – und das weltweit“. Der ganze internationale Markt sei angespannt wegen des Mangels an Material. Lenert erwähnte auch das Problem von Lieferungen mit Mängelware. Luxemburg habe selber noch kein unbrauchbares Material erhalten, andere Staaten aber schon. Auch bei der mittlerweile viel diskutierten Maskenpflicht sind Premierminister Xavier Bettel und Lenert skeptisch: Natürlich sei es begrüßenswert, wenn die Menschen jetzt selbst solchen Gesichtsschutz basteln. Allerdings müsse klar sein, dass gerade für den Träger der Infektionsschutz wohl nur gering ist. Auf keinen Fall dürfe ein trügerisches Sicherheitsgefühl entstehen, warnt Bettel: „Dass mit einer Maske nichts geschieht, ist falsch!“

Preise sind explodiert

Klagen kommen ebenfalls aus Spanien, wo Gesundheitsminister Salvador Illa vergangene Woche in einer parlamentarischen Kommission von seinen Schwierigkeiten berichtete: Jeder kaufe zurzeit in China Material ein, es sei unmöglich vorauszusagen, wann die Bestellungen in Spanien eintreffen – „der Markt ist verrückt und die Voraussetzungen in der Logistik schwierig“.

Doch nicht nur Europäer sind betroffen. Beschwerden wurden auch in Kanada laut. Vergangenen Donnerstag zeigte sich der kanadische Premierminister „besorgt“ über Berichte, eine Maskenlieferung an Kanada sei kleiner als geplant ausgefallen, da es für einen Teil der Ware im letzten Moment überboten worden sei. „Wir verstehen, dass die USA gerade viel medizinisches Material brauchen“, sagte Trudeau, aber das sei in Kanada genauso der Fall. „Wir müssen zusammenarbeiten“, so Trudeau. Auch in Lateinamerika gebe es diese Engpässe, sollten die USA alle Masken von amerikanischen Produzenten für sich beanspruchen, warnte der weltweit präsente US-amerikanische Hersteller 3M.

In den USA stellt sich nun ein weiteres Problem. Die verschiedenen Bundesstaaten überbieten sich in ihrem Rennen nach Masken gegenseitig auf den internationalen Marktplätzen. Bloomberg berichtet von einem Händler, der die jetzt so gesuchten N95-Masken vor sechs Wochen noch für 1,25 US-Dollar besorgen konnte. Inzwischen hätten sich die Preise mittlerweile verfünffacht. Experten machen vor allem Zwischenhändler und nicht so sehr die Produzenten für die Preissteigerungen verantwortlich.

Keepa, ein Unternehmen, das auf Amazon die Preisentwicklung überwacht, fand vor kurzem eine 30er-Packung N965-Masken, die für 199,50 US-Dollar angeboten wurde. Der Normalpreis liege bei 15 Dollar. Dem amerikanischen Magazin Wired gegenüber sagte der Geschäftsführer des US-Herstellers Prestige Ameritech, der seine tägliche Produktion von 250.000 auf eine Million Masken heraufgefahren hat, es gebe Tage, an denen das Unternehmen Bestellungen bis zu 300 Millionen Stück am Tag zurückweisen müsse. Eine „surreale“ Situation sei das. Vor der Pandemie gelangten die in den USA hergestellten Masken für zehn Cent das Stück in den Handel. Die aus China, dem Weltmarktführer, waren für rund zwei Cent zu haben. Gleich nach der Krise seien die Preise um 50 Prozent gestiegen, mittlerweile sind die Schutzhilfen in Baumärkten ausverkauft.

Gesetze aus Kriegszeiten

Die USA sind inzwischen das Land mit den meisten Coronavirus-Fällen. Wie in aller Welt wird händeringend nach Schutzausrüstung für die Krankenhäuser gesucht. US-Präsident Donald Trump hatte nach anfänglichem Zögern die Anordnung gegeben, überall auf der Welt nach medizinischen Schutzgütern Ausschau zu halten. Zudem hat er eine Verfügung erlassen, den Export von N95-Gesichtsmasken und anderer Schutzausrüstung, die im Kampf gegen das Virus benötigt werden, in andere Länder zu stoppen. Dabei beruft sich der Präsident auf den Defense Production Act, womit die Versorgung mit Gütern im Interesse der nationalen Sicherheit unterstützt werden soll. Auf seine Anordnung hin sollen auch alle von US-Firmen produzierte Masken in die USA geliefert werden. Die Berliner Bestellung betraf den US-Konzern 3M in China. Das Weiße Haus wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern.

3M war von Trump scharf dafür kritisiert worden, nicht genügend Schutzmasken herzustellen. Das Unternehmen teilte mit, dass man mit China eine Vereinbarung getroffen habe, dass zehn Millionen dort von 3M hergestellte Masken in die USA geliefert werden dürften. Zu dem Vorfall mit den Schutzmasken für Berlin habe man aber keine Hinweise gefunden, erklärte eine Sprecherin. „3M hat keinen Beleg, dass 3M-Produkte beschlagnahmt wurden.“

Mit der deutschen Beschaffung vertraute Personen sprechen davon, dass sich die Situation etwa bei Einkäufen in China seit vergangenem Wochenende geändert habe, als sich USA auf den Markt drängten. Der Vertreter einer Firma aus dem Logistikbereich sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe Berichte von US-Amerikanern, die mit großen Geldkoffern in China unterwegs seien. „Geld ist egal. Sie zahlen jeden Preis, denn sie sind verzweifelt“, beschrieb auch ein christdemokratischer Politiker das mutmaßliche Vorgehen der Amerikaner.

In den USA koordinieren das Außenministerium und die Heimatschutzbehörden den Einkauf. Ein Mitarbeiter der Heimatschutzbehörde räumte gegenüber Reuters ein, dass die USA überhöhte Preise zahlen würden. Die Regierung werde bis in den August große Mengen aufkaufen, „bis wir viel zu viel haben“.

Auch in den USA gibt es eine Diskussion über eine Maskenpflicht. Der Bedarf würde dann in die Milliarden gehen. Die US-Regierung empfahl nun das Tragen einer Maske zum Bedecken von Mund und Nase. Dabei gehe es um eine freiwillige Nutzung, sagte Trump. Die Masken könnten auch selbst zu Hause aus Stoff hergestellt werden.

Die Lieferkette jetzt in Trümmern

Der Markt gerät aber auch deshalb durcheinander, weil die globale Nachfrage nach Schutzkleidung die Produktion bei weitem übersteigt. In China gebe es immer mehr Zwischenhändler, die versuchten, Geld mit dem Handel etwa von Schutzmasken zu verdienen, sagte eine mit dem Einkauf beschäftigte Person zu Reuters. Es seien Lastwagen mit Personen unterwegs, die mit großen Mengen Bargeld versuchten, Schutzmasken direkt von den Fabriken aufzukaufen.

Das in den USA beheimatete „Project N95“, das die Beschaffung für Krankenhäuser und Gesundheitspersonal vereinfachen will, berichtet von einer völlig zusammengebrochenen Lieferkette. Jahrelang hätten Spitäler sich auf dieselben Lieferanten verlassen, die wiederum bei denselben Herstellern ihre Ware bezogen. All das funktioniere jetzt nicht mehr, da sowohl Hersteller wie Lieferanten keine Lagerbestände mehr hätten und mit Anfragen überflutet würden.

Krankenhäuser sehen sich demnach jetzt gezwungen, nach anderen Herstellern zu suchen, nach anderen Wegen, an das überlebenswichtige Material zu kommen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo fast alle anderen Krankenhäuser und eben auch Staaten in diesen Markt strömen. Das bedeutet neue Vertriebspartner, neue Verträge, keine langjährige Vertrauensbasis und viel Betrug. Berlins Innensenator Geisel sprach am Freitag von „Wild-West-Methoden“. Und das in Pandemie-Zeiten. (mit Material von Reuters)

Alain Sertic
6. April 2020 - 17.34

Dieses Gerangel um diese Stoffmasken ist absolut das letzte, es ist eine Schande und belegt wie weit es der Neoliberalismus gebracht hat. Schutzmasken und 80% der Medikamente werden aus Kostengründen nur noch in Asien produziert und unsere Politiker haben es versäumt ordentliche Reserven anzulegen bzw. haben die vorherigen strategischen Reserven abgeschafft! Nun räumen die USA mittels ihrer politischen und finanziellen Vormacht den Weltmarkt ab nach dem Motto: "Amerika first" und keiner traut sich mit der Faust auf den Tisch zu hauen. Das darf doch nicht wahr sein! Uns steht ein Rückfall ins 16te Jahrhundert bevor.

jonas
6. April 2020 - 12.48

Hei awer net. Eis Gemengen hunn et mol nach net fir néideg fonnt, d'Reglement ze änneren. Et däerf een nach ëmmer nëmme fir d'Fuesend mat enger Mask dorëmmer lafen an et muss ee fir d'éischt eng Taxe bezuelen.