ForumUnd das Recht auf Abtreibung muss doch in der luxemburgischen Verfassung verankert werden!

Forum / Und das Recht auf Abtreibung muss doch in der luxemburgischen Verfassung verankert werden!
 Foto: Editpress/Julien Garroy

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In seinem am 30. März 2024 im Luxemburger Wort veröffentlichen Beitrag wehrt sich Herr Norbert Campagna, Professor an der Universität Luxemburg, gegen eine Einschreibung des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung, nach dem französischen Vorbild, so wie sie von Frau Fatima Rougi vom „Planning familial“ eingefordert wurde.

Als klarer Befürworter der u.a. vom „Planning familial“ erhobenen Forderung interessiere ich mich nachfolgend für einige der von Herrn Campagna vorgebrachten Argumente. Vielleicht gelingt es ihm als Spezialist für Philosophie und Ethik ja, mir neue Aspekte dieser sensiblen Thematik aufzuzeigen und mich somit zu bewegen, meine bisherige Position zu hinterfragen.

Laut Herrn Campagna besteht das erste Recht der Frau darin, nicht gegen ihren Willen schwanger zu werden und erst nachdem dieses Recht vom Mann missachtet wurde, wird ggf. auf die Schwangerschaftsunterbrechung zurückgegriffen. Dieser Sichtweise kann man zustimmen, allerdings ändert dieser Umstand nichts an der Lage der Frau, welche sich mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert sieht.

Laut Professor Campagna liegt die Entscheidung betreffend die Anzahl der Kinder einzig und alleine beim Paar, was meiner Ansicht nach nur bedingt richtig ist. Klar ist dem so, dass dies in gut funktionierenden Partnerschaften in gegenseitigem Einverständnis abgestimmt wird, allerdings muss die finale Entscheidung immer einzig und alleine bei der Frau liegen!

Laut Herrn Campagna verdiene jedes menschliche Leben ab der Empfängnis Schutz und seine Zerstörung stelle ein ethisches Problem dar. Er stört sich in erster Linie daran, dass man die Abtreibung trivialisiere. Allerdings erkennt Herr Campagna an, dass sich Situationen ergeben können, in welchen ein Schwangerschaftsabbruch das geringere Übel darstelle, und er selbst habe in seiner Zeit als Präsident des Ethikkomitees eines Krankenhauses bereits einer Schwangerschaftsunterbrechung zugestimmt.

My body, my choice

Diese Sichtweise, welche davon ausgeht, dass menschliches Leben bereits ab der Empfängnis vorhanden ist, kann ich keinesfalls teilen. Als ethisch völlig inakzeptabel betrachte ich, dass der Frau aus vorgeschobenen ethischen Gründen das Recht, selbst bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs zu entscheiden, abgesprochen wird, allerdings erscheint es dem Autor wohl akzeptabel, dass ein „Ethikkomitee“ über das Anliegen der Frau befinden darf! Hier wird der Frau das fundamentale Recht verweigert, selbst über ihren eigenen Körper zu bestimmen (my body, my choice).

Die Bedenken, dass die Abtreibung trivialisiert würde und somit zu einem Verhütungsmittel unter vielen würde, sind unbegründet. Voraussetzung ist natürlich eine gute Aufklärung und der Zugang zu Verhütungsmitteln für alle, welche selbstverständlich, genau wie die Schwangerschaftsunterbrechung, kostenlos sein müssen.

Herr Campagna befürchtet, dass durch die Einschreibung des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung Gynäkologen*innen ihr bisheriges Recht, die Durchführung von Abtreibungen zu verweigern, verlieren würden. Ich vertrete die Ansicht, dass eine Verweigerung von qualifizierten Ärzten*innen, eine Abtreibung durchzuführen, eine unterlassene Hilfeleistung darstellt und künftig effektiv strafrechtlich geahndet werden müsste. Eine Anpassung der dbzg. Gesetzgebung drängt sich demnach auf. Als Ärztin/Arzt ist man die Verpflichtung eingegangen, Menschen zu helfen, da muss die Professionalität über der persönlichen Sichtweise stehen.

Mir ist zudem kein anderer Bereich bekannt, wo eine Verweigerung einer Behandlung generell so akzeptiert würde. Anstatt das Recht auf Abtreibung in die Verfassung einzuschreiben, schlägt Herr Campagna vor, ein Recht der Frauen einzuschreiben, sich nie in einer Lage befinden zu müssen, in welcher sie sich zu einer Abtreibung gezwungen sehen. Was letzteres Recht der konkret von einer ungewollten Schwangerschaft betroffenen Frau nützen soll, verschließt sich mir zurzeit allerdings.

Professor Campagna hat absolut recht, wenn er schreibt, dass es verschiedene Sichtweisen betreffend die Abtreibung, ihre Moralität und die Frage, ab wann ein Embryo schützenswert ist, gibt. Ich teile diese Meinung und bin überzeugt, dass dieser Fakt vollkommen normal und demnach absolut legitim ist. Was die vom „Planning familial“ und von der Katholischen Kirche vertretenen Ansichten betrifft, so denke ich allerdings, dass diese nicht als gleichwertig gegenüber gestellt werden dürfen.

Fundamentales Menschenrecht

Das „Planning familial“ vertritt das Recht jeder Frau, selbst über ihren eigenen Körper bestimmen zu dürfen (my body, my choice), und verteidigt somit logischerweise das Recht auf Abtreibung. Es geht also um ein fundamentales Menschenrecht, welches absolut seinen Platz in der Verfassung hat!

Ob sie dieses Recht denn nun in Anspruch nehmen möchte oder falls sie dies nicht tun möchte, aus welchen Gründen, das bleibt auch künftig die Entscheidung jeder einzelnen Frau. Es besteht volle Entscheidungsfreiheit für die betroffenen Frauen, auch bezüglich Moral und Ethik.

Die katholische Kirche hingegen, eine seit jeher stark patriarchalisch geprägte Organisation, welche zu keinem Zeitpunkt, in ihrer langen, von systematischer Missachtung der Menschenrechte geprägten Geschichte, die Frauen als gleichberechtigt respektiert hat und es heute immer noch nicht tut, versucht hingegen ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Abtreibungsrecht nicht nur ihren Mitgliedern, die bekanntlich täglich weniger werden, sondern der gesamten Gesellschaft aufzuzwingen. Allein die Aussage von Papst Franziskus, die Abtreibung mit Auftragsmord gleichstellt, verdeutlicht die aktuelle Denkweise dieser Kirche.

Und genau darin liegt der fundamentale Unterschied zwischen diesen beiden Positionen: Die Position des Befürworters des Abtreibungsrechts überlässt den betroffenen Frauen die Freiheit der Entscheidung selbst. Frauen, welche sich z.B. konform zu den Richtlinien der Kirche verhalten wollen, dürfen dies demnach logischerweise auch weiterhin tun.

Ich muss gestehen, ich bin zwar nicht überrascht, aber dennoch sehr enttäuscht von der Position von Professor Campagna, stellt seine pseudoethische und pseudomoralische Argumentation doch in Wirklichkeit lediglich eine verbissene Verteidigung des Patriarchats dar! Die Abtreibung soll zwar in nicht näher definierten Fällen und unter nicht näher definierten Bedingungen rechtlich erlaubt sein, wird jedoch grundsätzlich moralisch verdammt!

Effektiv ethisch und moralisch ganz besonders verwerflich ist vielmehr, dass in dem Beitrag von Herrn Campagna zu keinem Zeitpunkt auf das elementare Recht der Frau, selbst über ihren eigenen Körper bestimmen zu dürfen, eingegangen wird! Dieses Menschenrecht wird erschreckenderweise komplett und konsequent ignoriert, was die inakzeptable patriarchalische Herangehensweise des Autors verdeutlicht!

Die rückwärtsgewandte Sichtweise von Professor Campagna bestärkt mich sogar noch in meiner Überzeugung, dass Luxemburg absolut es Frankreich gleichtun muss, und das Recht auf Abtreibung zeitnah auch in der luxemburgischen Verfassung zu verankern ist, um es möglichst gut zu schützen.

Alle Frauen müssen eigenständig und ohne jegliche Bevormundung sowie ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen innerhalb der gesetzlich geregelten Fristen bzgl. eines Schwangerschaftsabbruchs entscheiden dürfen. Nur die betroffene Frau hat das Recht, Entscheidungen betreffend ihren Körper zu treffen.

Dass Männer, die Respekt vor Frauen haben, konsequenterweise die Frauen im Kampf für ihre Rechte unterstützen, sollte die normalste Sache der Welt sein. Männer sind hingegen keineswegs berechtigt, irgendwelche Einschränkungen zu fordern, welche exklusiv die Frauen betreffen.


* Guy Mathey, Jahrgang 1963, ist pensionierter Eisenbahner und seit seiner Zeit in der Jugendabteilung des FNCTTFEL-Landesverbands überzeugter und engagierter Feminist.