VorreiterrolleSeit 15 Jahren gibt es in Strassen den „Service du vivre-ensemble interculturel“

Vorreiterrolle / Seit 15 Jahren gibt es in Strassen den „Service du vivre-ensemble interculturel“
Luiza Noculak zeigt, von wo überall die Bewohner in Strassen herstammen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Abteilungen, die sich speziell mit Fragen rund um die Integration von Zugereisten befassen, bestehen in der Regel nur in größeren Gemeinden und Städten. Vorreiter hierzulande ist jedoch die kleine Gemeinde Strassen, wo ein solcher Service seit nun bereits 15 Jahren besteht.

Passend zu ihrem Aufgabenbereich hängt im Büro von Luiza Noculak eine Weltkarte. „Die Stecknadeln in der Karte stellen nicht meine Ferienaufenthalte dar“, lacht die Verantwortliche des „Service du vivre-ensemble interculturel“ der Gemeinde. „Es sind die Länder, aus denen Staatsangehörige in Strassen wohnen.“ 111 Länder sind es insgesamt, die in der Randgemeinde nahe der Hauptstadt vertreten sind.

Am 1. Januar trat das neue Gesetz über das interkulturelle Zusammenleben in Kraft, was für Strassen vor allem eine formelle Auswirkung hatte: Die Gemeinde beschloss die Abteilung, die 2009 als „Service intégration et égalité des chances“ gegründet worden war, in „Service du vivre-ensemble interculturel“ umzubenennen. „An der praktischen Arbeit ändert sich aber nichts“, sagt Luiza Noculak.

Von Anfang an leitet sie die Abteilung. Strassen sei damals die erste Gemeinde gewesen, die hierzulande einen solchen Service ins Leben rief. „Es war der damalige Bürgermeister Gaston Greiveldinger, der meinte, es sei gut, dass Neuankömmlinge in der Gemeinde eine Anlaufstelle hätten, wohin sie sich mit allen möglichen Fragen wenden können“, erzählt die Sozialschöffin Betty Welter-Gaul (LSAP), die damals Gemeinderätin war.

Nur ein Jahr nach der Schaffung der Abteilung war der Anteil der Nicht-Luxemburger in der Gemeinde auf 50 Prozent gestiegen; mittlerweile liegt er bei 60 Prozent. Bürger mit doppelter Nationalität seien dabei nicht mitgerechnet. Insgesamt leben in Strassen 10.588 Menschen (Stand 1.1.2024).

Von Breslau nach Strassen

Luiza Noculak stammt aus dem polnischen Breslau. Nach einem Zwischenstopp im norddeutschen Kiel, wo sie Germanistik studierte, lebt sie seit 2007 in Strassen. Ihre polnische Herkunft und die Tatsache, dass sie als Zugewanderte den gleichen Problemen und Fragen begegnete wie die meisten Neuankömmlinge, habe sie quasi für den Posten prädestiniert, erinnert sich Betty Welter-Gaul. Aufmerksam war die damalige Gemeinderätin auf Noculak geworden, als diese sich aufgrund eines Artikels in einer Gemeindepublikation bei ihr meldete und um einen Saal zum Theaterspielen nachfragte.

Ihre Hauptaufgabe bestehe darin, Neuankömmlingen in der Gemeinde – Ausländern sowohl wie Luxemburgern – zu allen möglichen Fragen der Integration zu helfen. „Das geht von Informationen über Sportmöglichkeiten bis hin zu administrativen Fragen“, sagt Noculak, „aber vor allem um Fragen zum Thema Kindererziehung.“ Sie arbeite Hand in Hand mit den meisten anderen Abteilungen der Gemeinde. Da die Menschen zu ihr für Informationen in den verschiedensten Lebensbereichen kommen, werden sie an die entsprechenden Dienststellen weitergeleitet. Darüber hinaus ist Noculak auch bei der Organisation aller Veranstaltungen beteiligt, bei denen das Miteinander eine Rolle spielt, wie z.B. das „Café de Babel“, wo Interessierte sich regelmäßig in acht verschiedenen Sprachen unterhalten können: Luxemburgisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch und Chinesisch.

Die offiziellen Veröffentlichungen der Gemeinde sind auf Französisch und mittlerweile auf Englisch, was das Deutsche in den Mitteilungen quasi ganz verdrängt habe. „Erst vor kurzem hörte ich, wie sich Kinder auf dem Schulhof in der Pause untereinander auf Englisch unterhielten, was mich doch überraschte“, sagt Betty Welter-Gaul. Auch die Zugereisten aus den slawischen Ländern sprächen als Zweitsprache meistens Englisch. Ihre polnische Muttersprache kommt Noculak bei der Kommunikation übrigens auch zugute, leben in der Gemeinde doch rund 180 Polen.

Die Verwaltung des örtlichen „Ukrainescht Haus“ gehört ebenso zu Noculaks Aufgaben wie die Organisation des „Kannergemengerot“, wozu sie eine rezente Anekdote weiß. Dieser hatte zusammen mit dem Kindergemeinderat aus Montigny-lès-Metz eine Einladung zu einem Gespräch über Europa an Angela Merkel geschickt. Die Ex-Bundeskanzlerin lehnte zwar dankend ab, „aber immerhin hat sie den Kindern am 27. März nun schriftlich geantwortet“.