WahlanalyseIn Portugal kündigt sich eine schwierige Regierungsbildung an

Wahlanalyse / In Portugal kündigt sich eine schwierige Regierungsbildung an
Luis Montenegro von der „Demokratischen Allianz“ ist zwar der Wahlgewinner, doch er wird es schwer haben, eine Regierung zu bilden Foto: AFP/Miguel Riopa

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Portugal gilt in Europa als Musterknabe. Als berechenbarer und verlässlicher EU-Schüler, der aus Brüssler Sicht vorbildlich seine Hausaufgaben machte. Das südeuropäische Land am Atlantik, ein früheres Sorgenkind, glänzt heute durch Schuldenabbau, Rückgang der Arbeitslosigkeit und überdurchschnittliches Wachstum.

Ein Wirtschaftsboom, zu dem übrigens Millionen von ausländischen Urlaubern beitrugen, die im vergangenen Jahr so zahlreich wie noch nie an die berühmte Algarve-Küste strömten. Die deutschsprachigen Touristen sind nach den Briten die zweitgrößte Besuchergruppe.

Das große internationale Ansehen Portugals ist vor allem ein Verdienst des früheren sozialdemokratischen Premiers António Costa, der die letzten acht Jahre an der Macht war, Reformen vorantrieb und sich zuletzt sogar auf eine absolute Mehrheit stützen konnte. Costas Reformwerk ging so lange gut, bis er im vergangenen Herbst über einen mutmaßlichen Korruptionsskandal in seiner Regierung stolperte. Für diesen Vertrauensverlust bekam seine Partei in der Parlamentswahl am Sonntag die Quittung.

Costa selbst konnte zwar bisher keine Unregelmäßigkeit nachgewiesen werden. Aber für Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa war die Affäre Anlass genug, eine Neuwahl anzuordnen und damit die politischen Karten neu zu mischen.

Er wolle mit einem neuen Wahlgang dem Volk das Wort zurückgeben. Und zwar „ohne Angst vor der Kraft der Demokratie“ und mit dem Ziel, „die Stabilität zu garantieren“, erklärte der Staatschef damals. Doch das Kalkül des formal parteilosen Staatschefs, der aber dem konservativen Lager zugerechnet wird, ging nicht auf. Statt Stabilität brachte die Neuwahl große Instabilität und damit erhebliche Ungewissheit für die Zukunft des Landes. Denn der Wahlgang ging ohne das erhoffte klare Ergebnis aus.

Das konservative Wahlbündnis „Demokratische Allianz“ (AD) holte einen hauchdünnen und mit 29,5 Prozent sehr mageren Wahlsieg. Ein bitterer Sieg, denn die Konservativen verfehlten die absolute Mehrheit und konnten sich gegenüber der letzten Wahl kaum verbessern – kein Grund zum Feiern.

Lange Gesichter ebenfalls bei der bisher regierenden Sozialistischen Partei (PS), die abgestraft wurde und von 41 Prozent auf 28,7 Prozent stürzte. Auch zusammen mit mehreren kleinen Linksparteien sind die Sozialisten weit von einer regierungsfähigen Mehrheit entfernt.

Als eigentlicher Sieger kann sich nur einer fühlen: Die ultrarechte und europaskeptische Partei Chega („Es reicht“). Sie schaffte es, sich mit 18 Prozent als drittstärkste Partei zu etablieren und die Zahl ihrer Mandate von 12 auf 48 zu vervierfachen. Chega-Chef André Ventura, der mit der nationalistischen Parole „Portugal den Portugiesen“ um Stimmen warb, sieht sich als Königsmacher.

Bald schon wieder Neuwahlen?

Mit Unterstützung von Chega hätte die Demokratische Allianz eine bequeme absolute Mehrheit. „Es ist möglich, in Portugal eine rechte Regierung zu bilden“, frohlockte er. Doch der konservative Spitzenmann Luís Montenegro bekräftigte noch in der Wahlnacht seine Absage: Es werde keine Regierung und keinen parlamentarischen Pakt mit den Ultrarechten geben, sagte er.

Noch hält also die portugiesische Brandmauer gegen die Rechtspopulisten, deren Bewegung auch in Portugal als radikale Bewegung eingeschätzt wird. Doch spätestens, wenn Staatspräsident Rebelo de Sousa demnächst den konservativen Wahlsieger Montenegro mit der Regierungsbildung beauftragt, wird man sehen, was politische Versprechen wirklich wert sind.

„Das Chaos, die Explosion von Chega und ein Land, das kaum zu regieren sein wird“, titelte die große portugiesische Zeitung Público. Da der neue Sozialistenchef Pedro Nuno Santos nach seiner Wahlniederlage ankündigte, dass er seine Rolle als Oppositionsführer und nicht in einer Großen Koalition sieht, bleibt dem konservativen Wahlgewinner wohl nur, es mit einer Minderheitsregierung zu probieren.

Das dürfte eine höchst wackelige Angelegenheit werden. Portugiesische Analysten rechnen deswegen damit, dass es bald schon wieder Neuwahlen geben könnte. „Montenegro wird Regierungschef sein“, prophezeit das Blatt Público. Aber: „Wie lange wird er durchhalten?“