ForumSchluss mit „Greenwashing“: Was zur Klimaschutzfinanzierung erforderlich ist

Forum / Schluss mit „Greenwashing“: Was zur Klimaschutzfinanzierung erforderlich ist
Die Aktivistin Vanessa Nakate aus Uganda beim Klimaprotest zu Beginn des Afrikanischen Klimagipfels in Nairobi Foto: dpa/AP/Brian Inganga

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Auf dem Weg von der UN-Klimawoche hin zur COP28 in Dubai später in diesem Jahr müssen wir uns von grünem Wunschdenken und „Greenwashing“ verabschieden und anfangen, über die Instrumente nachzudenken, die den privaten Sektor und private Anleger in die Lage versetzen werden, mehr Kapital in Richtung Klimaresilienz und nachhaltiger Entwicklung zu lenken.

Während der öffentliche Sektor in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle zu spielen hat, erfordern großmaßstäbliche Lösungen den Einsatz erheblicher Ressourcen aus dem privaten Sektor. Und da der Klimawandel schon jetzt Verheerungen in armen und reichen Ländern gleichermaßen anrichtet, ist die Erschließung dieses bisher weitgehend ungenutzten Kapitalpools inzwischen eine dringende Priorität.

Doch verknüpfen gegenwärtig viele Anleger klimazentrische Investments mit „sozialen Belastungen“ und verringerter Ertragskraft. Während versierte Investoren über die Mittel verfügen, ihr Kapital gewinnträchtig im Bereich der Dekarbonisierung, der Energiewende und anderer mit dem Klima in Verbindung stehender Sektoren anzulegen, sind derartige Investments tendenziell illiquide. Sie bleiben eng in Private-Equity-Fonds gebunden und sind daher den normalen Anlegern und Sparern, die den Unsicherheiten im Bereich der Nahrungsmittel-, Wasser- und Energieversorgung am stärksten ausgesetzt sind, nicht zugänglich.

Die Lösung besteht darin, Klimainvestments zu schaffen, die profitabel, liquide und allgemein zugänglich sind. Die COP28 bietet Gelegenheit, zu überdenken, wie wir derartige Marktlösungen herbeiführen und digitale Innovationen zur großmaßstäblichen Umsetzung vielversprechender Modelle nutzen können. Um im großen Maßstab Kapital zu mobilisieren, müssen wir auf die globalen Ersparnisse von Einzelanlegern sowie von Institutionen wie Rentenkassen, Versicherern und Staatsfonds zugreifen. Eine Risikostreuung lässt sich durch kleinanlegerfreundliche, liquide und problemlos zugängliche Instrumente wie börsennotierte Fonds (ETFs) erreichen.

Klimaresiliente Immobilien und Infrastruktur

Reza Bundy ist Mitgründer und CEO des Atlas Capital Team
Reza Bundy ist Mitgründer und CEO des Atlas Capital Team

Der vernünftige Weg hin zu einer profitablen, langfristigen, klimaorientierten und allgemein zugänglichen Anlagestrategie besteht in der Entwicklung eines diversifizierten Anlageportfolios, das die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen direkt oder indirekt unterstützt. Für Anleger mit langfristigem Anlagehorizont sollte ein derartiges Portfolio aus drei hauptsächlichen Anlagearten bestehen.

Die erste sind klimaresiliente Immobilien und Infrastruktur, d.h. Vermögenswerte in vor Wettereinflüssen geschützten, stabilen geografischen Räumen, die nur geringen Klimarisiken ausgesetzt sind. Die Bewertungen von Immobilien und Infrastruktur in derartigen Regionen dürften vor dem Hintergrund von Bevölkerungsverlagerungen aus Hochrisikogebieten in der südlichen Hemisphäre in resilientere Gegenden in Nordamerika, Nordeurasien und ausgewählten Geografien im globalen Süden deutlich zulegen.

Sorgfältig ausgewählte Immobilienfonds (REITs) und Beteiligungen an Bauprojekten „auf der grünen Wiese“ per ETFs sind zwei Möglichkeiten, um sich zuverlässige Renditen aus Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu sichern. Und als zusätzlicher Bonus bieten derartige Investitionen umfassende wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile, darunter Produktivitätszuwächse, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Wohnraum für Migrantenbevölkerungen.

Die zweite Komponente sind „grüne“ Rohstoffe. Ein geordneter Übergang zu einer resilienteren Zukunft erfordert massive Investitionen nicht nur in Vermögenswerte im Bereich der Energie-, Nahrungsmittel- und Wasserversorgung, sondern auch in die für erneuerbare Energien und in Elektrofahrzeugen genutzten Metalle und kritischen Mineralien. Hierzu gehören Rohstoffe wie Sojabohnen, Weizen, Kupfer, seltene Erden, Kobalt, Lithium usw. Um eine „Grünflation“ (eine durch Dekarbonisierungsmaßnahmen verursachte Inflation) und Lieferengpässe zu vermeiden, müssen wir dringend die Produktion dieser Rohstoffe ausweiten und ihre Beschaffungskosten senken.

Und schließlich sollte ein vernünftiges klimaorientiertes Portfolio Anlagewerte umfassen, die eine Absicherung gegen Inflations- und geoökonomische Risiken bieten, z.B. kurzfristige und an die Inflationsrate geknüpfte Staatsanleihen und Gold. Die negative Korrelation zwischen diesen Vermögenswerten und anderen mit dem Klima in Verbindung stehenden Kapitalanlagen bietet nicht nur zusätzlichen Ballast, sondern sorgt auch für Liquidität und eine geringe Volatilität, um die Bedürfnisse vieler Einzelanleger, Pensionäre und Sparer zu erfüllen. Und auch dies hat einen zusätzlichen Vorteil: Vermehrte Anlagen in inflationssichere Staatspapiere werden es den Regierungen erlauben, mehr zur Finanzierung der ökologischen Wende zu tun.

1,4 Milliarden Erwachsene ohne Bankkonto

Nouriel Roubini ist Professor emeritus für Volkswirtschaft an der Stern School of Business der New York University, Chefökonom des Atlas Capital Team und der Verfasser von „Megathreats: 10 Bedrohungen unserer Zukunft – und wie wir sie überleben“ (Ariston, 2022)
Nouriel Roubini ist Professor emeritus für Volkswirtschaft an der Stern School of Business der New York University, Chefökonom des Atlas Capital Team und der Verfasser von „Megathreats: 10 Bedrohungen unserer Zukunft – und wie wir sie überleben“ (Ariston, 2022)

Um eine maximale Wirkung zu erzielen, müssen diese klimaorientierten Anlageinstrumente den Durchschnittsanlegern auf liquider, preiswerter Basis zur Verfügung gestellt werden. Während ETFs eine Hilfe sein können, hat nicht jeder ein Wertpapier- oder auch nur ein Bankkonto. Wir neigen dazu, die nicht über Bankkonten verfügenden Bevölkerungen des globalen Südens zu übersehen, und auch die jüngeren Generationen, die womöglich digitale Vermögenswerte attraktiver finden. Laut Weltbank haben weltweit 1,4 Milliarden Erwachsene kein Bankkonto und in mehreren Ländern des Nahen Ostens, Asiens und Afrikas mit größeren jungen, in einer digitalen Welt aufgewachsenen Bevölkerungen liegt der Bevölkerungsanteil ohne Bankkonto bei über 50 Prozent.

Aufgrund dieser Faktoren werden wir uns eine digitale, tokenisierte Repräsentation aller obigen klimaorientierten Anlagelösungen einfallen lassen müssen, um sowohl eine globale Größenordnung zu erreichen als auch die durch Klimawandel und die Abwertung der Fiatwährungen am stärksten bedrohten Menschen zu schützen. Doch können digitale Anlagewerte nur dann eine praktikable Lösung bieten, wenn sie mit realweltlichen physischen und finanziellen Vermögenswerten unterlegt sind. Die Verringerung von Spekulationsrisiken und die Aufrechterhaltung von Liquidität in Krisenzeiten sind unverzichtbar, um sicherzustellen, dass sie sich nicht zu einer weiteren Form von im Grunde wertloser Krypto-Vaporware entwickeln.

Um klimaresiliente Gemeinschaften aufzubauen, grenzübergreifende öffentlich-private Partnerschaften zu fördern, die Versorgung mit wichtigen umweltfreundlichen Betriebsstoffen sicherzustellen und den klimabedingten Bevölkerungsverschiebungen überall auf der Welt Rechnung zu tragen, müssen politische Entscheider und Vermögensinhaber dringend überdenken, wie wir Kapital großmaßstäblich in die richtigen Bahnen lenken. Angesichts der rapide steigenden klimawandelbedingten Kosten bleibt die (technologische und finanzielle) Innovation das leistungsstärkste uns zur Verfügung stehende Werkzeug. Angesichts der nahenden COP28 ist keine Zeit mehr für Zeitvergeudung und inhaltsleeres grünes Wunschdenken.


Aus dem Englischen von Jan Doolan / © Project Syndicate, 2023

rcz
30. Oktober 2023 - 7.54

Jetzt wird erstmal in Waffen investiert. Die Kriege geben dem Klima den Totalschaden!...