ForumSchuld und Sühne, Trauer und Mitleid

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 Foto: Ariel Schalit/AP/dpa

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Die israelische Botschafterin für Belgien und Luxemburg kritisierte im „Wort“ schärfstens Außenminister Jean Asselborn, weil er angeblich die mörderischen Angriffe der Hamas auf israelische Städte und Kibbuze nicht schnell genug als „Terrorismus“ brandmarkte.

Unschuldige Zivilisten zu töten, Frauen zu vergewaltigen und abzuschlachten, gar Kinder zu enthaupten, sind abscheuliche „terroristische“ Gewalttaten. Asselborn hat in seinen diversen Stellungnahmen unmissverständlich die Angriffe der Hamas-Aktivisten sowie deren Grausamkeiten wie Geiselnahmen schärfstens verurteilt.

Doch wer sich mit der Verteufelung der „Terroristen“ begnügt, liefert keinen Beitrag zur Lösung eines Konfliktes, der sich zu einem Flächenbrand im Nahen Osten entwickeln könnte. Der französische Politologe Raymond Aron definierte „Terrorismus als gewalttätige Aktion, deren psychologische Auswirkungen in keinem Verhältnis zu ihren physischen Folgen stehen“.

Die Gewalttaten der Hamas sind unentschuldbar. Zivilisten, Frauen, Kinder zu misshandeln, zu ermorden oder zu entführen, ist ein Verbrechen gegen die Menschenrechte und verstößt eklatant gegen die Charta der Vereinten Nationen. Doch konnten sich die Vereinten Nationen noch nie auf eine Definition des Begriffes „Terrorismus“ einigen.

Die Geschichte quillt über von Beispielen, wo Kämpfer für „Freiheit“ oder „Unabhängigkeit“ Gräueltaten verübten. Gewannen sie, wurden sie zu Helden, gar zu geachteten Staatsmännern. Die Männer und Frauen hinter der Französischen Revolution ließen nicht nur den König und die Königin köpfen. Sie hatten viel unschuldiges Blut an ihren Händen. Stalin war ein brutaler Massenmörder – mit dem sich Churchill und Roosevelt verbündeten, um den Massenmörder Hitler zu besiegen. Menachem Begin war 1948 verantwortlich für den Anschlag auf das Hauptquartier der britischen Armee im Jerusalemer „King David“-Hotel. 60 Menschen starben, über 100 wurden verletzt. Begin wurde später Ministerpräsident Israels. Teilte sich gar mit Ägyptens Präsident Sadat den Friedensnobelpreis. Dieser geschichtliche Rückblick will nicht suggerieren, die Schlächter der Hamas seien Staatsmänner im Wartestand. Sie verübten Kriegsverbrechen und sollen dafür büßen.

Terrorismus nicht mit Gegenterror bekämpfen

Doch Terrorismus sollte nicht mit Gegenterror bekämpft werden. Als algerische Patrioten sich gegen die französische Kolonialmacht auflehnten, verübten sie viele „terroristische“ Anschläge. Gegen die Frankreich nicht zimperlich vorging. Als General de Gaulle sich anschickte, Algerien die Unabhängigkeit zuzugestehen, verübte die nationalistische „Organisation Armée secrète“ viele terroristische Anschläge in Frankreich. Organisierte gar ein Attentat auf den Präsidenten.

Putin schlug nach 2000 den Aufstand der Tschetschenen mit größter Brutalität nieder. Was seinen Ruf als „starker Mann“ bei den Russen festigte, die der Terroranschläge und Geiselnahmen durch tschetschenische Extremisten überdrüssig waren. Heute ist Tschetschenien politisch gleichgeschaltet. Doch tschetschenische Islamisten kämpften mit Daesch. Oder exilierten nach Frankreich – wo vereinzelte Tschetschenen ihr politisches Asyl durch islamistische Attentate missbrauchten.

China wird vorgeworfen, die Uiguren gewaltsam zu unterdrücken. Aktivisten dieses islamischen Volkes wollen die Abtrennung ihrer Provinz von China. Sie verübten einige mörderische Anschläge. Auf die Peking mit Brutalität antwortete. Einige der als „Freiheitskämpfer“ gefeierten uigurischen Islamisten mordeten für das „Kalifat“ in Syrien und Irak. Was nicht heißen soll, dass alle Uiguren und alle Tschetschenen Terroristen sind. So wie nicht alle Palästinenser terroristische Mörder sind.

Es gibt in vielen Teilen der Welt Menschen, die sich – zu Recht oder zu Unrecht – unterdrückt fühlen. Die Kurden in der Türkei. Die Serben in Bosnien. Die Armenier in Berg-Karabach. Die Rohingya in Myanmar. Und viele, viele mehr. Manche Basken, Katalanen, Korsen, Nordiren wollen ihre „Unabhängigkeit“. Zu oft versteigen sich nationalistische Ultras zu blinden Attentaten, bei denen immer Unschuldige ihr Leben lassen.

Gewalt im Namen eines Gottes

Wir leben in einer gewalttätigen Welt. Die um so mörderischer sein kann, wenn es um „religiöse Gewissheiten“ geht. Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern spielen auf beiden Seiten tiefe religiöse Überzeugungen mit. Viele orthodoxe Juden berufen sich auf die Bibel, um ihren Anspruch auf ganz Israel zu rechtfertigen. Leider zählte der Prophet Mohammed zu den „heiligen“ Stätten des Islams auch Jerusalem. Von wo aus er gemeinsam mit dem Erzengel Gabriel zum Himmel aufstieg, um sich dort mit den Propheten Abraham, Moses und Jesus zu treffen.

Palästina wird seit Jahrhunderten von vielen Völkern bewohnt. Nach dem Zweiten Weltkrieg stimmten die Vereinten Nationen der Gründung des Staates Israel als Hort für die von den Nazis geschundenen Juden zu. Die UN-Vollversammlung sprach sich aus für einen jüdischen und einen palästinensischen Staat. Doch die Aufteilung des früheren britischen Mandatsgebietes wurde eigentlich von keiner Seite akzeptiert. Die Grenzen wurden immer wieder durch militärische Aktionen verschoben.

Das neu gegründete Israel entwickelte sich von einem bedrängten David zu einem waffenstarrenden Goliath. Dominiert politisch, wirtschaftlich und vor allem militärisch den Nahen Osten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Israel sogar Nuklearwaffen besitzt.

Es gab immer wieder weitsichtige Politiker in Israel, welche die Zwei-Staaten-Lösung anstrebten, um ein friedliches Zusammenleben von zwei nicht ungleichen Völkern zu ermöglichen. Rabin wurde von einem religiösen Eiferer ermordet. Sharon ließ unter Einsatz der Armee jüdische Siedler aus dem Gazastreifen vertreiben. Er erlag leider vor einer Schicksalswahl dem Hirntod. Ministerpräsident Netanjahu und seine noch radikaleren Koalitionäre fördern dagegen massiv illegale Kolonien, die sie militärisch absichern, um einen palästinensischen Staat unmöglich zu machen.

Auch auf palästinensischer Seite gibt es Gegner der von unzähligen UN-Beschlüssen gewollten Zwei-Staaten-Lösung. Die Hamas träumt von einer völligen Vernichtung Israels – Hauptmotiv hinter den jüngsten terroristischen Anschlägen. Leider kontrolliert die Hamas den Gazastreifen. Das Gebiet hat die gleiche Fläche wie die Kantone Luxemburg und Remich. Bloß dass sich auf 360 Quadratkilometern über 2,2 Millionen Menschen drängen. 70% unter 30 Jahren, die Hälfte ohne Arbeit und Einkommen. Laut Weltbank liegt das durchschnittliche Einkommen im Gazastreifen bei 135 Euro monatlich. Alles in allem ein Nährboden für Perspektivlosigkeit und Verzweiflung, eine Einladung zu Gewalt und Terrorismus.

Nebenbei bemerkt: Alle Luxemburger, die sich vor einer Million Einwohner auf unseren 2.586 km2 fürchten, sollten sich fragen, wohin 2,2 Millionen Palästinenser auf ihren 360 km2 flüchten könnten, um sich der militärischen Schläge Israels gegen Gaza-Stadt zu entziehen. Ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Energiezufuhr.

Wie Asselborn im Einklang mit UN-Generalsekretär Guterres klarstellte, darf das absolute Recht der Selbstverteidigung Israels gegen die terroristischen Angriffe der Hamas nicht zu einer massiven Vernichtung von ebenso unschuldigen Frauen, Kindern und anderen Zivilisten in Gaza führen.

Israel verfügt über eine überwältigende Militärhoheit. Dennoch ist Verhältnismäßigkeit beim Einsatz von Waffengewalt notwendig. Meine Sympathie gehört Israel, einer der wenigen echten, wenn auch von Extremisten bedrohten Demokratien im Nahen Osten. Doch auch die geschundenen Palästinenser verdienen Anteilnahme.

Ohne eine politische Lösung für diesen seit 1948 immer wieder aufflammenden Konflikt um das „heilige Land“ kann es nur neues Unheil geben. Für Israelis und Palästinenser. Für Juden, Muslime, auch Christen, die im Land von Tora, Bibel und Koran leben. Alle beten zu einem und eigentlich dem gleichen Gott. Möge das endlich für die notwendige Moderation aller sorgen.

soraross324
28. Oktober 2023 - 8.37

"Schuld und Sühne, Trauer und Mitleid" sind tiefgreifende und komplexe Themen, die in Literatur, Psychologie und Philosophie oft untersucht und diskutiert werden. Schuld: Schuld bezieht sich auf das Gefühl oder die Verantwortung für etwas Negatives oder Fehlverhalten. Sie kann sowohl moralisch als auch rechtlich sein und hat oft Auswirkungen auf das individuelle und soziale Gewissen. Sühne: Sühne ist der Versuch, die Schuld auszugleichen oder zu bereinigen. Dies kann durch Reue, Entschuldigung, Wiedergutmachung oder andere Handlungen geschehen.Ralle Ender