KommentarVeränderter Blickwinkel: Nie zuvor wurde so viel Geld für Rüstung ausgegeben

Kommentar / Veränderter Blickwinkel: Nie zuvor wurde so viel Geld für Rüstung ausgegeben
Dieses undatierte, von den australischen Verteidigungskräften zur Verfügung gestellte Foto zeigt einen Kampfhubschrauber vom Typ Bell AH-1Z Viper während der „Rim of the Pacific 2022“-Übung mit dem Landungshubschrauberdock der Royal Australian Navy. Die australische Regierung hat eine Überprüfung der Verteidigungsstrategie des Landes veröffentlicht, in der eine umfassende Überarbeitung der Streitkräfte empfohlen wird. Foto: Petty Officer 3rd Class Isaak Ma/Australian Defence Force/AP/dpa

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Kerstin Münstermann

Es ist ein Ritual: Jedes Jahr veröffentlicht das Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri ein Ranking der weltweiten Militärausgaben. Die Friedensforscher verbinden das stets mit einem Appell, den Rüstungswettlauf einzuschränken oder zu beenden. Dieses Jahr mussten sie einen traurigen Rekord verkünden: Die Militärausgaben in Europa sind im vergangenen Jahr so stark gestiegen wie seit 30 Jahren nicht mehr. Im Jahr des Kriegsbeginns des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat es ein Wachstum von satten 13 Prozent gegeben. Und diese Entwicklung macht mitnichten an Europas Grenzen Halt: Weltweit erreichten die Militärausgaben einen neuen Höchstwert. Am stärksten investierten mit Abstand die USA, gefolgt von China.​

Man kann also festhalten: Nie zuvor wurde so viel Geld für Rüstung ausgegeben – auch nicht während des Kalten Kriegs. Die Russland-Sorgen haben dazu schon seit Jahren beigetragen. Viele frühere Ostblockstaaten hätten ihre militärischen Ausgaben seit 2014 – dem Jahr der russischen Krim-Annexion – mehr als verdoppelt, so das Institut. ​

Nie zuvor wurde so viel Geld für Rüstung ausgegeben – auch nicht während des Kalten Kriegs

Zeitgleich verkündet – angesichts des wachsenden Einflusses Chinas – Australien die größte Reform seines Militärs seit Jahrzehnten. Die bisherige militärische Strategie erfülle nicht mehr ihren Zweck. Die Stockholmer Friedensforscher sehen das alles als Anzeichen für eine zunehmend unsichere Welt. In der Tat: Für die Generation, die mit Mottos wie „Frieden schaffen ohne Waffen“ und der Entspannungspolitik der Neunziger Jahre und dem Zusammenbruch der Sowjetunion groß geworden ist, war in den vergangenen Jahren jedes Minus bei den weltweiten Rüstungsausgaben überwiegend ein Gewinn. ​

Doch die Zeitenwende hat auch hier den Blickwinkel verändert. Auf einmal stellen sich in der Verteidigungs-  und Sicherheitspolitik andere Fragen: Ist es nicht sehr sinnvoll, Geld für Abwehrsysteme, Munition und Flugzeuge auszugeben, die im Zweifel das Land sicherer vor Angriffen machen? Der Krieg in der Ukraine hat den Wert von Verteidigungswaffen auf blutige Weise vor Augen geführt. Wehrhafte Nationen und Bündnisse können Kriege sogar verhindern, so zynisch das auch klingen mag. Dass diese Bedrohungen menschengemacht sind, ist dabei immer die traurigste aller Wahrheiten. ​

Und dennoch: Auch die aktuelle Evakuierungsmission im Sudan zeigt, wie sehr man auf das Militär angewiesen ist, wenn es hart auf hart kommt. Es sind eben nicht zivile Flugzeuge, die die Menschen geordnet nach Hause zurückbringen. Es sind Militärtransporter mit dafür ausgebildeten Soldaten. Angesichts der Eskalation der Lage im Sudan gibt es dazu keine Alternative. Und so verändert sich der Blick auf den Rüstungsbericht. Auch wenn man den nachfolgenden Generationen das Gegenteil gewünscht hätte.​