Charles Leclerc stand inmitten oranger Rauchschwaden, und er lächelte breit. Der Ferrari-Star hatte soeben den Red-Bull-Ring erobert, Max Verstappen zeitweise vorgeführt. Den Status als Mann der Stunde musste sich der Sieger von Spielberg dennoch teilen – mit Mick Schumacher. Der Haas-Pilot raste beim Großen Preis von Österreich auf Rang sechs und wurde von den Fans zum Fahrer des Tages gewählt. „Sehr wohl“ fühle er sich in diesen Bereichen, sagte er lachend, „noch wohler würde ich mich ganz vorne fühlen“. Dieser sechste Platz war aber erstmal das beste Ergebnis seiner jungen Karriere.
Ganz vorne im Klassement der Königsklasse steht zwar noch immer Verstappen, am Sonntag allerdings reichte es nur zu Rang zwei für den Niederländer, ausgerechnet vor Abertausenden Fans in Orange. Leclerc und der Ferrari waren zu stark, nach genau drei Monaten voller Frust und Pannen stand der Monegasse wieder ganz oben auf dem Podest. „Das habe ich definitiv gebraucht“, sagte Leclerc, „die letzten fünf Rennen waren unheimlich hart. Wir müssen weiter Druck machen.“ Das wird in der Tat nötig sein, Verstappens Vorsprung beträgt noch immer 38 WM-Punkte. Der Red-Bull-Star hatte immerhin den Sprint am Samstag gewonnen. Dritter wurde am Sonntag Lewis Hamilton im Mercedes – bereits zum dritten Mal in Folge, es läuft wieder besser für den Rekordweltmeister.
Bange Schlussphase
Mehr als 100.000 Fans waren nach Spielberg gekommen, der ohnehin beliebte Grand Prix in der Steiermark feierte eine Rekordkulisse. Der eindrucksvolle Rahmen bot allerdings einen gewaltigen Schönheitsfehler: Im Laufe des Wochenendes häuften sich die Berichte von sexistischen Vorfällen und sexueller Belästigung rund um die Rennstrecke, unzählige Frauen meldeten sich via Social Media zu Wort. Am Sonntag kündigte die Formel 1 dann eine Untersuchung der „inakzeptablen“ Vorfälle an (siehe Kasten).
Auf der Rennstrecke hielt Verstappen am Start zunächst seine Führung vor dem Ferrari-Duo – dahinter stand schon wieder Schumacher im Blickpunkt. Der 23-Jährige hatte sich schon im Sprint am Samstag ein bemerkenswertes Duell mit Hamilton geliefert, und erneut machte er großen Druck auf den Engländer. Schumacher ging sogar vorbei, später holte Hamilton sich die Position aber zurück. Vorne sorgte Leclerc früh für bange Momente bei den Verstappen-Fans. Der Monegasse war deutlich schneller, „ich kann ihn nicht mehr lange aufhalten“, funkte der Weltmeister an seine Box. Und so war es dann auch, nach nur zwölf Runden übernahm Leclerc die Führung.
Red Bull holte Verstappen im Rennverlauf daher gleich zweimal früher zum Reifenwechsel, durch diese Strategie ging er ohne Manöver zweimal vorbei am Rivalen. Leclerc allerdings konnte sich auf die Geschwindigkeit seines Ferrari verlassen und holte sich seinen Platz jeweils auf der Strecke wieder zurück. Verstappen war überhaupt nicht zufrieden mit seinem Auto, klagte über schwankenden Grip. Angesichts eines späten Motorschadens bei Carlos Sainz im zweiten Ferrari wurde es aber noch mal eine bange Schlussphase für die Scuderia, zudem bemängelte Leclerc gegen Ende Probleme mit dem Gaspedal – doch alles ging gut, und Leclerc ließ die Orange Army in Spielberg verstummen.
Formel 1 verurteilt „völlig inakzeptable Kommentare“ unter Fans
Die Formel 1 ist nach Berichten in Sozialen Netzwerken über rassistische, homophobe und sexistische Beleidigungen unter Fans in Spielberg um Aufklärung bemüht. In einem Statement am Sonntag war von „völlig inakzeptablen Kommentaren“ beim Großen Preis von Österreich die Rede. „Wir nehmen diese Angelegenheiten sehr ernst“, hieß es weiter. Kurz danach meldete sich auch Rekordweltmeister Lewis Hamilton zu Wort. Er sei „angewidert und enttäuscht zu hören, dass einige Fans mit rassistischem, homophobem und generell beleidigendem Verhalten“ konfrontiert seien. Das sei nicht akzeptabel, betonte auch Sieger Charles Leclerc von Ferrari. „Ich habe einige schockierende Sachen gelesen, das ist nicht okay“, ergänzte Red-Bull-Weltmeister Max Verstappen.
Die Formel 1 steht nach eigenen Angaben bereits mit dem Veranstalter und dem Sicherheitsdienst in Kontakt. Die Motorsport-Königsklasse kündigte zudem Gespräche mit den Personen an, die die Vorfälle gemeldet haben. Vor allem Frauen berichteten bei Twitter unter anderem von Pfiffen gegen sich oder andere Frauen von – nach deren Schilderung – überwiegend niederländischen Fans. Ein Mädchen, das Eis verkaufte, sei pausenlos von älteren betrunkenen Männern belästigt worden. Ein weiblicher Fan von Lewis Hamilton soll von Verstappen-Anhängern gesagt worden sein, dass sie keinen Respekt verdienen würde. Verifizieren ließen sich solche Schilderungen zunächst nicht. „Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und erlauben, dass das so weitergeht“, forderte Hamilton, der sich auch schon irritiert und enttäuscht gezeigt hatte, dass Fans des niederländischen WM-Spitzenreiters Max Verstappen, die zu Zehntausenden in die Steiermark gereist sind, bei einem Unfall Hamiltons in der Qualifikation geklatscht hatten. Am Wochenende zuvor war wiederum Verstappen beim Heimrennen von Hamilton in Silverstone ausgebuht worden. „Wir lieben die Fans, wir wollen sie da haben, wir wollen, dass sie emotional und leidenschaftlich sind, aber es sollte nicht persönlich werden“, betonte Mercedes-Teamchef Toto Wolff in Spielberg. Und Verstappen sagte der britischen Zeitung The Guardian zu buhenden Anhängern und dem spannenden WM-Kampf: „Diese Leute sind keine echten Formel-1-Fans. Sie können nicht wirklich wertschätzen, was gerade passiert.“ (dpa)
Im Überblick
Großer Preis von Österreich, 11. von 22 Läufen zur Formel-1-WM 2022 (71 Runden = 306,452 km): 1. Charles Leclerc (Monaco) Ferrari 1:24:24,312 Stunden, 2. Max Verstappen (Niederlande) Red Bull 1,532 Sekunden zurück, 3. Lewis Hamilton (Großbritannien) Mercedes 41,217, 4. George Russell (Großbritannien) Mercedes 58,972, 5. Esteban Ocon (Frankreich) Alpine-Renault 1:08,436 Minuten zurück, eine Runde zurück: 6. Mick Schumacher (Deutschland) Haas-Ferrari, 7. Lando Norris (Großbritannien) McLaren-Mercedes, 8. Kevin Magnussen (Dänemark) Haas-Ferrari, 9. Daniel Ricciardo (Australien) McLaren-Mercedes, 10. Fernando Alonso (Spanien) Alpine-Renault, 11. Valtteri Bottas (Finnland) Alfa Romeo, 12. Alexander Albon (Thailand) Williams-Mercedes, 13. Lance Stroll (Kanada) Aston Martin-Mercedes, 14. Zhou Guanyu (China) Alfa Romeo, 15. Pierre Gasly (Frankreich) AlphaTauri-Red Bull, 16. Yuki Tsunoda (Japan) AlphaTauri-Red Bull, 17. Sebastian Vettel (Deutschland) Aston Martin-Mercedes; ausgeschieden: Carlos Sainz jr. (Spanien) Ferrari 57. Runde (Motorschaden), Nicholas Latifi (Kanada) Williams-Mercedes 49. Runde (Defekt), Sergio Perez (Mexiko) Red Bull 24. Runde (Aufgabe)
Schnellste Rennrunde: Verstappen (62.) 1:07,275 Minuten
Fahrerwertung: 1. Verstappen 208 Punkte, 2. Leclerc 170, 3. Perez 151, 4. Sainz jr. 133, 5. Russell 128, 6. Hamilton 109, 7. Norris 64, 8. Ocon 52, 9. Bottas 46, 10. Alonso 29, 11. Magnussen 22, 12. Ricciardo 17, 13. Gasly 16, 14. Vettel 15, 15. Schumacher 12, 16. Tsunoda 11, 17. Guanyu 5, 18. Albon 3, 19. Stroll 3
Teamwertung: 1. Red Bull 359, 2. Ferrari 303, 3. Mercedes 237, 4. McLaren-Mercedes 81, 5. Alpine-Renault 81, 6. Alfa Romeo 51, 7. Haas-Ferrari 34, 8. AlphaTauri-Red Bull 27, 9. Aston Martin-Mercedes 18, 10. Williams-Mercedes 3
Nächstes Rennen: Großer Preis von Frankreich am 24. Juli
De Maart
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