Interview„Die Verantwortung bleibt die gleiche“: Der neue Progrès-Präsident Thomas Gilgemann im Gespräch

Interview / „Die Verantwortung bleibt die gleiche“: Der neue Progrès-Präsident Thomas Gilgemann im Gespräch
Thomas Gilgemann (mit Schal) verspürt keinen Druck Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Thomas Gilgemann ist seit vergangenem Mittwoch (4.5.) Präsident des Progrès Niederkorn. Der ehemalige Teammanager, Sportdirektor und Generaldirektor des Vereins hat die Nachfolge von Fabio Marochi angetreten. Ein schweres Erbe, mit dem sich der ehemalige Abwehrspieler jedoch pudelwohl fühlt, wie er im Interview mit dem Tageblatt verrät.

Tageblatt: Herr Gilgemann, was war Ihr erster Akt als neuer Präsident des Progrès Niederkorn?

Thomas Gilgemann: Ich musste gleich den Mitgliedsbeitrag erhöhen (lacht). Das war der achte Punkt der Tagesordnung bei der außergewöhnlichen Generalversammlung. In Zukunft wird es eine Business-Karte bei uns geben. Für 500 Euro im Jahr kann man einmal im Monat ein Drei-Gänge-Menü genießen. Davor kostete die VIP-Karte nur 200 Euro. Wir haben jedoch gemerkt, dass die Umsetzung teilweise schwierig war und schlussendlich nicht so viele Leute von ihren Vorteilen profitiert haben. Wer keine 500 Euro zahlen will, hat die Möglichkeit, für 100 Euro ein Jahres-Abo abzuschließen. Vergangene Woche haben wir auch eine digitale Eintrittskarte ausgearbeitet. Nächste Saison kann man per QR-Code ins Stade Jos. Haupert „einchecken“. Dieses System verringert auch die Warteschlangen am Eingang und ermöglicht uns, das Personal effizienter einzusetzen. 

Rein gefühlsmäßig: Wie ist es, Vorsitzender des Progrès zu sein?

Es erfüllt mich mit sehr viel Stolz, dass ich gewählt wurde und man mir dieses Vertrauen schenkt. Ich bin nicht einmal 40 Jahre alt und Franzose. Die Nationalität sollte in keinem Kontext der Welt eine Rolle spielen und spielt es auch in Niederkorn nicht. Man entscheidet nämlich nicht, wo man geboren wurde. Ich hingegen habe 2007 entschieden, aus meiner Heimatstadt Forbach nach Niederkorn zu wechseln, war lange Zeit Spieler, wohne seit drei Jahren ganz in der Nähe des Stade Jos. Haupert und meine Familie fühlt sich hier sehr wohl.

Nachfolger von Fabio Marochi zu werden ist keine leichte Aufgabe. Herrscht bei Ihnen jetzt noch mehr Druck?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe sehr viel Respekt für ihn und direkt mitverfolgt, was er in den vergangenen Jahren bewegt hat. Unsere Beziehung ist weit mehr als die eines Präsidenten und seines Generaldirektors. Druck hat man immer, aber Fabio hat sich für mich als Vorsitzenden ausgesprochen und das erleichtert mir natürlich die Aufgabe. Außerdem werde ich nicht mehr oder weniger arbeiten als in der Vergangenheit. Die Verantwortung, die ich trage, bleibt auch die gleiche. Das sind alles Faktoren, die dazu führen, dass ich mir keinen zusätzlichen Druck auflasten muss. Dass es zu diesem Wechsel auf dem Präsidentenposten kommen würde, war schon seit Monaten bekannt und wurde gut vorbereitet. Ich hoffe jetzt nur, dass alle im Verein mir folgen werden und wir in die gleiche Richtung gehen können.

Mit einem neuen Präsidenten kommt meistens eine neue Philosophie. Was wollen Sie ändern?

Wir wollen uns vor allem darauf stützen, was wir in den vergangenen acht Jahren gemacht haben. Es wird mit Sicherheit einige kleine Veränderungen geben, aber die Philosophie bleibt die gleiche. Wir werden auch weiterhin vor allem talentierte einheimische Spieler verpflichten und ihnen die Chance ermöglichen, ins Ausland zu wechseln. Eine wichtige Aufgabe wird es sein, ein bisschen an den Finanzen zu schrauben. Wir wollen in Zukunft weniger abhängig von den Europapokal-Einnahmen sein.

Fabio Marochi wird der ‚Boss’ und der größte Sponsor des Vereins bleiben

Thomas Gilgemann, Progrès-Präsident

Fabio Marochi soll weiterhin im Hintergrund arbeiten. Welche Aufgaben wird er erfüllen?

Er wird weiterhin „hyperaktiv“ im Verein präsent sein, aber er wollte sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Das bedeutet jedoch umgekehrt auch, dass er sich mit anderen Aufgaben beschäftigen kann. Noch vor diesem Interview waren wir bei einem Mittagessen mit einem Sponsor. In Zukunft könnte man die Rolle von Fabio (Marochi) mit der von Flavio Becca vergleichen. Er hat in seinem Verein sehr viel zu sagen, war aber nie in einem Vorstand vertreten. Man kann sagen über Becca, was man will, aber er ist ein großer Chef, ein richtiger Führer eines Unternehmens. Und wenn er das Ganze aus der Distanz steuert, hat er seine Gründe dafür. Ab und zu muss man auch seinem Konkurrenten Tribut zollen und etwas von ihm abschauen. Man kann nicht immer nur in seiner eigenen Welt leben. Um aber auf Niederkorn zurückzukommen: Fabio wird auch in Zukunft der „Boss“ und der größte Sponsor des Vereins sein.

Sie waren bis zu Ihrer Wahl zum Präsidenten Generaldirektor, Sportdirektor und Teammanager in Personalunion. Wird es Nachfolger für all diese Posten geben?

Wir profitieren von der Situation und restrukturieren unser Organigramm. Ich hatte sehr viele Posten und konnte sie auch nicht immer alle zu hundert Prozent erfüllen. Das soll in Zukunft anders werden. Jeder soll sich ausschließlich auf seine Aufgabe konzentrieren. Deshalb wird es drei Nachfolger geben. Wer das sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber es werden drei Personen sein, die dem Progrès sehr nahestehen und denen man nicht lange erklären muss, wie der Verein funktioniert. Ich werde alle diese neuen Leute in den nächsten sechs Monaten anlernen, damit sie die ganze Breite der Luxemburger Fußballwelt verstehen. Sie alle sind jedoch da, um die Aufgaben besser zu erledigen als ich es bisher getan habe. Es geht darum, neue Visionen und Arbeitsweisen in den Klub mit einzubringen.

Noch eine sportliche Frage zum Abschluss. Niederkorn hat in den vergangenen zwei Monaten fast alles verspielt und ist von Platz eins auf Rang fünf abgerutscht. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Die letzten Wochen haben zu einer Selbstreflexion im Verein geführt – auch bei mir selbst. Ich habe mich und meine Entscheidung in Frage gestellt. Wenn es schlecht läuft, dann hat das seine Gründe meistens ein paar Monate davor. Sébastien Flauss ist nicht auf einmal ein schlechter Torwart, weil er zuletzt ein paar Fehler gemacht hat. In den kommenden Wochen werden wir wissen, wie es weitergeht. Die personellen Entscheidungen hängen sehr stark davon ab, ob wir uns für das internationale Geschäft qualifizieren. Einige Spieler müssen sich jedoch jetzt schon in Frage stellen. Wir sind sehr zuvorkommend mit ihnen: zahlen immer pünktlich und sorgen uns um ihr Wohlergehen. Das tun wir aber auch, weil wir Leistung auf dem Platz verlangen. Wenn dies aber nicht passiert, dann muss eine Veränderung vollzogen werden.