Es ist kein Zufall, dass an diesem Donnerstag zum Thema Moldawien als Erstes ein rumänischer Politiker ans Rednerpult des Europaparlaments in Straßburg tritt. Rumänien ist bereits an seiner nördlichen Grenze unmittelbarer Nachbar des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Nun blicken die Invasoren auch auf Moldau, den westlichen Nachbarn des NATO-Mitglieds. So lobt denn der Europa-Abgeordnete Siegfried Muresan von der EVP-Fraktion, dass Moldawien nicht nur pro Kopf die meisten ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen, sondern auch „für Sicherheit und Stabilität an der EU-Außengrenze gesorgt“ habe.
„Sicherheit und Stabilität“ ist jedoch auf Moldau gemünzt mehr Beschwören als Beschreiben. Seit sich in den Auflösungswirren der Sowjetunion der längliche, von Russen dominierte östliche Landstreifen unter blutigen Kämpfen als „Transnistrien“ von der selbstständig werdenden ehemaligen Sowjetrepublik Moldawien abtrennte, wird das Land eher von Unsicherheit und Instabilität geprägt. Das gilt erst recht, seit Ende April ein führender russischer General laut darüber sinnierte, dass das neue Kriegsziel der Invasion in der gesamten südlichen Ukraine eine Landbrücke vom Donbass entlang der Schwarzmeerküste als „Weg nach Transnistrien“ bedeute.
Die Begründung von Generalmajor Rustam Minnekajew liest sich wie das Drehbuch zum ersten Teil des Angriffskrieges. Es gebe „Beweise“ für eine „Unterdrückung“ der russischsprachigen Bevölkerung in Transnistrien, stellte er fest. Es ist der gleiche Wortlaut, den Putin auch schon mit Blick auf die Separatistengebiete Donezk und Luhansk als Motiv für den Angriff auf die Ukraine wählte. Und als dann wenig später Explosionen in Transnistrien erfolgten, ließen die von wem auch immer verübten Anschläge auf Separatistengebäude und Sendeanlagen mit russischen Programmen die Alarmglocken schrillen. Nicht nur in Moldawiens Hauptstadt Chisinau, sondern genauso in Brüssel.
Problem mit Transnistrien
Die NATO sähe sich mit Angriffen auf ihre unmittelbare Nachbarschaft konfrontiert, die EU entsandte umgehend ihren höchsten Ratsrepräsentanten Charles Michel nach Chisinau. Ohne Details zu nennen, sprach Michel von zusätzlicher Unterstützung beim Aufbau der moldawischen Streitkräfte. Mit ihren rund 6.000 Soldaten sind die im Gegensatz zur Situation in der Ukraine eher übersichtlich aufgestellt. In Transnistrien gibt es etwa doppelt so viele Milizionäre, die schon jetzt von einer fünfstelligen Zahl russischer Soldaten unterstützt werden. In den letzten Tagen waren auffällige Truppenbewegungen in Transnistrien zu beobachten.
Der „Präsident“ des nicht anerkannten Gebietes Transnistrien, Wadim Krasnoselski, behauptet, die „Terroranschläge“ seien in der Ukraine geplant worden, die Ukraine wirf Russland vor, dahinterzustecken, Russland spricht von einer „Provokation“ und Moldawien selbst verurteilt die Gewalt, ohne irgendeine Seite zu beschuldigen. Präsidentin Maia Sandu verweist immer wieder auf die Unabhängigkeit des Landes und bittet alle Seiten, diese zu respektieren. Ganz bewusst strebe Moldau keine Mitgliedschaft in der NATO an.
Doch unter dem Eindruck des Angriffskrieges gegen die Ukraine reihte sich Moldawien in die EU-Anhänger ein. Seit Jahren laviert die Bevölkerung zwischen besseren Beziehungen zur Russischen Föderation und zur Europäischen Union. Nun ist jedoch der Aufnahmeantrag auf dem Weg. Im Europaparlament erinnerte die finnische Grünen-Abgeordnete Heidi Hautala an die Abfolge am Ende der ersten Kriegswoche, als am Dienstag die Ukraine, am Mittwoch Georgien und am Donnerstag Moldawien offiziell den Beitritt zur EU beantragten. „Was für eine Woche“, urteilte die Finnin, deren Land inzwischen auch in die NATO strebt. EU-Erweiterungs-Kommissar Oliver Varhelyi zeigte sich in der Debatte „beeindruckt“ davon, dass Moldawien bereits Teile des Aufnahme-Fragebogens abgearbeitet habe.
Zugang zum EU-Binnenmarkt gewähren
Was normalerweise ein langwieriger und komplexer Prozess sei, werde im Falle Moldawiens nun beschleunigt behandelt. Noch vor dem EU-Gipfel im Juni wolle die Kommission mit ihrer Empfehlung fertig sein, teilte der Kommissar mit. Das EU-Parlament votierte am Donnerstag bereits nachdrücklich in einer Resolution dafür, Moldau den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen. „Die Republik Moldau hat sich seit Beginn des Krieges sehr europäisch gezeigt“, stellte Muresan von der EVP fest – und regte an, Moldawien umgehend Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu gewähren. Der litauische Europa-Abgeordnete Juozas Olekas von den Sozialdemokraten gab zu bedenken, auch die militärische Unterstützung Moldawiens auszubauen, und empfahl, das Land angesichts des Streits mit Russland um Gaslieferungen auch an das europäische Energienetz anzuschließen. Angesichts der „imperialistischen Bemühungen Russlands“ habe Moldawien eine klare europäische Perspektive verdient, urteilte die liberale Abgeordnete Ramona Strugariu aus Rumänien.
Einstweilen weitet die EU ihre direkte Moldau-Hilfe aus. Um 52 Millionen würden laufende Programm aus dem Vorjahr aufgestockt, 65 Millionen kämen in diesem Jahr hinzu. 30 Millionen gingen in die humanitäre Hilfe, 15 Millionen in eine Grenzunterstützungsmission der EU, erläuterte Kommissar Varhelyi.
De Maart
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