Das Treffen der Regierungschefs Polens und Tschechiens war kurzfristig anberaumt worden, die aktuelle Situation drängt. Die Ausweitung der russischen Aggression in der Ukraine bringt vor allem Tschechien in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Republik an der Moldau bezieht fast 95 Prozent seines Erdgasbedarfs aus Russland, die Wirtschaftsverflechtungen mit dem einstigen „Bruderland“ sind eng. Die „Pipeline der Freundschaft“, vor Jahrzehnten von den Mitgliedsstaaten des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW) gebaut und genutzt, bringt heute die daran angeschlossenen Länder in gravierende Schwierigkeiten.
Bereits im Vorfeld seines Treffens mit dem polnischen Regierungschef hatte Petr Fiala (Bürgerdemokraten, ODS) erklärt, er wolle in Warschau sowohl eine Beteiligung Tschechiens an polnischen LNG-Terminals verhandeln sowie den Ausbau einer zweiten Austauschpipeline (STORK 2) anbieten. Nebst der bisher bereits bestehenden Leitung zwischen dem tschechischen Tranovice und dem polnischen Skoczow soll diese zweite Pipeline für eine größere Energiesicherheit beider Staaten sorgen.
Darüber hinaus erklärte Fiala gegenüber Morawiecki den tschechischen Wunsch, die Steinkohleimporte aus den polnischen Revieren zu erhöhen, um russische Lieferungen ablösen zu können.
Sowohl Polen als auch Tschechien gehören zu den schärfsten Kritikern des russischen Einmarsches in die Ukraine und haben demnach auch mit den stärksten Reaktionen des großen östlichen Nachbarn zu rechnen. Ungeachtet dessen werde man sich weiter deutlich gegen die russische Position engagieren, so beide Regierungschefs auf der gemeinsamen Pressekonferenz am Freitagnachmittag. Insbesondere wolle man Kiew mit stärkeren Waffenlieferungen unterstützen. Polen erklärte in diesem Zusammenhang, 200 Kampfpanzer vom Typ T 72 in die Ukraine zu liefern.
Vorgänger Babis hat nicht vorgesorgt
Fialas Visite in Warschau hatte ein innenpolitisches Vorspiel. In einer heftigen Parlamentsdebatte kritisierte der amtierende Regierungschef seinen Vorgänger Andrej Babis, die Energiesicherheit Tschechiens vernachlässigt zu haben. Aus diesem Grund müssten nun die politisch Verantwortlichen quasi zu einer „Betteltour“ zum östlichen Nachbarn reisen.
Denn fraglich sei, ob Polen wirklich gewillt ist, seine Steinkohleexporte nach Tschechien zu erhöhen oder angesichts russischer Bedrohungen nicht selbst Reserven anlegen und zu gegebener Zeit nutzen will. Zudem sei Tschechien nun wieder gefordert, die eigentlich zur Stilllegung bestimmten Braunkohletagebaue auszubauen bzw. zu reaktivieren.
Beunruhigend für die westlichen Nachbarn dürfte ebenfalls sein, dass Tschechien unter den aktuellen Umständen jedenfalls darauf drängen wird, die bestehenden Kernkraftwerke weiterhin zu betreiben und auszubauen – der besonders kritische Aspekt hierbei ist, dass die Reaktoren sowohl in Temelin als auch in Dukovany russischer Bauart sind und entsprechende Ersatzteile benötigen.
Druck auf Orban soll erhöht werden
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz erklärten Fiala und Morawiecki, im Rahmen der Visegrad-4-Staaten (hierzu gehören ferner die Slowakei und Ungarn) stärkeren Druck auf die EU ausüben zu wollen, um sich noch deutlicher wirtschaftlich und politisch von Russland abzugrenzen. In diesem Zusammenhang betonten die Regierungschefs, ihren politischen Einfluss auf Viktor Orban nutzen zu wollen, um den ungarischen Premier von seinem bislang moskaufreundlichen Kurs abzubringen. Nur wenn die V-4-Staaten mit einer Stimme sprächen, könnten sie auch entsprechenden Einfluss auf die gesamte Union ausüben, zeigten sich die beiden Regierungschefs in Warschau überzeugt.
In diesem Zusammenhang kritisierte vor allem Mateusz Morawiecki die deutsche Haltung als zu unentschlossen. Sowohl das überlange Festhalten an Nord Stream 2 als auch die schwammige Absage an russische Energielieferungen seien ebenso wenig geeignet, den Aggressor zu bekämpfen, wie das halbherzige Bekenntnis zur Lieferung schwerer Waffen. Fiala und Morawiecki forderten Deutschland auf, sich stärker im Kampf gegen Russland zu engagieren.
De Maart
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